Süddeutsche Zeitung

USA: Bankenrettung:Die Wall Street kauft sich bei Obama frei

Bloß keinen Staat: Selbst die in der Finanzkrise schwer angeschlagene Citigroup zahlt eilig die Staatshilfen zurück. Doch jetzt bestellt Obama die Banker zum Rapport.

Moritz Koch

Die Citigroup hat sich mit der US-Regierung auf eine Rückzahlung ihrer Staatshilfen geeinigt. Nach schwierigen Verhandlungen gelang es Bank-Chef Vikram Pandit, Washington davon zu überzeugen, dass sein Institut wieder auf eigenen Beinen stehen sollte. Damit tilgen nun alle Großbanken der Wall Street ihre Schulden beim Staat - nur ein Jahr nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise.

Der Einigung waren kontroverse Debatten innerhalb der Regierung vorausgegangen. Vor allem die Chefin des Einlagensicherungsfonds, Sheila Bair, stemmte sich gegen die Tilgungswünsche Pandits. Um ihre Sorgen zu zerstreuen, wurde die Rückzahlung an strenge Auflagen geknüpft.

Größeres Finanzpolster

Die Citigroup muss 17 Milliarden Dollar durch den Verkauf neuer Aktien einnehmen und andere Kapitalquellen für weitere 7,2 Milliarden Dollar anzapfen. Damit würde sie über ein größeres Finanzpolster verfügen als all ihre Konkurrenten. Es soll dazu dienen, neue Erschütterungen an den Märkten abzufedern, ohne erneut staatliche Hilfen in Anspruch nehmen zu müssen.

Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 musste die Citigroup gleich dreimal von der US-Regierung gerettet werden. Insgesamt pumpte Washington 45 Milliarden Dollar in den Krisenkonzern und wurde damit zum Großaktionär. Nun will das Finanzministerium die Citigroup-Aktien nach und nach wieder verkaufen, zu einem Preis, der deutlich über dem Einstiegskurs liegt. Die US-Regierung macht also ein gutes Geschäft, auch wenn die Aktien der Citigroup nach Ankündigung der Tilgungsabsichten um zwei Prozent nachgaben.

Auch an der zuvor genehmigten Rückzahlung des Citi-Rivalen Bank of America verdient der Staat kräftig, ebenso wie er Profite verbuchte, als JPMorgan Chase, Morgan Stanley und Goldman Sachs im Sommer ihre Schulden beglichen.

Dennoch wächst in Washington die Wut über die Wall Street. Kongress und Regierung machen die Großbanken für die schleppende wirtschaftliche Erholung verantwortlich: Kleinunternehmer und Mittelständler erhielten kaum noch Kredite und hochverschuldeten Privatkunden würden Refinanzierungsmöglichkeiten vorenthalten, mit denen sie ihre Zinslast senken könnten.

Heikles Vorhaben

Aus diesem Grund bestellte Präsident Barack Obama die Chefs der Wall Street - darunter neben Pandit die Vorstände von Goldman Sachs, American Express, JP Morgan Chase, Bank of America, Morgan Stanley und Wells Fargo - zu einem Krisengipfel ins Weiße Haus ein.

US-Medien berichteten, Obama wolle den Banker ihre besondere Verantwortung bei der Stimulierung des Wirtschaftswachstums in Erinnerung rufen. Ziel des Präsidenten, der sich erst am Wochenende in einem Fernsehinterview über lernresistente "Bonzen" an der Wall Street beklagt hatte, ist es offenbar, die Banken zur Lockerung ihrer Kreditstandards zu bewegen. Das Vorhaben ist heikel, schließlich war es die laxe Hypothekenvergabe an Geringverdiener, die die US-Banken in die Krise geführt hatte.

Doch die Regierung steht unter enormem Druck. Die Arbeitslosenquote in den USA liegt bei zehn Prozent und viele Familien haben ihre Ersparnisse aufgezehrt. In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich Obama bisher vor allem als Retter der Finanzwelt hervorgetan, aber die Nöte der einfachen Bürger vernachlässigt. Um diesem Eindruck entgegenzutreten, hatte Obama schon in der vergangenen Woche angekündigt, einen Teil der Rettungsfonds für die Wall Street in Konjunkturmaßnahmen umzuleiten.

Strenge Kontrolle

Die Banker trieben dagegen ihre eigenen Sorgen um. Das Repräsentantenhaus hat am Freitag einen Entwurf zur Neuregulierung der Finanzindustrie verabschiedet, der die Profitabilität der Wall Street massiv schmälern würde. Die Vorstandschef wollen die Unterredung im Weißen Haus dazu nutzen, um vor übertriebenem Eifer der Regierung zu warnen.

Auch die Rückzahlung der staatlichen Kredite ist letztlich der Versuch, der aus ihrer Sicht zu starken Einflussnahme Washingtons zu entkommen. Banken, die Staatshilfe in Anspruch nehmen, unterliegen einer strengen Kontrolle und müssen tiefe Einschnitte bei der Bezahlung ihrer Führungskräfte hinnehmen. Ein Nachteil im weltweiten Wettbewerb, finden die Institute.

Andererseits haben sich die Bankenhilfen für den Staat bislang offenbar sogar gelohnt. Nach den Worten von Finanzminister Timothy Geithner habe der US-Fiskus einen gesunden Gewinn mit den Finanzspritzen gemacht.

Mit den zuletzt angekündigten Rückzahlungen der Institute sei die Regierung auf gutem Weg, die eingesetzten Steuergelder um mehr als 75 Prozent zu reduzieren, erklärte Geithner in Washington. Einem Sprecher des Ministeriums zufolge summieren sich die Rückzahlungen inzwischen auf 185 Milliarden Dollar. 90 Milliarden Dollar würden alleine im Dezember ins Staatssäckel zurückfließen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.152543
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.12.2009/Reuters/hgn/pak
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.