Unicredit-Chef Profumo im Gespräch:"Ich bin ein Mensch - aber auch ein Manager"

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Unicredit-Chef Alessandro Profumo über den Personalabbau bei der Hypo-Vereinsbank und seine Schwierigkeiten mit dem Finanzplatz Deutschland.

Marc Beise und Thomas Fromm

Unicredit-Chef Alessandro Profumo, 51, hat mit Hilfe von Übernahmen und Fusionen von Mailand aus einen der größten Bankenkolosse Europas geformt - mit 180000 Mitarbeitern in 23 Ländern. In Deutschland hält Unicredit über 95 Prozent an der Hypo-Vereinsbank (HVB), wo Tausende Stellen gestrichen oder ausgelagert werden. Profumo, der im Clinch mit den HVB-Minderheitsaktionären liegt, erwartet am Dienstag eine turbulente Hauptversammlung in München.

Unicredit-Chef Alessandro Profumo (Foto: Foto: dpa)

SZ: Signor Profumo, Sie wollen bei der HVB bis zu 2500 Stellen abbauen. Die einst stolze bayerische Großbank wird allmählich zu einer kleinen Deutschland-Einheit der Unicredit. Sie wissen, dass Sie sich damit in Deutschland unbeliebt machen?

Profumo: Deutschland ist einer der Kernmärkte unserer Gruppe. Niemand träumt davon, Leute zu entlassen. Aber wir wollen eine Bank, die in allen Bereichen und allen Ländern erfolgreich ist.

SZ: Und das ist in Deutschland nicht so?

Profumo: Überwiegend schon. Wir haben eine erfolgreiche Vermögensverwaltungssparte, das Investmentbanking läuft gut, trotz der Finanzkrise, und wir haben ein florierendes Firmenkundengeschäft. Das Privatkundengeschäft hat sich verbessert, nachdem es lange Zeit nicht profitabel war. Allerdings müssen wir uns hier noch deutlich verbessern.

SZ: Und wie wollen Sie das tun?

Profumo: Wir konzentrieren uns darauf, aus der HVB eine auf Kompetenz ausgerichtete Privatkunden-Bank zu machen. Die HVB verfügt schon heute über eine ausgezeichnete Beratungsleistung.

SZ: Gut und schön - aber was heißt das, Kompetenz-Bank?

Profumo: Wir werden uns in Zukunft noch mehr auf unsere Stärken, die Beratung und das Angebot von hochwertigen Produkten für bestimmte Kundengruppen, konzentrieren.

SZ: Das wollen Ihre Wettbewerber auch.

Profumo: Aus gutem Grund. Wir werden alle dafür bezahlt, gute Ergebnisse zu liefern, aber wir sind durch unser internationales Netzwerk vergleichsweise gut aufgestellt.

SZ: Seitdem Sie am Ruder sind, ist bei der HVB ein Vorstand nach dem anderen gegangen. Und auch viele Mitarbeiter sind frustriert. Man wirft Ihnen vor, Sie würden mit der Machete regieren. Können Sie das nachvollziehen?

Profumo: Ich glaube nicht, dass unsere Mitarbeiter frustriert sind. Sie sind zum Teil beunruhigt, und das kann ich verstehen. Die Märkte in Ost- und Westeuropa entwickeln sich unterschiedlich, daher werden wir in den kommenden drei Jahren 9000 Stellen in Westeuropa streichen, während wir in Osteuropa weiter wachsen und neue Stellen schaffen. Aber ich kann Sie beruhigen: Unser Plan ist fair. Im Übrigen fallen die meisten Jobs in Westeuropa in Italien weg, und nicht in Deutschland.

SZ: Sie meinen also, wir sollten nicht zu deutsch denken?

Profumo: Ja, Sie sollten eine europäische Perspektive haben. Die HVB ist inzwischen Teil einer starken europäischen Bankengruppe, das vergessen leider viele. Wer in München arbeitet, profitiert auch davon, dass das Geschäft in Osteuropa stark wächst.

SZ: Sie betonen immer wieder, dass Unicredit die stärkste Bank in Österreich, Polen, Bulgarien, Kroatien und Bosnien ist. Sollte man als HVB-Mitarbeiter schon mal vorsichtshalber nach Warschau umziehen?

Profumo: Ich verstehe den Vorwurf. Es ist aber nur ein sehr geringer Teil der Arbeitsplätze von einer Auslagerung an Niedriglohn-Standorte betroffen.

SZ: Erzählen Sie das mal den Betroffenen, die in den nächsten Monaten ihren Arbeitsplatz verlieren.

Profumo: Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, ich wüsste nicht, dass es hier um Menschen geht, um Einzelschicksale und Familien. Auch ich bin ein Mensch - auf der anderen Seite bin ich aber auch Manager. Und als Manager muss ich dafür Sorge tragen, dass wir ständig an der Verbesserung unserer Effizienz arbeiten, damit unser Unternehmen auch weiterhin erfolgreich bleibt. Das Einzige, was wir machen können, ist, den notwendigen Stellenabbau im Dialog mit den Arbeitnehmervertretern und so sozialverträglich wie möglich zu gestalten und die natürliche Fluktuation zu nutzen.

