Vermögensprofis prophezeien Börsenrally:Chancen nutzen - schnell und schnörkellos

Die Finanzkrise hat gezeigt, dass viel Schlimmes an den Börsen passieren kann. Doch nun glauben einige Vermögensverwalter wieder an günstige Kaufgelegenheiten an den Aktienmärkten.

Markus Zydra, Frankfurt

Finanzprofis gelten als süchtig nach Informationen. Ständig starren sie auf den Computerbildschirm mit Kursen, im Hintergrund läuft das Börsengeschnatter im Fernsehen, sie blicken oberflächlich auf zig Marktstudien in der Email, während sie, den Hörer zwischen Schulter und Kinn geklemmt, noch telefonieren. So meint man sie zu kennen, die agilen Aktienhändler dieser Zeit.

Vermögensprofis prophezeien Börsenrally: Der Aktienchef der Fondsgesellschaft DWS, Henning Gebhardt, prophezeit für das nächste Jahr Kursanstiege bei europäischen Aktien. Für den Kursverlauf des europäischen Leitindex EuroStoxx50 in den vergangenen vier Jahren bitte auf die Grafik klicken.

Der Aktienchef der Fondsgesellschaft DWS, Henning Gebhardt, prophezeit für das nächste Jahr Kursanstiege bei europäischen Aktien. Für den Kursverlauf des europäischen Leitindex EuroStoxx50 in den vergangenen vier Jahren bitte auf die Grafik klicken. 

Deshalb überrascht es dann doch ein wenig, wenn Henning Gebhardt sein Blackberry in die Hand nimmt und mit entspannter Miene die besondere "Deaktivieren-Einstellung" an seinem Kommunikationsgerät erläutert. "So geht es", sagt er und zeigt auf den kleinen Bildschirm, "automatisches Abschalten am Freitagabend, automatisches Einschalten erst wieder am Montagmorgen." In der Zwischenzeit nur - Funkstille.

Gebhardt, Leiter der Abteilung europäische Aktien bei der Fondsgesellschaft DWS, will am Wochenende seine Ruhe. Natürlich für seine Familie. Aber auch für seinen Job.

"Die ständige Berieselung mit Informationen macht meine Entscheidungen nicht besser", sagt der 43-jährige Betriebswirt. Er braucht Abstand, um für seine Kunden gut zu investieren. Seit 1996 arbeitet er bei der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, somit hat er alle Krisen der jüngsten Zeit miterlebt. Asienkrise 1998, Internetblase 2001 und die US-Immobilienkrise 2008, deren Folgen uns bis heute beschäftigen.

Chancen nutzen - schnell und schnörkellos

Viele Geldverwalter sind ob dieser Erfahrungen ängstlich geworden. Einen Menschen wie Gebhardt hat das Erlebte dem Anschein nach abgehärtet. Er weiß, dass viel Schlimmes an den Finanzmärkten passieren kann. Er weiß aber auch, dass man Chancen nutzen muss. Schnell und schnörkellos.

Und derzeit ist Gebhardt optimistisch. Den deutschen Aktienindex Dax sieht er 2011 bei rund 7500 Punkten, und auch für europäische Aktien prognostiziert er für das kommende Jahr Kurszuwächse von zehn bis zwölf Prozent. "Die Liquidität ist da, Aktien sind im historischen Vergleich niedrig bewertet und andere Vermögensklassen sind weniger attraktiv", begründet er seinen Optimismus. Was soll man auch erwarten von einem Aktienprofi, könnte man meinen. Er kann sich ja schlecht für andere Anlageklassen stark machen.

Aber es gibt durchaus gute Argumente für seine These. "Die Anleihe der Deutschen Telekom bringt 3,5 Prozent Rendite, die Aktie der Deutschen Telekom wirft eine Dividendenrendite von sieben Prozent ab", so Gebhardt.

Auch der ansonsten nicht gerade für Optimismus bekannte Kölner Vermögensverwalter Bert Flossbach spricht sich für Aktieninvestments aus. Sein Argument: Die Preise für Anleihen seien zu stark angestiegen, sind also zu teuer.Und irgendwann müssten auch die Profi-Investoren, die lange an den Schuldtiteln als sichere Bank in der Krise festhielten, wieder in den Aktienmarkt. "Pensionsfonds haben eine Aktienquote von fünf bis sieben Prozent, sie können ihre Verpflichtungen gegenüber den Kunden aber nur erfüllen, wenn sie diese Quote deutlich erhöhen", sagt Gebhardt.

Investoren noch vorsichtig

Er weiß natürlich auch, wie vorsichtig die Investoren noch sind, auch wenn er nicht wirklich versteht, warum Pensionsfonds ausgerechnet aus Risikogründen Unternehmensanleihen und Immobilien den Aktien vorziehen. Das Pleiterisiko bei Firmen trifft Gläubiger wie Aktionäre, und für den Immobilienmarkt prognostizieren einige Experten schon neue Blasen, weil die niedrigen Zinsen in vielen Teilen der Welt zu einem übertriebenen Bauboom geführt haben.

Den Unternehmen gehe es wieder besser, sie würden investieren und von den Schwellenländern profitieren, argumentiert Gebhardt weiter pro Aktie. Tatsächlich haben Deutschlands große börsennotierte Konzerne ihre Gewinne im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr in etwa verdoppelt. Doch mehren sich bereits die Stimmen, die vor einem Abkühlen der Konjunktur ausgehen. Ohnehin erwartet der DWS-Manager künftig stärkere Konjunkturschwankungen: "Die Staaten können es sich finanziell nicht mehr leisten, den Abschwung durch Fiskalpolitik abzufedern, und das ist auch gut so. Abschwünge sind wichtig, weil nur so die schlechten Unternehmen vom Markt verschwinden", sagt er.

Der Familienvater spricht aus Erfahrung. Fast seine ganze Laufbahn hat Gebhardt bei der DWS verbracht und Karriere gemacht. Er führt eine Abteilung mit 22 Mitarbeitern. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Commerzbank studierte er bis 1995 an der Universität Göttingen Betriebswirtschaft und kam 1996 dann zur DWS.

Informationen weniger wert

Ein Patentrezept für erfolgreiche Aktienanlage hat Gebhardt nicht. Aber er weiß: Mit Bauchgefühl allein kommt man an der Börse nicht weit, aber auch die beste Analyse kann nach hinten losgehen. "Manchmal stört es die Investoren, wenn Unternehmen hohe Schulden haben, manchmal sind hohe Schulden ein Kaufargument", erklärt er die Launen des Marktes. Erfolgreiche Profis erspüren Trends, und davon leben sie. Gebhardts Aktienfonds DWSInvesta hat in den vergangenen zwölf Monaten mit plus 26 Prozent besser als der Vergleichsindex Dax rentiert.

Besser sein als der Markt - kein leichter Job in Zeiten, in denen billigere Indexpapiere immer mehr Fondskunden locken und aktiven Geldverwaltern das Leben schwer machen. Früher, so Gebhardt, als Marktstudien per Post kamen und die Dossiers von einem Analysten nach dem anderen durchgearbeitet wurden, spielte es noch eine Rolle, wer Information als Erster bekam. "Heute liest die Welt im Internet alle Informationen gleichzeitig, was ihren Wert verringert."

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