Süddeutsche Zeitung

Vergleich der EU-Länder:Deutscher Mindestlohn liegt nur im Mittelfeld

  • In 22 von 28 EU-Ländern gibt es einen Mindestlohn.
  • Mit 8,50 Euro pro Stunde liegt Deutschland im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld.
  • Experten drängen darauf, die Lohnuntergrenzen europaweit stärker zu koordinieren.

Von Thomas Öchsner, Berlin

11,12 Euro im reichen Luxemburg, 9,61 Euro in Frankreich, 9,21 Euro in den Niederlanden - zum Jahresanfang haben 16 der EU-Länder ihren gesetzlichen Mindestlohn erhöht. Damit bewegt sich Deutschland mit seiner erstmals seit 1. Januar 2015 geltenden Lohnuntergrenze von 8,50 Euro am unteren Rand der westeuropäischen Spitzengruppe. Dies geht aus einer Untersuchung hervor, die das WSI-Institut in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt hat.

"Der deutsche Mindestlohn ist im westeuropäischen Vergleich moderat und liegt relativ zum nationalen Durchschnittsverdienst lediglich im internationalen Mittelfeld", heißt es in dem Bericht. Nicht berücksichtigt sind dabei aber die zum Teil noch großen Unterschiede bei den Löhnen und Lebenshaltungskosten in Ost- und Westdeutschland.

Die Bundesrepublik ist nun das 22. von 28 Ländern in der Europäischen Union (EU), in der ein Mindestlohn Gesetz ist. Die Unterschiede sind jedoch beträchtlich. Die südeuropäischen EU-Staaten haben etwa Untergrenzen von gut drei Euro in Portugal bis 4,16 Euro in Malta. Im deutschen Nachbarland Polen beläuft sie sich auf 2,42 Euro und in Rumänien auf nur 1,30 Euro, obwohl der Mindestlohn dort um knapp 15 Prozent angehoben wurde (Grafik).

In Großbritannien erhalten Arbeitnehmer umgerechnet mindestens 8,06 Euro pro Stunde. "Dieser Wert ist jedoch von der anhaltenden Schwäche des britischen Pfunds beeinflusst", merkt WSI-Tarifexperte Thorsten Schulten in seinem Bericht an. Würde man den Wechselkurs zugrunde legen, der 1999 bei Einführung des Mindestlohns in Großbritannien galt, läge dieser heute bei 9,87 Euro und damit im westeuropäischen Spitzenfeld.

Wichtiger Beitrag gegen drohende Deflationskrise

Nur drei der 22 Länder haben ihren Mindestlohn zuletzt "eingefroren". Dort, wo es Aufschläge gab, waren diese meist höher als die Inflationsrate. Die Entwicklung habe wieder etwas "an Fahrt gewonnen", schreibt Schulten. In den USA, wo die Obama-Regierung die nationale Untergrenze um 40 Prozent erhöhen will, verlor der Mindestlohn dagegen an Wert.

In der Untersuchung macht sich der Experte dafür stark, die Lohnuntergrenzen europaweit stärker zu koordinieren. Dies wäre ein wichtiger Beitrag, um die Mindestlöhne, die noch vielfach auf Armutsniveau seien, auf ein faires Niveau anzuheben. Außerdem könnte dies dazu beitragen, "die Lohnentwicklung in Europa insgesamt zu stabilisieren und damit einen wichtigen Beitrag gegen die drohende Deflationskrise zu leisten".

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SZ vom 03.03.2015/hgn
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