Vergütung für Banker:Rückkehr der Zocker

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Das Problem ist der Systemfehler: Londons Banker kassieren nur deshalb so hohe Boni, weil die großen Institute im Krisenfall auf den Staat als Retter vertrauen können.

Andreas Oldag, London

In der Comedy-Serie "Little Britain" gelingt es dem schrillen Teenager Vicky Pollard, sich aus jedem Problem herauszuwinden. "Yeah but no but yeah" - Ja, aber nein, aber ja - heißt der Spruch der Vorstadt-Queen im pinkfarbenen Trainingsanzug.

Barclays neuer Chef Bob Diamond verdient 11,5 Millionen Pfund. (Foto: REUTERS)

In der Realität verhalten sich die feinen britischen Banker oft nicht anders. Zwei Jahre nach dem Crash des Finanzsystems hat ein kollektiver Verdrängungsprozess eingesetzt. Von den Fehlern der Vergangenheit will man nichts mehr wissen. Der angelsächsische Finanzkapitalismus feiert sein Comeback.

In der Square Mile, dem Londoner Stadtgebiet zwischen Bishopsgate und Fleet Street, drängeln sich 500 Banken auf der Fläche eines Dorfes. Zwar sind in der Finanzbranche infolge der Krise von 350.000 Arbeitsplätzen 50.000 verlorengegangen, nur: Dieser Job-Kahlschlag ist Geschichte. Personalberater buhlen wieder um junge Bewerber.

Schon in diesem Jahr werden die Banker wohl wieder Rekordprämien kassieren. Diese Bonus- und Risikokultur wird auch durch neue Beschlüsse der Baseler Finanzmarktwächter kaum gebremst werden, weil die Banken ihr Geschäftsmodell nicht zwangsläufig ändern müssen.

Der Staat als Absicherung

Die britische Großbank Barclays hat mit der Berufung von Bob Diamond zum neuen Konzernchef den Weg vorgegeben: Ein gelernter Investmentbanker wird das Institut führen. Auch bei Europas größter Bank HSBC hat der bisherige Top-Investmentbanker Stuart Gulliver gute Chancen, künftig den Konzern zu führen.

Diamond und Gulliver stehen für die beispiellose Expansion der beiden Banken. So gelang es dem gebürtigen Amerikaner Diamond, sich aus den Trümmern der US-Pleitebank Lehman Brothers 2008 die Investmentsparte zu schnappen. Seitdem ist Barclays auch einer der "Big Players" an der Wall Street.

Noch während der Finanzkrise galten Investmentbanker als skrupellose Zocker. Schließlich waren sie es, die das Geschäft mit hoch spekulativen Kreditderivaten anheizten und ganze Volkswirtschaften erzittern ließen. Doch die Lernfähigkeit der Branche ist begrenzt. In diesem Jahr wird die 300 Jahre alte Traditionsbank, die einst das britische Empire finanzierte, einen Großteil ihres Gewinns im Investmentbanking erzielen - und nicht im biederen Einlagengeschäft.

Es geht nicht darum, Bankmanagern wie Diamond, dessen jährliche Bezüge sich in seinem neuen Job auf 11,5 Millionen Pfund belaufen sollen, moralische Verwerflichkeit vorzuwerfen. Man könnte dies als ganz gewöhnliche menschliche Gier verbuchen. Das Problem ist der Systemfehler: Letztlich sind die hohen Gewinne und Boni nur möglich, weil die Großbanken im Krisenfall auf den Staat als Retter vertrauen können.

Das funktionierte für die Royal Bank of Scotland und die Lloyds Banking Group bereits in der Finanzkrise, als die Regierung die Wirtschaftsleistung eines Halbjahres an Garantien und Hilfen für die taumelnden Institute bereitstellte, um deren Bilanzen von faulen Krediten zu säubern. Zwar können sich Barclays und HSBC zugutehalten, bislang keine Staatshilfen in Anspruch genommen zu haben. Doch für die Zukunft ist dies keine Garantie.

Zögerliche Kontrolle

Wie in anderen EU-Staaten ist auch die neue britische Regierung in Sachen Regulierung vor der Bankenlobby eingeknickt. Pläne einer mutigen und wirkungsvollen Aufspaltung der mächtigen Banken landen in der Versenkung. Selbst von einer "Volcker Rule" - benannt nach dem ehemaligen US-Notenbanker Paul Volcker -, die in den USA eine starke Einschränkung des Eigenhandels vorsieht, ist in London keine Rede.

Kein Zufall also, dass die regierenden Torys und Liberalen auf ein Mittel zurückgreifen, das Politiker gerne nutzen: Sie haben eine Kommission gegründet, die prüfen soll, ob den Banken ein solideres Geschäftsmodell doch noch oktroyiert werden kann. Das Ergebnis dürfte aber feststehen: "Yeah but no but yeah - but no."

© SZ vom 13.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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