Süddeutsche Zeitung

Versicherer:Generali gibt Lebensversicherungen für Privatkunden auf

  • Bei Generali beginnt der große Umbau: Die Deutschlandholding zieht von Köln nach München um und wird dort mit Generali Versicherung und der Generali Lebensversicherung verschmolzen.
  • Damit stellt der zweitgrößte Versicherer im Endkundenmarkt den Verkauf von klassischen Lebensversicherungen mit Zinsgarantien an Privatleute faktisch ein.

Von Herbert Fromme, Köln

Jahrelang galt die Generali Deutschland als Musterschüler im Großreich des Triester Versicherungskonzerns. Starkes Wachstum, stetige Gewinnüberweisungen, keine Skandale - die Tochter auf dem nach Italien zweitwichtigsten Markt war die Vorzeigegesellschaft. Mit den Marken Generali, Aachen Münchener, Cosmos Direkt, Dialog, Central, Advocard und Badenia ist der Konzern unterwegs. Verkauft wird über Vertreter, per Internet und über den Großvertrieb DVAG der Familie Pohl, an dem die Generali 40 Prozent hält. Die Steuerung liegt bei der Kölner Holding.

Auch 2014 zeigte die Kölner Holding gute Zahlen. Dennoch krempelt Konzernchef Mario Greco die deutschen Gesellschaften radikal um. Ab 1. Mai ist Giovanni Liverani neuer Landeschef, zusätzlich zu seiner Funktion in der achtköpfigen Konzernführung. Drei Wochen nach seinem Amtsantritt ist das Umbauprogramm fertig. Es wird den mit 17 Milliarden Umsatz zweitgrößten Versicherer im deutschen Endkundenmarkt gewaltig durchschütteln.

"Die Manager müssen näher zu den Kunden, unsere Struktur ist viel zu komplex", sagt Liverani. Die Generali Deutschland werde mit 34 Vorständen geführt, die Rivalen Allianz und Axa kämen mit 23 beziehungsweise 13 aus. Deshalb löst die Generali ihre Deutschlandholding im Effekt auf. Sie zieht von Köln nach München um und wird dort mit der Führung der Generali Versicherung und der Generali Lebensversicherung verschmolzen.

Die sechs Konzernvorstände haben künftig zwei Funktionen - sie verantworten einerseits ganz direkt das Geschäft der Generali Versicherungen in München. Gleichzeitig sind sie für ihre Sparten konzernweit tätig, also auch für diese Geschäftsbereiche der Töchter Aachen Münchener und Cosmos Direkt.

Zweiter, sensationeller Kernpunkt des Umbaus: Die Generali stellt den Verkauf von klassischen Lebensversicherungen mit Zinsgarantien an Privatleute faktisch ein. Unter den neuen EU-Eigenkapitalregeln Solvency II kosten sie sehr viel Kapital, dazu kommen die Niedrigzinsen. Nur noch in der betrieblichen Altersvorsorge will Liverani solche Policen verkaufen. Privatleuten bietet die Gruppe künftig fondsgebundene und so genannte hybride Verträge sowie Risikoversicherungen an.

Die Altlasten aus den vielen Verträgen mit Zinsgarantien von vier Prozent und 3,5 Prozent betrifft das allerdings nicht - mit ihnen muss die Generali auch künftig fertig werden. Möglicherweise wird der Konzern versuchen, mit dem neuen "gezielten Bestandsmanagement" die Kunden zum Umstieg auf andere Policen zu bewegen.

"Richtig aggressiv" sollen die Sachkosten angegangen werden

Dritter zentraler Punkt: die Kosten. Die Generali liege 130 Millionen Euro bis 160 Millionen Euro pro Jahr über dem besten Viertel des Marktes, sagt Liverani. Über das genaue Ausmaß der Kostensenkung schweigt er sich aus - die nennt der Konzern möglicherweise beim Investorentag am 27. Mai in London. Über den geplanten Personalabbau bei den 13 700 Angestellten muss das Unternehmen ohnehin erst mit den Betriebsräten verhandeln.

"Richtig aggressiv" will Liverani die Sachkosten angehen. Weder Kunden noch Aktionäre hätten ein Interesse an teuren Innenstadtbüros mit hohen Quadratmeterpreisen, sagt er.

Mit dem Umbau reagiert die Generali auf grundlegende Veränderungen im Versicherungsmarkt. "Die Zinsen werden sehr lange sehr niedrig bleiben." Das treffe die deutschen Lebensversicherer mit ihren Altbeständen mit hohen Garantien besonders. "Irgendwann spricht man nicht mehr von einem Japan-Szenario, sondern einem Deutschland-Szenario." Außerdem setzten demografische Trends das Geschäftsmodell unter Druck.

Dazu kommen Veränderungen der Aufsichtsregeln und Kapitalanforderungen aus Berlin und Brüssel. "Zusammengenommen sind sie ein regulatorischer Jahrhundertsturm", sagt er. Außerdem ändere sich das Verhalten der Kunden und des Marktes. Der Wettbewerb sei sehr intensiv, die Kunden heute besser informiert und preissensitiv. "Sie wollen die beste Kombination von Preis und Leistung." Bei der Kundenzufriedenheit sei die gesamte Versicherungsbranche nur Mittelmaß. Hinzu kommen die Herausforderungen des digitalen Zeitalters.

Global ist schon viel geändert worden - jetzt ist Deutschland dran

Der deutsche Marktführer Allianz hat bereits 2006 ein tief greifendes Umbauprogramm eingeleitet, das allerdings auf heftigen Widerstand der Belegschaft stieß und später in Teilen zurückgenommen wurde. Auch andere Gesellschaften sind mitten in Kostensenkungs- und Umbauprogrammen. Sieben Jahre nach ihrem Beginn ist die Finanzkrise in Gestalt der Niedrigzinsen bei den Versicherern angekommen.

Generali-Konzernchef Greco hat global bereits viel verändert - Tochtergesellschaften verkauft, die Kapitalbasis gestärkt und die Strukturen vereinfacht. Jetzt ist Deutschland dran. Bislang habe die Generali Deutschland die Finanzkrise ohne größere Blessuren überstanden. "Aber was passiert, wenn wir uns nicht ändern?", fragt Liverani. Dann könne der Konzern schon sehr bald die Erwartungen von Kunden, Mitarbeitern und Aktionären nicht mehr erfüllen.

Zur neuen Aufstellung gehört eine neue Führung. Nur Finanzchef Torsten Utecht bleibt aus dem alten Holding-Vorstand an Bord. Das sechsköpfige Gremium hat - ebenfalls selten in der konservativen Branche - zwei weibliche Mitglieder. Künftig verantwortet Claudia Andersch die Lebens- und Krankenversicherung, Monika Sebold-Bender die Sachversicherung.

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SZ vom 22.05.2015
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