Taschengeld I: Sparringspartner Mama
Siebte Klasse, Deutschunterricht: "Rhetorik", sagte der Lehrer, "ist die Kunst, sich in andere Menschen hinein zu versetzen. Nur wer das kann, wird sie überzeugen." Im Planspiel sollten Kinder Eltern überreden, mehr Taschengeld zu zahlen. "Was wollen die Eltern?", fragte der Lehrer. "Weniger Streit!", "Dass ich vor zwölf ins Bett gehe." Er nickte. "Damit müsst ihr verhandeln. Jeder muss ein bisschen gewinnen." In der Gruppenarbeit klappte das super. Zu Hause wurden die neuen Fähigkeiten ausprobiert. "Mama, bald kommt ja der Euro, oder?" Ein überraschter Blick. "Ach, reden wir wieder miteinander?" - "Klar. Weißt du, ich hab' mir etwas überlegt. Es nervt doch immer, wenn ich neue Klamotten haben will..." - "Da hast du recht!" - "Ich dachte, wir könnten einen Weg finden, dass wir uns nicht mehr darüber streiten." - "Zum Beispiel, indem du schaust, was deine Cousinen für tolle Blusen dagelassen haben! Wunderschöne Sachen und du willst sie nicht!" - "Mama, ich hasse Blusen! Nein, warte. Was ich sagen wollte: Wie wäre es, wenn ich mehr Taschengeld bekomme und meine Sachen selber kaufe? Dann musst du dich nicht ärgern, wenn du Kleider kaufst, die du nicht schön findest. Und wenn das Geld weg ist, ist es weg." Schweigen. Die Aussicht, sich nicht mehr durch H&M, New Yorker und Pimkie zu quälen, war offensichtlich verführerisch. "An wie viel Geld hattest du gedacht?" - "Ich dachte, ich könnte genauso viel Euro bekommen wie jetzt Mark..." - "Super. So machen wirs!" Oder wie der Lehrer prophezeit hatte: "Wenn es zu leicht geht, habt ihr zu tief gepokert."
von Charlotte Theile
Taschengeld II: Kleine Kapitalisten
Mini-München ist eine tolle Sache. Nicht nur für Kinder. Auch für Eltern. ,,Mama, da verdient man richtig Geld, Du musst mir also keines mitgeben. Ich kann mit Mi-Müs mein Essen und Trinken bezahlen." Was Schöneres kann es kaum geben, als dieses Spielestadt-Projekt in den Ferien. Die Kleinen sind motiviert, außerdem denken sie über Einnahmen und Ausgaben nach und ,,wo das ganze Geld von Mama und Papa so herkommt". Die Kinder arbeiten heute im Rathaus, morgen bei der Müllabfuhr und übermorgen im Theater von Mini-München.
Zu Beginn des neuen Schuljahrs gibt es übrigens zwei Euro mehr Taschengeld für jeden. "Wie, einfach so? Oder was müssen wir dafür tun? Dein Chef gibt Dir doch auch nicht einfach so mehr, oder?" Die Gegenfragen kommen unerwartet. Die Verhandlungsstrategie war eigentlich eine andere. Es gibt mehr Taschengeld, weil viele Waren teurer geworden sind und weil die Kinder zunehmend Verantwortung übernehmen sollen für ihre Anschaffungen. Das Übliche eben. ,,Aber Mama, ich will lieber einen Job bei Dir, wo ich den Mindestlohn verdienen kann. 8,50 Euro. Den mache ich dann ein paar Stunden pro Woche, dann kannst Du das Taschengeld ganz abschaffen." Kinderarbeit geht gar nicht. Aber das Rasenmähen ließe sich so vielleicht loswerden und der Samstagsputz. Hm. Hausarbeit muss aber jeder machen. Umsonst. Wie bisher. Wie also den Nachwuchs wieder von der bezahlten Arbeit abbringen? "Dann musst Du Steuern zahlen. Ein Drittel Deines Lohns bei mir geht also an den Staat. Und der Staat, das bin ich."
von Simone Boehringer