Süddeutsche Zeitung

Unerwünschte Werbeanrufe:Wenn Gewinnspiel-Firmen Konten plündern

Sie versprechen Autos, Reisen, Häuser oder Bargeld, doch die Teilnahme an Lotterien gibt es nicht umsonst: Dubiose Gewinnspiel-Firmen erschleichen sich am Telefon Kontonummern - und buchen ab. Eigentlich sind diese Werbeanrufe schon seit Jahren verboten, doch das bringt wenig.

Andreas Jalsovec

Der Ordner, den Walter Schütz in der Hand hält, ist prall gefüllt. Mehrere Dutzend Schreiben unterschiedlicher Firmen sind darin abgeheftet. Sie haben Namen wie Bonusrunde 100, Gewinnprofi, Maxxirente 24 oder Euro Winpot. Alle versprechen sie die Teilnahme an Lotterien, Glücks- und Gewinnspielen, bei denen es angeblich tolle Preise gibt: Autos, Reisen, Häuser, Bargeld. Doch die Versprechen gibt es nicht umsonst. Die Firmen buchen monatlich Geld dafür vom Konto ab: 39,90 Euro, oft 49,90 Euro, manchmal 99 Euro. Einen Gewinn gibt es jedoch nie.

Gleich sieben solcher Gewinnspiel-Abos hat die 84-jährige Mutter von Walter Schütz in den vergangenen Monaten übers Telefon untergeschoben bekommen. "Wenn wir nicht per Zufall einen Blick auf ihr Konto geworfen hätten, würden die heute noch Geld abbuchen", sagt ihr Sohn. Gut 400 Euro im Monat wären das. Die kleine Rente der Seniorin liegt bei kaum 500 Euro.

Anni Schütz ist eine von wahrscheinlich Tausenden Verbrauchern, die in den vergangenen Wochen und Monaten von dubiosen Gewinnspielfirmen mit Anrufen traktiert wurden. "Derzeit läuft eine neue Welle des Gewinnspielbetrugs", stellt Dariusz Kogut fest, der mit seinem Verein Antispam e.V. seit Jahren vor den zweifelhaften Telefonanrufern warnt. Er selbst habe in den letzten Wochen mindestens zehn Anrufe bekommen - meist von angeblichen Lottoanbietern.

Ein Gespräch - und schon werden bis zu 90 Euro abgebucht

Auch bei den Verbraucherzentralen heißt es: Einer der häufigsten Beschwerdegründe von Verbrauchern seien derzeit Anrufe vermeintlicher Lottozentralen. "Nach dem Gespräch wurden den Betroffenen stets zwischen 60 und 90 Euro im Monat abgebucht", berichtet Sabine Fischer-Volk, Juristin bei der Verbraucherzentrale Brandenburg.

Die Tricks, mit denen die Firmen arbeiten, sind immer ähnlich: "Die Anrufer behaupten etwa, es gebe bereits einen Gewinnspielvertrag", berichtet Sabine Fischer-Volk. Nur wenn man diesen kündige, könne man verhindern, dass er ab sofort kostenpflichtig werde. Dazu sei der Abgleich der Bankdaten nötig. Sobald die Anrufer die Kontonummer haben, legen sie mit den Abbuchungen los.

Bei Dariusz Kogut etwa hat eine Firma namens Jumbo Business Group vor wenigen Tagen 49,90 Euro vom Konto geholt. Zuvor hatte sie unter dem Namen Luxmaxx per Telefon Werbung für das angeblich europaweite Lotto "Euromillions" gemacht. Kogut geht stets zum Schein auf die Anrufe ein, um herauszufinden, wer dahinter steckt. "Die Firma hat gleich mehrfach gegen geltendes Recht verstoßen", sagt er. So übermittelte sie bei ihrem Anruf eine gefälschte Rufnummer. Nicht nur das ist verboten. Ohne vorheriges Einverständnis sind Werbeanrufe in Deutschland generell nicht erlaubt. Das gilt schon seit 2009.

Das Verbot hat aber wenig gebracht", sagt Sabine Fischer-Volk. Die Kontoplünderungen der Gewinnspielfirmen seien nach wie vor der Dauerbrenner in den Verbraucherzentralen. Kein Wunder: Mit der relativ simplen Betrugsmasche lässt sich viel Geld machen. So buchten etwa drei Angeklagte, die jüngst wegen Gewinnspielbetrugs in Bielefeld vor Gericht kamen, fast 20 Millionen Euro von den Konten der 330.000 Opfer ab.

Neues Gesetz gegen Telefon-Gewinnspiele kommt erst 2013

Um die Verbraucher besser gegen solchen Massenbetrug zu schützen, will das Bundesjustizministerium die Strafen für unerlaubte Telefonwerbung von 50.000 Euro auf 350.000 Euro erhöhen. Überdies sollen Gewinnspielverträge künftig nicht mehr am Telefon geschlossen werden können. Verbraucher müssen den Vertrag mit ihrer Unterschrift bestätigen. Bis das neue Gesetz jedoch kommt, dürfte es noch bis Anfang 2013 dauern, heißt es im Justizministerium.

Ohnehin ist fraglich, ob das die dreisten Anrufe und Abbuchungen stoppen wird. "Viele Firmen haben nach der Gesetzesänderung 2009 ihren Sitz ins Ausland verlegt", sagt Dariusz Kogut - nach Luxemburg, Mallorca, in die Türkei oder die USA. Die Verantwortlichen sind nur schwer dingfest zu machen. "Warum sollten sie es also nicht weiter mit der Telefonmasche probieren?", meint Kogut.

Walter Schütz denkt darüber nach, Telefonnummer und Kontoverbindung seiner Mutter zu ändern - "damit der Terror endlich aufhört". Ein Bekannter von ihm habe es bei seinem Vater so gemacht, mit Erfolg. "Der hatte aber auch mehr als 100 solcher Gewinnspiel-Abos am Hals."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1276414
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.02.2012/olkl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.