Urteil zu Gutachten nach Verkehrsunfällen:Wer Mitschuld trägt, muss sich die Gutachterkosten teilen

800 Millionen Euro jährlich geben die Deutschen nach Autounfällen für Gutachten aus. Jetzt hat der Bundesgerichtshof entschieden: Sind an einem Unfall mehrere Autofahrer schuld, müssen sie sich die Kosten für das Gutachten teilen.

Helmut Kerscher, Karlsruhe

Wer zahlt nach einem Verkehrsunfall den Gutachter? Einen vom Amtsgericht Siegburg ausgelösten Streit um die Ansprüche von Geschädigten eines Verkehrsunfalls hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Er bestätigte die bisherige Rechtsprechung, wonach die Gutachterkosten "nur im Umfang der Haftungsquote zu ersetzen sind". Zwei Oberlandesgerichte sowie mehrere Verbände hatten zuletzt gefordert, dass ein Geschädigter auch dann die vollen Kosten eines von ihm beauftragten Sachverständigen zurückverlangen kann, wenn ihn ein Mitverschulden trifft (Az: VI ZR 133/11, 249/11).

Eine solche "Quotierung", also die Beschränkung des Zahlungsanspruchs von Geschädigten, ist bei einem großen Teil der rund 2,5 Millionen polizeilich erfassten Verkehrsunfälle üblich. Sie galt bisher für den gesamten Schadensumfang, von den Kosten der Werkstatt über die des Mietwagens bis hin zu denen des privat beauftragten Gutachters. Im Jahr 2011 hatten sich jedoch die Oberlandesgerichte Frankfurt und Rostock im Fall der Sachverständigenkosten gegen die Quote und damit zugunsten der Geschädigten entschieden. Es handle sich nämlich nur um die Kosten der Feststellung eines Schadens, die unabhängig vom Mitverschulden anfallen. Weil die Oberlandesgerichte Celle und Düsseldorf auf der "Quotenregelung" bestanden, musste der BGH für Klarheit sorgen.

Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht es um jährlich etwa 600 bis 800 Millionen Euro. So hoch seien die Kosten der Gutachten, die von den Geschädigten eines Unfalles selbst in Auftrag gegeben würden. In der Praxis versuchen Haftpflichtversicherungen regelmäßig, eigene Gutachter zu beauftragen.

Das Thema Sachverständigenkosten hatte auch auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar eine Rolle gespielt. Der GDV sprach sich dabei für die Beibehaltung der Haftungsquote aus. Demgegenüber bezeichnete es der Deutsche Anwaltverein (DAV) als "unerlässlich, dass die Sachverständigenkosten quotenunabhängig zu ersetzen sind". Diese entstünden unabhängig von der Haftungsquote. Das wäre eine "ungebührliche Belastung der Haftpflichtversicherungen", erklärte ein Anwalt in der BGH-Verhandlung. Es gebe keinen Grund, von der gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, die eine Beteiligung des Geschädigten entsprechend seiner Quote vorsehe. Die Sachverständigenkosten seien ein Schadensposten wie jeder andere auch.

Das sah der gegnerische Anwalt völlig anders. Der Geschädigte könne zwar seine Ansprüche entsprechend der eigenen Verursachungsquote begrenzen, er könne aber kein Teil-Gutachten verlangen. Der Sachverständige stelle den Schaden ganz oder gar nicht fest.

Wurde vom Anhänger "herunteruriniert"?

In den zugrundeliegenden Unfällen hatte es bei der Schadensregulierung ein Tauziehen um die Mitverantwortung des Geschädigten gegeben. Dieser Streit endete jeweils mit einer Quotenregelung - einmal 50 zu 50, einmal 40 zu 60 gegen den Geschädigten. Im ersten Verfahren ging es um eine Kollision auf einer Kreuzung zwischen einem Linksabbieger und einem entgegenkommenden Fahrzeug. Das OLG Frankfurt kam dabei zu dem Ergebnis, das die Ampel für den Geradeausfahrer "schon längere Zeit Gelb anzeigte". Weil der Linksabbieger verpflichtet gewesen sei, das entgegenkommende Auto durchzulassen, sei eine 50:50-Lösung angemessen. Das OLG sprach dem Linksabbieger jedoch die vollen Kosten des von ihm eingeholten Gutachtens in Höhe von rund 750 Euro zu.

Schlechter kam der Geschädigte im zweiten Verfahren weg. Mit unbewegter Miene schilderte BGH-Richter Gregor Galke, welche Fahrzeuge auf einer Kreisstraße bei Buxtehude an einem missglückten Überholmanöver beteiligt waren: Ein Mercedesfahrer kollidierte mit einem Traktor, der auf seinem Anhänger eine "Herrengesellschaft auf dem Rückweg von einer Brauchtumsveranstaltung" beförderte; in den vorangegangenen Instanzen hatte die Frage eine Rolle gespielt, ob von dem Anhänger "herunteruriniert" worden sei.

Rechtlich ging es allein um den Anspruch des Mercedes-Fahrers auf eine hundertprozentige Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von gut 500 Euro. Das OLG Celle sprach ihm nur einen Anteil in Höhe der Mitverantwortung des Unfallgegners zu. Diese wurde auf 40 Prozent festgelegt, die größere Quote treffe den Kläger wegen seines gefährlichen Überholmanövers.

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