Verhängnisvolle Zertifikate:Gute Chancen für Lehman-Opfer

Die Zuversicht wächst: Nur bei 20 Prozent der Geschädigten ist eine Klage gegen die Bank wohl aussichtslos. Der Rest kann zumindest hoffen.

Caspar Dohmen

Für die Besitzer von Lehman-Zertifikaten haben sich die Chancen verbessert, ihre Bank erfolgreich auf Schadenersatz wegen Beratungsfehlern beim Verkauf der riskanten Papiere zu verklagen.

Lehman, ddp

Von der Lehman-Pleite waren vor allem Privatanleger in Europa betroffen: In den USA ist der Verkauf solcher Zertifikate an Privatanleger verboten.

(Foto: Foto: dpa)

Es sehe besser aus als vor einigen Monaten, sagte Carsten Heise, Geschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), am Dienstag in Düsseldorf. Im Auftrag der Anlegerschützer hatte die Kanzlei Meilicke Hoffmann & Partner 800 Einzelfälle von Geschädigten überprüft und unter Berücksichtigung der jüngste Rechtsprechung ermittelt, wie aussichtsreich Klagen sind.

Bis zu 50.000 Anleger betroffen

In 40 Prozent der geprüften Fälle lohne sich eine Klage für Anleger, sagte Heise. In weiteren 40 Prozent der Fälle spreche wenigstens ein starkes Argument für eine Klage. Nur in jedem fünften Fall halten die Juristen eine Klage für aussichtslos - so wie bei dem Anleger, der schon vor der Zeichnung eines Lehman-Zertifikats Geld in anderen Inhaberschuldverschreibungen investiert und verloren hatte. Solch ein Anleger könne sich nicht darauf berufen, dass er unerfahren mit diesen Anlagen gewesen sei.

Vor knapp einem Jahr ging die US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September pleite und verschärfte damit die Finanzkrise enorm. Seitdem sind die Zertifikate von schätzungsweise bis zu 50.000 Anlegern auf einen Schlag wertlos. Weil in den USA der Verkauf dieser Zertifikate an Privatanleger verboten ist, verloren vor allem Privatanleger in Europa Geld bei Lehman.

Die niederländische Tochter Lehman Brothers Treasury hatte in Europa Zertifikate in großem Stil begeben. Verkauft hatten sie in Deutschland vor allem die Berater der Citibank, der mittlerweile zur Commerzbank gehörenden Dresdner Bank, aber auch der Sparkassen in Frankfurt, Hannover oder Hamburg.

Unabhängig von möglichen Schadenersatzansprüchen können Anleger versuchen, einen Teil ihres Verlustes aus der Insolvenzmasse von Lehman Brothers ersetzt zu bekommen. Zwar verfügte die niederländische Lehman-Gesellschaft selbst nur über ein geringes Vermögen. Doch die vermögendere US-Muttergesellschaft hatte Garantien für die meisten Zertifikate ihrer europäischen Tochter abgegeben - deswegen ist hier für Anleger womöglich etwas zu holen.

Ansprüche geltend machen

Wer diesen Weg einschlagen will, muss seine Ansprüche allerdings bis zum 2. November beim US-Insolvenzverfahren geltend machen. Darauf hat wies Anlegeranwalt Klaus Rotter am Dienstag hin. Ein entsprechendes Formular können Anleger unter www.lehman-docket.com abrufen. Hier finden sie auch eine Auflistung aller Zertifikate, die unter diese Garantien fallen.

Vor allem älteren Anlegern hatten die Banken die Zertifikate verkauft. Deswegen sind sie laut DSW besonders häufig von der Lehman-Pleite betroffen. Im Schnitt seien die Geschädigten älter als 60 Jahre, teils sogar 75 und älter. Es gab aber auch Familien, die beispielsweise die Ausbildung ihrer Kinder finanzieren wollten. Sie hätten meist Beträge zwischen 10 000 und 24000 Euro investiert. "Es waren nicht die reichsten Anleger", sagte Heise mit Blick auf diese Summen.

Er ergänzte, dass es bei der Falschberatung Parallelen gegeben habe. So versprachen die Banken den Anlegern häufig, die Zertifikate seien sicher, schlimmstenfalls gebe es keine Zinszahlung, sondern nur die Rückzahlung des eingesetzten Betrages. In den Beratungsunterlagen wurde den Angaben zufolge vermerkt, dass der Verkauf "auf ausdrücklichen Kundenwunsch" erfolgt sei. Bei Anrufen sollen Bankberater außerdem gegenüber den Kunden erklärt haben, dass nur noch eine geringe Menge des Produkts verfügbar oder das Zertifikat nur noch wenige Tage zu haben sei. Auf diese Weise hätten sie Kunden zum Kauf gedrängt, sagte Heise.

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