Uraufführung:Helden statt Tenöre

Uraufführung: Die Eva aus seiner Rippe oder doch lieber Lilith, die aufmüpfige erste Frau von Adam? Geschlechterbilder aus der Genesis hinterfragen die Darsteller von "Eva und Adam".

Die Eva aus seiner Rippe oder doch lieber Lilith, die aufmüpfige erste Frau von Adam? Geschlechterbilder aus der Genesis hinterfragen die Darsteller von "Eva und Adam".

(Foto: Wilfried Hösl)

"Eva und Adam" ist der letzte Teil der Musiktheatertrilogie mit jungen Flüchtlingen und Münchnern.

Von Barbara Hordych

Der Gegensatz könnte größer nicht sein: "Dein Will' ist mir Gesetz", singt Eva ihrem Adam in Joseph Haydns Oratorium "Die Schöpfung" vor. "So hat's der Herr bestimmt, und dir gehorchen bringt mir Freude, Glück und Ruhm", lässt sie Librettist Gottfried van Swieten Ende des 18. Jahrhunderts fügsam bekennen. Im Musiktheaterprojekt "Eva und Adam", das am 19. Juni in der Reithalle uraufgeführt wird, schlägt Eva andere Töne an. Auch wenn das Jugendprojekt der Bayerischen Staatsoper mit Flüchtlingen wie Münchnern mit und ohne Migrationshintergrund, musikalischen Laien und professionellem Orchester, ebenfalls Haydns "Schöpfung" zur Grundlage hat. "Es ist doch die Frage, ob man lieber dumm bleibt oder in den Apfel beißt", äußert bei den Proben in der Reithalle eine kämpferische junge Eva. Und bringt in einem riesigen Netz Äpfel mit auf die Bühne, die sie an die Darsteller verteilt. Gerade noch hatten sie Tiermasken getragen, bewegten sich im "Paradies" zwischen gold und silber, blau, rot und grün schimmernden Lamettavorhängen, die von hoch oben bis auf den Boden herabhängen und die Bühne in passende Nischen teilen. Je nachdem, ob alle 40 Mitwirkenden als Tänzer und Chor gemeinsam agieren, oder nur Solisten vor den Vorhang treten. Es erklingen Arrangements aus Haydns "Schöpfung", die sich mit Neukompositionen von Benedikt Brachtel sowie mit Ideen der Jugendlichen verbinden.

Jetzt haben die Darsteller ihre Tiermasken abgelegt, sitzen am Boden und beißen den von Adnan ausgesprochenen Warnungen zum Trotz genüsslich in die Äpfel. Gefährlich schwillt dazu der Soundteppich des Orchesters zu einem Donnergrollen an - bis auf dem Höhepunkt die Lamettavorhänge herunterkrachen, die Bühne komplett schwarz wird. "Ich hab's euch doch gesagt, ihr habt das Paradies kaputt gemacht", konstatiert Adnan, einer der jungen Mitwirkenden.

"Unsere Eva will ganz klar Erkenntnis", sagt Regisseurin Jessica Glause in einer Probenpause. Seit März hat sie mit den jungen Akteuren zwischen 17 und 25 Jahren Texte erarbeitet, die auf ihren eigenen Biografien und Gedanken zum Thema "Schöpfung" basieren, am Beispiel von Adam und Eva Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit, Sexualität und Körperlichkeit reflektieren. Ausgangspunkt ist der Schöpfungsmythos, in dem ein allmächtiger Vater einen Mann als ersten Menschen und aus dessen Rippe eine Frau erschafft, der im Folgenden die Vertreibung aus dem Paradies angelastet wird. "Wir wollen uns mit den alten Mythen und Bildern in unseren Köpfen beschäftigen. Dazu gehört auch die Frage, warum die Frau die ,Böse' ist", hatte Glause zum Auftakt im März erklärt, bei den ersten Treffen im Probengebäude in der Giesinger Mc-Graw-Kaserne.

