Süddeutsche Zeitung

Unternehmen: Dividenden:Jetzt geht es an die Substanz

Die Gewinne der deutschen Konzerne sind im Krisenjahr 2009 stark zurückgegangen. Trotzdem werden viele Aktionäre mit satten Ausschüttungen bei Laune gehalten.

Caspar Busse

Ein Reizthema gibt es fast immer, wenn sich in diesen Wochen die Aktionäre der großen und kleinen Unternehmen zu Hauptversammlungen treffen: die Dividende. Meistens ist den Anteilseignern die Gewinnbeteiligung zu niedrig.

Beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp allerdings gab es Ende Januar auch andere Stimmen. Die Belegschaftsaktionäre, die mit T-Shirts und dem Aufdruck "Wir sind das Kapital" erschienen waren, wetterten heftig gegen die Zahlung einer Dividende. 30 Cent werden je Aktie ausgeschüttet, obwohl das Unternehmen 2009 einen Verlust in Milliardenhöhe hinnehmen musste und massiv Arbeitsplätze abgebaut hat. Unverantwortlich, hieß es.

Sonderfall Telekom

Der Fall Thyssen-Krupp ist kein Einzelfall. Bei den dreißig im Deutschen Aktienindex Dax zusammengefassten Konzernen gibt es gleich mehrere, die für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Dividende an die Aktionäre aus der Substanz zahlen.

Neben Thyssen-Krupp standen auch bei MAN und bei Salzgitter unter dem Strich Verluste, trotzdem werden die Anteilseigner bedacht. Dazu kommen weitere Firmen, die mehr ausschütten, als Gewinn erwirtschaftet wurde, dafür also die Rücklagen angreifen müssen. Besonders auffällig ist hier die Deutsche Telekom. Der Bonner Telekommunikationskonzern schüttet 3,4 Milliarden Euro aus und damit nahezu zehnmal mehr als der Jahresüberschuss, der nur bei gut 350 Millionen Euro liegt.

Aber es gibt auch Firmen, die sich anders verhalten: der Autobauer Daimler etwa oder die Fluggesellschaft Lufthansa. Beide lassen die Ausschüttung angesichts hoher Verluste ausfallen, Daimler sogar zum ersten Mal seit 14 Jahren. Auch die Commerzbank, bei der mittlerweile der Staat mit 25 Prozent beteiligt ist, lässt die Anteilseigner wegen des Minus im Regen stehen. Trotzdem gilt generell für das Geschäftsjahr 2009: Die Gewinne der Konzerne sind in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit langem stark zurückgegangen, die Aktionäre kommen dabei aber vergleichsweise glimpflich davon.

Wohl nicht zufällig wird oft da viel ausgeschüttet, wo einige große Aktionäre im Hintergrund stehen und über den Aufsichtsrat Einfluss nehmen können. An Thyssen-Krupp etwa ist die Krupp-Stiftung maßgeblich beteiligt. Bei der Telekom ist nach wie vor der Bund Großaktionär, bei MAN ist mit um die 30 Prozent der VW-Konzern engagiert. Beim Münchner Autobauer BMW, der fast den gesamten Jahresüberschuss ausschüttet, hat die Familie Quandt das Sagen.

Wenig schlüssige Argumente

Ähnliche Muster zeigen sich bei einigen Nicht-Dax-Firmen. Bertelsmann etwa ist in Besitz der Bertelsmann-Stiftung und der Familie Mohn, der Medienkonzern schüttet 60 Millionen Euro aus, obwohl nach Abzug der Gewinnanteile von Minderheitsaktionären ein Minus zu Buche steht. Finanzinvestoren waren lange ähnlich vorgegangen: In früheren Jahren genehmigten sie sich oft hohe Ausschüttungen trotz niedriger Gewinne, etwa beim Modekonzern Hugo Boss oder beim Fernsehunternehmen Pro Sieben Sat 1 Media. Doch diese Fälle sind zuletzt seltener geworden - wohl auch wegen öffentlicher Proteste.

Häufig wird die Entscheidung, die Dividende stabil zu halten oder nicht so stark zu kürzen, wie die Gewinne zurückgegangen sind, damit begründet, dass die Aktionäre bei Laune gehalten werden müssen. Das gilt gerade vor dem Hintergrund steigenden Kapitalbedarfs; einige Konzerne holen sich derzeit frisches Geld über Kapitalerhöhungen, da brauchen sie die Gunst der Anleger. Auf der anderen Seite sind die Notierungen an den Börsen zuletzt stark gestiegen, die Aktionäre profitieren also schon durch Wertgewinn. Nicht immer schlüssig ist auch das Argument, eine hohe Dividende zeige, wie zuversichtlich der Vorstand in die Zukunft schaut. Denn die Dividende ist eigentlich der Blick in den Rückspiegel, also die Gewinnbeteiligung für das abgelaufene Geschäftsjahr.

Werden in Krisenzeiten Aktionäre auf Kosten der Substanz beglückt, kann das durchaus negative Folgen haben. Das Geld fehlt für Investitionen oder für die wichtige Forschung und Entwicklung. Das wiederum kann die Fähigkeit einer Firma beeinträchtigen, in den kommenden Jahren Gewinne zu erwirtschaften. Geschenke muss man sich eben leisten können.

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SZ vom 17.04.2010/hgn
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