Der Rolling Stone kommt gleich zur Sache. "Zunächst muss man über Goldman Sachs wissen, dass es überall ist", schreibt das Musikmagazin über den New Yorker Geldkonzern. "Die mächtigste Investmentbank der Welt ist ein großer Vampirkalmar, der sich um das Antlitz der Menschheit gewickelt hat und seinen Blutrüssel in alles steckt, das nach Geld riecht." In diesem Stil geht es weiter, seitenlang. Der kürzlich erschienene Text schäumt vor Wut, ist gleichzeitig Abrechnung und Anklageschrift.
Phänomen Goldman Sachs: Das Institut, das über hervorragende Kontakte zur US-Regierung verfügt, schafft selbst in der Krise hervorragende Gewinne. Das Institut unterstützte auch den Wahlkampf von US-Präsident Obama.
(Foto: Fotos: ddp; dpa)So etwas kommt an in Amerika. Zumindest in diesen Zeiten. Das Land wird von einer fast beispiellosen Rezession geplagt, die Arbeitslosenquote ist auf beinahe zehn Prozent hinaufgeschossen und die Staatsverschuldung außer Kontrolle geraten. All das, weil Finanzjongleure in den Jahren des Aufschwungs immer mehr geliehenes Geld in immer riskantere Geschäfte pumpten, bis sie schließlich die Kontrolle verloren und der große Crash ins Rollen kam. Der Absturz der Wall Street im Herbst 2008 riss den Rest des Landes mit sich.
Zwar hat sich der Volkszorn über die "Fat Cats" der Finanzwelt zuletzt etwas gelegt. Anzugträger mit Aktentaschen können wieder über die Straßen New Yorks laufen, ohne angebrüllt zu werden. Doch die jüngsten Meldungen aus Manhattan heizen die Stimmung wieder an. Sie stammen - einmal mehr - von Goldman Sachs. Die Großbank meldet mitten in der Krise satte Gewinne, mehr als die meisten Experten für möglich gehalten hatten. 2,7 Milliarden Dollar hat Goldman im zweiten Quartal verdient.
Kalkulierbares Risiko
Vor allem aus dem riskanten Eigenhandel mit Wertpapieren, Währungen und Rohstoffen stammen die Einnahmen, aus einem Geschäftsmodell also, das zum Jahreswechsel für obsolet erklärt wurde, weil es als Auslöser der katastrophalen Finanzkrise galt. Auch die verschrienen Bonuszahlungen dürften nun wieder steigen. Mehr als 6,6 Milliarden Dollar sind für Mitarbeiterprämien bei Goldman vorgesehen, nach 4,7 Milliarden im ersten Quartal.
Goldman behauptet, mit Risiken besser umgehen zu können als die Konkurrenz - doch ohne staatliche Hilfen wäre auch die Erfolgsbank heute Geschichte. Nach dem Kollaps des kleineren Konkurrenten Lehman Brothers im vergangenen September stürzte die Goldman-Aktie ins Bodenlose. Die Bank fand keine Investoren mehr. Das Vertrauen war verschwunden. Doch Bush-Regierung und die Notenbank, die Lehman die Rettung zunächst verweigert hatten, kamen Goldman im letzten Moment zur Hilfe.
Erst erlaubten sie der Investmentbank eine Geschäftsbank zu werden, um leichter Kredite bei der Zentralbank aufnehmen zu können. Dann pumpte das Finanzministerium zehn Milliarden Dollar in die taumelnde New Yorker Großbank. Die Aktienkurse stabilisierten sich, die Turbulenzen an den Finanzmärkten schwollen ab - und die Banker schlugen zu.
Unheimlich erfolgreich, unheimlich umstritten
Mitarbeiter warfen in dem Zeitraum, als der Staat die Bank stützte, Goldman-Aktien im Wert von 700 Millionen Dollar auf den Markt. Inzwischen braucht die Bank die Hilfe Washingtons nicht mehr. Goldman hat seine Schuld schon im Juni beglichen.
Der unheimliche Erfolg macht des Geldinstitut so umstritten. Um die schmucklose Zentrale in der New Yorker Broad Street ranken sich zahlreiche Verschwörungstheorien. Häufig mischen sich antisemitische Wahnvorstellungen in die Goldman-Kritik, weil der Gründer der Bank, Marcus Goldman, ein Jude aus Deutschland war.