Verkauf baufälliger Schlösser:Barocke Bruchbuden

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Ein Herrenhaus für 9500 Euro? Viel Vergnügen! In Ostdeutschland werden Schlösser und Burgen günstig versteigert. Richtig teuer wird es erst, wenn die Sanierung ansteht.

Steffen Uhlmann

"Das Mindestgebot beträgt 49.000 Euro, gibt es ein Gebot, gibt es ein Gebot hier im Saal?" Michael Plettner wiederholt wie aufgezogen immer wieder die gleiche Frage. Und seine Stimme wird bei jeder Wiederholung nachdrücklicher. Doch es hilft nichts, niemand tut ihm den Gefallen und hebt den Arm.

Viele alte Herrenhäuser in Ostdeutschland werden für geringe Beträge auf Auktionen versteigert. Hier im Bild: Schloss Kummerow im Landkreis Demmin. Es fand für 130.000 Euro einen Käufer. (Foto: Deutsche Grundstücksauktionen AG)

Dabei hat der Auktionator nicht irgendein Objekt zu bieten. Aufgerufen hat Plettner die Wasserburg Schneidlingen, eine denkmalgeschützte Burganlage am Fuße des Harzes, mit frei stehendem Bergfried, Brau- und Kornhaus im Ostflügel sowie Amtsschreiber- und Kavaliershaus im Südflügel. Alles zusammen fast 2000 Quadratmeter Wohnfläche, dazu über 3000 Quadratmeter Flurstücke. Und das für nicht mal 50.000 Euro.

Die Leute im Saal wissen jedoch, dass die Burg kein Schnäppchen ist. Zwar wurden in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zur Sanierung etwa 750.000 Euro in die Wasserburg gesteckt. Doch die Mittel scheinen ohne große Wirkung versickert, genauso wie das Wasser im Burggraben. Dafür sitzen nun Schädlinge im Holz, die Kellerdecken sind eingebrochen. Und die gesamte Technik ist sanierungsbedürftig, wenn sie denn überhaupt noch vorhanden ist. "Schon die Sanierung kostet Millionen", raunt ein grau melierter Mann seinem Nachbarn zu. "Und dann der Unterhalt", sagt der. "Viel Vergnügen."

Es hilft nichts, im Saal regt sich niemand. Also legt Auktionator Plettner Schneidlingen zur Wiedervorlage ab. Das hat er auch schon mit dem Herrenhaus des Rittergutes Luttowitz nahe Bautzen gemacht. Mal schauen, was noch daraus wird. Plettner hat ja drei Tage Zeit, so lange dauert die Versteigerung, die die Deutsche Grundstücksauktionen AG (DGA) am letzten März-Wochenende in Berlin veranstaltete.

Ron Hedjazi sitzt in der letzten Reihe des Saals im Hotel Abba und blättert in dem vom Auktionshaus aufgelegten Katalog. Insgesamt 135 Immobilien sind aufgelistet und beschrieben. 60.000 Exemplare lässt die DGA zu jeder ihrer Auktionen drucken. "Der Großteil wird im Vorhinein an unsere Stammkunden und an Immobilien interessierte Anleger verschickt", erklärt DGA-Chef Plettner. "Das sichert uns Nachfrage, die wir für erfolgreiche Auktionen brauchen."

Viel Werbung aber müsse man derzeit nicht machen, sagt Plettner. Die Angst vor einem Währungsverfall habe auch die Nachfrage nach "Ost-Immobilien" deutlich erhöht. "Und das", so Plettner, "nicht nur für eh schon begehrte Objekte in Potsdam, Dresden oder Berlin."

"So billig, da kann man wirklich nichts falsch machen"

Auch Hedjazi ist fündig geworden. Er hebt den Arm, als Plettner das zum Rittergut Miltitz in der Nähe von Meissen gehörige Herrenhaus aufruft. 9000 Euro sind für den denkmalgeschützten, fast 1000 Quadratmeter großen Bau, plus mehr als 3000 Quadratmeter Grundstück, aufgerufen. Doch schon bei 9500 Euro lässt Plettner mangels weiterer Angebote den Hammer sausen.

Hedjazi freut sich: "So billig, da kann man wirklich nichts falsch machen", sagt der gebürtige Kölner, der Fleischer gelernt hat, nach seinem Umzug nach Berlin lange Zeit auf dem Bau arbeitete und sich nun seit drei Jahren als Immobilienmakler versucht. "Was ich ersteigere, das verkaufe ich über kurz oder lang mit deutlichem Gewinn weiter", sagt er und lächelt. "Hier kann man wirklich noch Schnäppchen machen."

Ob das Barockschloss Kummerow und der dazugehörige, vom berühmten Gartenarchitekten Peter Joseph Lenné gestaltete Landschaftspark für den neuen Besitzer zum Schnäppchen wird, kann Hedjazi nicht zusagen. Alle wollten aus solchen Anwesen Schlosshotels oder Konferenz- und Wellness-Häuser machen, sagt er. "Die gibt es inzwischen an allen Ecken und Enden im Osten."

Bei manchen Bauten besteht Einsturzgefahr

Er selbst besitzt auch ein Schloss, rund 150 Kilometer von Berlin entfernt. Doch der Aufwand für Sanierung und Unterhalt halte sich in Grenzen, so Hedjazi. "Kein Vergleich zu den Millionen, die für Kummerow fällig werden."

Der Makler hat recht. Das Anfang des 18. Jahrhunderts im Auftrag des Erblandmarschalls Albrecht von Maltzahn errichtete Barockschloss gehört heute zu Mecklenburg-Vorpommerns kunsthistorisch wertvollsten Denkmälern; es war lange dem Verfall preisgegeben. "In nicht wenigen Teilbereichen besteht Einsturzgefahr", sagt Plettner, der als Mindestgebot für das immens weitläufige und idyllisch am Kummerower See gelegene Anwesen 95.000 Euro aufruft.

Im Saal aber hebt sich nur einmal eine Hand, als Plettner im Duell zweier Bieter am Telefon 120.000 Euro aufruft. Schon 10.000 Euro später, bei 130.000 Euro, ist die Auktion entschieden. Plettner ist dennoch zufrieden, das Schloss unter den Hammer gebracht zu haben. Sieben Prozent Courtage, also knapp 10.000 Euro, streicht der Auktionator nun vom Käufer ein. Die Summe ist sofort fällig - das aber dürfte das geringste Problem für den neuen Schlossbesitzer sein.

© SZ vom 28.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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