SZ: Vielleicht hätten Sie die Konsequenzen Ihrer Übernahme den HVB- Mitarbeitern klarer kommunizieren müssen.

Profumo: Ich sehe das Problem nicht. Stellen Sie sich vor, die HVB hätte mit einer deutschen Bank fusioniert - dann wäre das Thema Stellenabbau viel dramatischer als heute.

SZ: Und dennoch haben Sie die psychologische Wirkung auf viele HVB-Mitarbeiter, die sich heute von Mailand gegängelt fühlen, schlicht unterschätzt. Ein kleines Beispiel: War es wirklich notwendig, die alte HVB-E-Mail-Adresse durch eine Unicredit-E-Mail-Adresse zu ersetzen?

Profumo: Absolut. Wir sind eine europäische Gruppe. Das muss sich überall widerspiegeln, auch im E-Mail-Verkehr. Die Leute müssen das Gefühl haben, Teil eines großen Ganzen zu sein.

SZ: Wann wird der Name "Hypo-Vereinsbank" ganz verschwinden?

Profumo: Wir haben nicht vor, den Namen Hypo-Vereinsbank abzuschaffen. Wir haben jedoch kürzlich für die HypoVereinsbank ein neues Logo eingeführt, aus dem die Zugehörigkeit zu unserer Gruppe hervorgeht. Diesen neuen Markenauftritt haben wir in allen Ländern umgesetzt, damit unsere Kunden alle zur Gruppe gehörenden Banken leicht erkennen können.

SZ: Hart durchgreifen und strikt von oben nach unten durchregieren - ist das eigentlich typisch italienisch?

Profumo: Nein, zumindest entspricht es nicht dem Image, das wir haben. Was Unicredit betrifft: Ja, wir haben eine sehr ergebnisorientierte Firmenkultur. Und wir müssen den Aktionären und Finanzmärkten liefern, was wir ihnen versprochen haben.

SZ: Man könnte auch sagen: Eigentlich ist es die Kultur der großen amerikanischen Unternehmensberatung McKinsey, bei der ein gewisser Alessandro Profumo gearbeitet hat, bevor er zur Bank kam.

Profumo: Das ist doch ein Mythos, der da immer erzählt wird. Ich habe zehn Jahre in einer kleinen regionalen Bank gearbeitet. Dann war ich anderthalb Jahre für McKinsey tätig, danach bin ich schon wieder weitergezogen. Die Sache mit McKinsey ist nichts weiter als ein Stereotyp, auf dem immer herumgeritten wird.

SZ: Wie würden Sie dann Ihren Führungsstil beschreiben?

Profumo: Es gibt etwas, was ich überhaupt nicht mag: Dinge ankündigen, die ich am Ende nicht einhalte. Und okay, ich gebe zu, ich bin gewiss kein einfacher Charakter.

SZ: Mit Verlaub: So richtig italienisch sind Sie also nicht.

Profumo: Man nennt mich auch den deutschesten aller Manager, den es in Italien gibt.

SZ: Treffen Sie eher kurzfristige oder langfristige Entscheidungen?

Profumo: Ich bin langfristig orientiert. Sonst hätte ich mich vor drei Jahren nicht für die HVB entschieden. Vergessen Sie nicht: Damals sagten viele, die Bank wäre eine Giftpille. Hätte ich kurzfristig gedacht, wäre der Kauf gewiss nicht zustande gekommen.

SZ: Wir halten fest: Sie haben die HVB gekauft, weil Sie langfristig planten und es in Wirklichkeit auf die damalige HVB-Tochter Bank Austria und ihr Osteuropageschäft abgesehen hatten.

Profumo: Ich habe es getan, weil ich dem Management zu Recht vertraut habe. Ich bin überzeugt, dass zu einer starken europäischen Bank eine starke Präsenz in Deutschland gehört.

SZ: Und doch glauben viele heute noch, dass Sie im Grunde nur die HVB brauchten, um Marktführer in Osteuropa zu werden.

Profumo: Das ist eine Stärke für die ganze Gruppe, aber es war bei weitem nicht der einzige Grund.

SZ: Also Sie werden an der HVB festhalten?

Profumo: Natürlich. Wir sind erfolgreich, und wir werden noch erfolgreicher sein. Ich bin überzeugt, dass auch im deutschen Privatkundengeschäft eine Eigenkapitalrendite von 20 Prozent möglich ist.

SZ: Ist das Privatkundengeschäft für Ihre Strategie denn so wichtig? Was machen Sie, wenn Sie Ihre Ziele nicht erreichen? Steigen Sie dann aus?

Profumo: Nein, dies wird nicht geschehen. Für uns ist das Privatkundengeschäft in Deutschland von strategischer Bedeutung. Was wir aber machen müssen, ist die Zahl der Transaktionen am Schalter zu reduzieren. Wir müssen auch andere Wege suchen, unsere Kunden zu erreichen: zum Beispiel über Call-Center, Karten oder Online. Wir brauchen aber auch moderne Beratungscenter, wo wir mit unseren Kunden über ihre Kredite und Investitionen reden können und ihr Vermögen verwalten.

