Urteil nach Musterklage zu VIP-Medienfonds:"Unrichtig, unvollständig, irreführend"

Es ist ein historisches Urteil: In der endlosen Auseinanderetzung um die VIP-Medienfonds und ihre Steuersparmodelle hat das Oberlandesgericht München im Rahmen einer Musterklage zugunsten der Anleger entschieden. Fondsgründer Schmid und die HypoVereinsbank müssen demnach ihren Investoren Schadenersatz leisten. Doch der Rechtsstreit geht in die nächste Instanz.

Hannah Wilhelm

Historische Momente stellt man sich glamouröser vor. Es müssen ja keine Geigenklänge sein, aber wenigstens ein paar ungläubig staunende Zeugen. Aber nichts. Das Oberlandesgericht München ist an diesem grauen Wintermorgen des 30. Dezembers fast ausgestorben. Nicht mal die beklagte HypoVereinsbank (HVB) hat ihren Anwalt zur Urteilsverkündung geschickt. Es ist halt zwischen den Jahren und wer mag da schon arbeiten, Ski fahren ist doch netter.

Anlieferung von Klagen gegen mehrere Deutsche Landesbanken in München, 2010

Die Auseinandersetzung um aberkannte Steuervorteile bei Medienfonds dauert bereits seit Jahren an - und füllt kistenweise Aktenordner (Archivbild von 2010). Jetzt hat das Oberlandesgericht München erstmals nach einer Musterklage den Anlegern Recht gegeben.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Vorsitzende Richter Guido Kotschy muss aber ran heute. Und vermutlich ist er auch froh, diesen Fall endlich los zu sein. 23 Zeugen hat er gehört, 18 Tage lang verhandelt, bergeweise Schriftsätze gelesen. Und jetzt hat er es eilig an diesem Morgen, er kommt rein, schaut auf die vereinzelten Anwesenden im Sitzungssaal und liest die Entscheidung in Sachen VIP Medienfonds 4 vor. Ruckzuck.

Ja, das Prospekt ist fehlerhaft. Ja, es gibt Schuldige. Und viel mehr mag er dazu jetzt auch gar nicht sagen.

Es ist die erste für Anleger positive Entscheidung eines OLGs in einem Musterverfahren in Deutschland. "Historisch", sagt die Anwältin Katja Fohrer von der Kanzlei Mattil & Kollegen, die die Musterklägerin vertritt. Und dann muss die zierliche Anwältin selbst ein bisschen lachen: so ein großes Wort für so einen unscheinbaren Auftritt.

Die Musterklagen gibt es in Deutschland noch nicht lange. Seit 1. November 2005. Sie sollen ermöglichen, dass mehrere Anleger die in dem gleichen Fall geschädigt wurden, gemeinsam vor Gericht gehen können. Gedacht ist das vereinfacht gesagt so: Von dem Gericht werden dann die Zeugen einmal gehört und grundsätzliche Fragen entschieden. Mit diesen Aussagen und der Entscheidung zu den grundsätzlich strittigen Fragen gehen die geschädigten Anleger dann in ihre einzelnen Verfahren zurück. Und dort muss dann nicht mehr alles einzeln und neu verhandelt werden und jeder Zeuge in jedem einzelnen Prozess auftreten. Soweit die Idee, so gut.

Für den VIP 4-Fall hieß die zu klärende Frage: War das Wertpapierprospekt, das die Anleger bekamen, als sie den Medienfonds kauften, korrekt oder nicht. Die rechtliche Geschichte der VIP-Medienfonds ist endlos. Die geschlossenen Fonds sammelten vor gut zehn Jahren Geld ein, um damit Filme zu produzieren. In Hollywood war das als stupid german money bekannt. Dafür wurde den Anlegern ein Steuervorteil versprochen. Und eine Rendite natürlich, aber der Fokus lag eher auf dem Steuervorteil. Der aber wurde vier VIP-Fonds von der Finanzbürokratie entzogen. Ihr Argument: Das Geld sei gar nicht direkt in die Produktion von Filmen geflossen, sondern zu großen Teilen zur Absicherung auf ein Festgeldkonto bei einer Bank.

Also verklagten viele Anleger den Gründer der Fonds, Andreas Schmid, und die verkaufenden oder finanzierenden Banken. Zu diesen Anlegerverfahren kam dann noch ein Strafverfahren gegen Andreas Schmid, der im Jahr 2007 schließlich zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Und dann begann parallel das Musterverfahren. Ja, es ist eine endlose Geschichte.

Die Antwort des OLG im Musterverfahren auf die grundsätzliche Frage lautet: Der Prospekt ist in Teilen "unrichtig, unvollständig und irreführend". Und zwar sind das steuerrechtliche Anerkennungsrisiko, das Verlustrisiko und die Prognoserechnung fehlerhaft dargestellt. Für die Fehler grade stehen sollen, so das Gericht, Andreas Schmid und die HVB, die beiden Beklagten im Musterprozess. Die Klagenden haben also Recht auf Schadenersatz. Doch: Es wird sicher weitergehen. Es war nur ein vorläufig historischer Moment. Denn vermutlich wird zumindest die Bank nun gegen den Entscheid vor den Bundesgerichtshof ziehen. Bisher hieß es offiziell: Man warte die Urteilsbegründung ab und prüfe dann weitere Schritte.

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