Vermögen in Deutschland:Bin ich reich?

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Wirtschaftsforscher haben nachgerechnet, wer zu den obersten zehn Prozent der Top-Verdiener im Land gehört. Das Ergebnis überrascht: Selbst viele Menschen, die sich bisher zur Mittelschicht zählten, gelten als wohlhabend.

Von Thomas Öchsner

Wenn der Berliner Politologe Klaus Schroeder seine Studenten fragt, wer für sie eigentlich als reich gilt, sagen die meisten: Reich ist ein Privathaushalt, der netto mehr als 15.000 Euro pro Monat zur Verfügung hat. Repräsentative Umfragen wiederum zeigen, dass für die Bevölkerung jemand reich ist, wenn er mehr als 9000 Euro monatlich verdient. Landläufig spricht man auch von den "oberen Zehntausend".

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wollte es genauer wissen und durchleuchtete die oberen zehn Prozent der Bevölkerung. Stimmt das Ergebnis, dürfte mancher erstaunt feststellen: "Huch, da könnte ich ja auch dazugehören." Denn im Durchschnitt beläuft sich laut IW das Nettoeinkommen der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung auf 4300 Euro monatlich.

Wie kommt das Kölner Institut zu dieser Zahl? Man nimmt die nach der jüngsten Volkszählung etwa 80 Millionen Einwohner und teilt sie in zehn gleich große Gruppen (Dezile). Im obersten Zehntel sind diejenigen, die sehr gut verdienen, im untersten die Einkommensschwächsten. Als Basis dienen die Angaben aus dem sozioökonomischen Panel, einer Befragung von etwa 20.000 Bürgern in Deutschland.

Viele Reiche sind leitende Angestellte

Danach gehört ein Single, der monatlich mindestens 3009 Euro ausgeben kann, bereits zu den oberen zehn Prozent. Eine Familie mit zwei Kindern muss dafür mindestens 6319 Euro zur Verfügung haben. Bei einem Ehepaar wären 4514 Euro netto notwendig. Die Forscher des Instituts folgern daraus: "Anders als landläufig angenommen wird, beziehen die Reichen ihr Einkommen nicht vorwiegend aus Kapitalanlagen und Vermögen. Sie verdienen ihr Geld oft als leitende Angestellte." Auch Selbständige, die Mitarbeiter beschäftigten, sowie Pensionäre und Beamte gehörten zum obersten Zehntel, so das IW.

Insgesamt beläuft sich die Anzahl der Vielverdiener-Haushalte im obersten Dezil auf etwa vier Millionen. Bei jedem zweiten handelt es sich um ein Paar ohne Kinder, die im Jargon der Werbebranche zur Gruppe der Dinks mit doppelten Einkommen und ohne Kinder (double income, no kids yet) gehören. Auch zu den reichsten ein Prozent liefert das IW eine Zahl: Wer als Single mehr als 6051 Euro im Monat ausgeben kann, gehört zu dieser Gruppe mit insgesamt 370.000 Haushalten.

Das Institut liefert Munition für die Debatte um Steuererhöhungen

Warum das IW gerade jetzt diese Zahlen auf seine Internetseite gestellt hat, ist klar: Das Institut, das höhere Steuern für Spitzenverdiener kategorisch ablehnt, liefert der schwarz-gelben Koalition damit neue Munition in der Debatte um die Steuererhöhungspläne von SPD und Grünen. Die eigentliche Botschaft der Forscher lautet: Von dem Vorhaben der Oppositionsparteien wären auch ganz normale Vielverdiener betroffen.

Die Zahlen des IW können allerdings, wie alle Aussagen über die Wohlhabenden im Land, kein zu 100 Prozent zutreffendes Bild über die Wirklichkeit dieser Oberschicht liefern. Der Berliner Politikwissenschaftler und Historiker Schroeder merkte schon bei der Vorstellung des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung an, dass die Statistik verzerrt ist.

Großes Gefälle zwischen Westen und Osten, Norden und Süden

Hinter den obersten zehn Prozent verbirgt sich nämlich eine sehr unterschiedliche Gruppe: Wirklich Geld hätten die obersten 0,1 bis vielleicht 0,5 Prozent in der Einkommensskala. Diese würden die oberen zehn Prozent mit nach oben ziehen. "In den obersten 0,1 Prozent, meinetwegen im obersten Prozent, dort wird Vermögen akkumuliert, ohne Ende. Hier müsste man ansetzen", sagt der Professor.

Hinzu kommt ein anderes methodisches Problem: Obere Einkommen werden in Umfragen eher untererfasst. "Die Wahrscheinlichkeit, Milliardäre wie die Quandts von BMW oder die Albrechts von Aldi zu bekommen, sind äußerst gering", sagt ein Wissenschaftler eines großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts, der lieber ungenannt bleiben möchte. Solche Top-Verdiener hätten keine Zeit und natürlich auch kein Interesse, an solchen Befragungen teilzunehmen.

Die IW-Zahlen sagen auch nichts über die Verteilung des Vermögens in Deutschland aus, zu der die Bundesbank am Montag Zahlen vorlegte. Danach gibt es ein großes Gefälle in Deutschland, nicht nur zwischen Westen und Osten, sondern auch dem Norden und Süden der Republik. Teilt man die bundesdeutschen Haushalte in eine reichere und eine ärmere Hälfte, liegt die Mitte, der sogenannte Median, in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen für das Nettovermögen bei 106.000 Euro. Im Norden beträgt der Wert 41.400 Euro und im Osten inklusive Berlin nur 21.400 Euro. Bundesweit kommt ein privater Haushalt nach Abzug von Schulden auf ein Nettovermögen von 195.200 Euro. Tatsächlich dürfte es in den meisten Fällen deutlich weniger sein, weil die sehr Wohlhabenden den Durchschnitt nach oben hieven.

Im Armuts- und Reichtumsbericht hatte die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung 2008 mehr als 53 Prozent des Vermögens besaßen. Zehn Jahre zuvor waren es 45 Prozent gewesen. Die Haushalte in der unteren Hälfte der Verteilung verfügten demnach sogar nur über gut ein Prozent des gesamten Nettovermögens. Noch offen ist, wie sich dies in den letzten vier Jahren entwickelt hat. Ungleich verteilt ist auch das private Immobilienvermögen. Knapp die Hälfte der Bevölkerung lebt in eigenen vier Wänden. Das reichste Fünftel besitzt nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft jedoch über 75 Prozent des Immobilienvermögens.

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