SZ: Sollten Dresdner und Commerzbank zusammengehen, hätten wir einen zweiten nationalen Champion neben der Deutschen Bank. Beunruhigt Sie das?

Profumo: Überhaupt nicht. Wir haben den Vorteil, eine europäische Bank zu sein - im Gegensatz zu einem nationalen Champion sind wir in 23 Ländern vertreten und verfügen in der Gruppe über hervorragende Größeneffekte. Ich sehe die anstehende Bankenkonsolidierung in Deutschland für uns übrigens positiv: Jede Integration braucht viel Zeit - und wir können diese Phase für uns nutzen: Wir greifen an.

SZ: Es werden nicht jeden Tag Banken in Deutschland verkauft. Schauen Sie sich die Dresdner überhaupt nicht an?

Profumo: Nein, auch wenn die Dresdner im Firmenkundengeschäft immer noch ziemlich stark ist - ich werde von meinen Aktionären nicht nur alleine für Größe bezahlt, sondern dafür, Wert zu schaffen.

SZ: Wir stecken immer noch mitten in der Finanzkrise. Das bedeutet: Die Bewertungen von Banken sind einerseits günstig. Andererseits sind die Risiken wohl kaum abschätzbar. Ist es ein guter Zeitpunkt, um Banken zu fusionieren?

Profumo: Nein. Und deswegen werden wir in der nächsten Zeit auch kaum Übernahmen und Fusionen sehen.

SZ: Also sollte man lieber noch ein paar Monate warten, bevor man Banken fusioniert?

Profumo: Ich glaube, man sollte länger warten als nur ein paar Monate.

SZ: Sie halten 95 Prozent der HVB und bieten den verbliebenen Minderheitsaktionären 38,26 Euro für ihre Anteile an. Denen ist das zu wenig. Warum legen Sie nicht einfach noch etwas drauf?

Profumo: Schauen Sie sich die HVB-Aktie an - und wie viel sie im Vergleich zu Aktien wie Deutsche Bank oder Royal Bank of Scotland wert ist. Die HVB ist heute mehr wert als die Deutsche Bank und wird mit dem 2,7fachen der Commerzbank bewertet. Und wissen Sie, warum das so ist? Seitdem wir unser Angebot vorgelegt haben, ist der Kurs der HVB-Aktie abgesichert, während alle anderen Finanztitel wegen der Finanzkrise eingebrochen sind. Machen wir uns nichts vor: Ohne unser Übernahmeangebot wäre die HVB-Aktie heute höchstens die Hälfte wert.

SZ: Und dennoch der Rechtsstreit mit Ihren Kleinaktionären.

Profumo: Wer behauptet, wir würden für die Anteile zu wenig bieten, ist ziemlich dreist. Oder eben ein professioneller Kläger.

SZ: Kleinaktionäre haben Ihre letzte Hauptversammlung im vergangenen Jahr angefochten - sie seien von Vorstand und Aufsichtsrat nicht umfassend informiert worden, als es um den Milliardenverkauf der früheren HVB-Tochter Bank Austria an Unicredit ging.

Profumo: Das trifft nicht zu. Und schauen Sie sich doch mal die Begründungen für die Anfechtungsklagen an: Da ist einer, der hat sich während der Aktionärsversammlung den Zeh geprellt, als er von Sicherheitskräften daran gehindert wurde, die Treppe zur Bühne zu erklimmen. Einem anderen gefiel der Teppich am Haupteingang zur Hauptversammlung nicht. Das kann man doch nicht mehr ernst nehmen.

SZ: Aktive Anwälte, rebellische Aktionäre, starke Gewerkschaften: Hatten Sie sich die Ehe mit der HVB so vorgestellt?

Profumo: Darf ich mal Tacheles reden?

SZ: Bitte sehr.

Profumo: Ich bin nach Deutschland gegangen, weil Deutschland die bedeutendste Volkswirtschaft in Europa ist und ich hier als Manager gute Geschäftsmöglichkeiten sehe. Aber die Art und Weise, wie hier Kleinaktionäre geschützt und wir als Großaktionär bestraft werden, schadet dem deutschen Finanzmarkt. In Wahrheit werden in Deutschland nicht die Kleinaktionäre geschützt, sondern die Profi-Kläger, die uns das Leben schwermachen und mit ihren Aktionen viel Geld verdienen wollen.

SZ: Brauchen wir neue Gesetze in Deutschland?

Profumo: Wenn Sie mich fragen, unbedingt. Aber nicht in unserem Interesse, sondern im Interesse des Finanzplatzes Deutschland. Wenn ich als Manager heute entscheiden müsste, ob ich meine Firma in Frankfurt oder London börsennotieren lasse - was glauben Sie, wie ich da entscheide?

© SZ vom 25.07.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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