Jetzt, kurz vor der Premiere, zeigt sich, dass sie in der 22-jährigen Tamana, die erst vor fünf Monaten aus Afghanistan nach München kam, die ideale Besetzung für diese erkenntnishungrige Eva gefunden hat. Ihre Familie verbot ihr, das Politikstudium an der Universität in Kirgistan fortzusetzen, sie bringe zu viel westliche Kultur in ihre Gesellschaft, hieß es. Stattdessen wollte man sie zu einer Heirat zwingen. Ihre Erlebnisse schildert Tamana auf Dari, drei Begleiterinnen übersetzen ins Englische: "Like the way god threw Adam and Eve out of Paradise, because they went against the rules, my relatives wanted to punish me, because I went against the rules". Tamana zieht eine Parallele zwischen ihrem und Evas Schicksal: "I am like Eve, I want to have wisdom. I want to have education and the right to question our rules".

Nach "Moses" und "Noah" ist "Eva und Adam" der letzte Teil der Musiktheatertrilogie des Campus-Programms. Standen bei "Moses" noch die individuellen Fluchtgeschichten im Mittelpunkt und bei "Noah" die Frage, wer aufs rettende Schiff darf, "geht es dieses Mal darum, wie Männer und Frauen gesehen werden", erklärt Adnan, 24. Er kam 2015 aus Syrien nach München, in eine Unterkunft in Moosach. Als er vom Musiktheaterprojekt, damals noch "Moses", erfuhr, meldete er sich sofort. Seitdem ist er dabei. Anfangs verständigte er sich auf Arabisch und Englisch, inzwischen auf Deutsch. "Ich finde es sehr gut, dass es hier für Frauen ganz normal ist, draußen unterwegs zu sein, zu studieren und zu arbeiten", sagt Adnan, der sein Abitur noch in Syrien machte und jetzt an der TU Umweltingenieurwesen studiert.

Die Reise zurück zum Beginn der Menschheitsgeschichte ist auch eine Reise durch konkurrierende Deutungssysteme. "Ich habe in der Schule durch den Koran gelernt, wir seien die Kinder von Adam und Eva. Als ich dann in Deutschland meinen qualifizierten Hauptschulabschluss gemacht habe, hörte ich zum ersten Mal von der Darwinschen Evolutionstheorie. Die Menschen sollen vom Affen abstammen! Ich habe monatelang recherchiert, ob das stimmen kann. Ich habe Bücher gelesen, mich im Internet informiert, und ich befand, dass es wohl stimmen müsse", trägt Ahmad auf der Bühne vor. Der 18-Jährige Afghane lebt seit drei Jahren bei einer Familie in München. "Sie haben mich mitgenommen zu ,Moses', ich war sofort beeindruckt, das war meine Geschichte", erinnert er sich. Nun steht der angehende Pflegefachhelfer beim Nachfolgeprojekt erstmals selbst auf der Bühne.

Die 25-Jährige Lilith ist eine derjenigen, die aus München stammen. Sie steht kurz vor dem Abschluss ihres Studiums "Naher und Mittlerer Osten" an der LMU. Ein Teil ihrer Familie stammt aus Israel, und ihr Name verweist auf Lilith, die mythologisch die erste Frau von Adam war. "Ich glaube, gerade weil sie sich nicht unterordnen wollte, taucht sie nirgends auf", heißt es in ihrem Text in dem sie ihre Namensvetterin als eigenwilligen Gegenentwurf zur "Rippen-Eva" charakterisiert: "Und Gott erschuf Adam und Lilith aus demselben Lehm, um Adam eine Partnerin zu schenken. Noch vor der ersten Nacht sprach Gott zu Lilith und sagte ihr, sie solle Adam untertan sein. Randnotiz: Manche deuten das sogar so, dass sie beim Geschlechtsakt unten zu liegen habe. Das wurde von Lilith nicht akzeptiert. Lilith stritt sich fortwährend darüber mit Adam und musste deshalb aus dem Paradies in die Wüste fliehen." Diese Schöpfungs-Variante dürfte auch manchem Einheimischen unbekannt sein.

Eva und Adam, Premiere: 19. Juni, 20 Uhr, weitere Termine bis 21. Juni, Reithalle, Heßstraße 132

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: