Süddeutsche Zeitung

Unerlaubte Werbeanrufe:Das nervt

Bei Anruf Abzocke: Werbung per Telefon, Gewinnmitteilungen und Abofallen stören viele Verbraucher. Doch die Politik tut wenig dagegen.

Marco Völklein

Wer bei der Verbraucherzentrale Bayern Rat sucht, muss Geduld haben. Die Telefonzentrale ist häufig überlastet. Zu groß ist der Andrang der Bürger.

Ein Thema, über das sich viele Menschen nicht nur in Bayern ärgern, sind nach wie vor die unerlaubten Werbeanrufe, mit denen dubiose Unternehmer immer wieder auf Kundenfang gehen. "Bei uns laufen massenhaft Beschwerden dazu ein", bestätigt Carolin Uhrig von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

Die Gauner gehen immer gleich vor: Sie rufen bevorzugt bei älteren Menschen an und verwickeln diese in ein Gespräch - über Lottogewinne, Telefonanschlüsse oder die hohe Stromrechnung.

Wie bei der Pizzabestellung

Dahinter stecken unerlaubte Werbeanrufe, mit denen die Menschen belästigt werden. Im Laufe des Telefonats bieten die Anrufer, quasi nebenbei, Abhilfe an - etwa so: "Würden Sie es nicht auch bevorzugen, 100 Euro im Jahr weniger für Strom zu zahlen?" Wer mit "Ja" antwortet, sitzt schon in der Falle: Wenige Tage später liegt eine "Auftragsbestätigung" im Briefkasten. Mit dem "Ja" wurde ein neuer Stromlieferungsvertrag geschlossen.

Doch vielen Verbrauchern ist das nicht klar: "Rechtsgültige Verträge können auch mündlich am Telefon geschlossen werden", sagt Carmen Gahmig von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. "Wie bei einer Pizzabestellung." Liefert der Pizzabote in entsprechender Qualität, ist der Kunde verpflichtet, die Pizza zu bezahlen - der Vertrag wurde ja mündlich am Telefon geschlossen.

Dubiose Anbieter nutzen dieses Prinzip und schummeln den Menschen so Verträge unter, gegen die sie sich wehren müssen - mit einem Widerspruch. Doch oft versäumen die Verbraucher dies und dann geht mitunter der Terror erst richtig los: Die Gauner schalten Inkassobüros und Anwälte ein und setzen die Verbraucher so zusätzlich unter Druck.

"Die lassen nicht locker - viele Menschen zahlen dann, nur weil sie ihre Ruhe haben wollen", sagt Christian Gollner von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Schlimmer noch: Mittlerweile sind Millionen Datensätze mit Kontoverbindungen im Umlauf. Oftmals machen sich Betrüger nicht mehr die Mühe und rufen gar nicht mehr bei den Verbrauchern an - sie behaupten einfach, es sei eine Leistung in Anspruch genommen worden und buchen per Lastschrift Geld von den Konten der Verbraucher ab.

Konsumentenschützer raten daher, die Kontoauszüge regelmäßig zu kontrollieren und unerwünschte Abbuchungen bei der Bank rückgängig machen zu lassen. Das geht relativ unkompliziert - nervt aber ebenso wie die vielen Werbeanrufe.

Gauner verstecken sich im Ausland

Die Verbraucherschützer fordern daher eine gesetzliche Regelung, wonach telefonisch abgeschlossene Verträge nur dann gelten sollen, wenn sie im Nachhinein schriftlich bestätigt wurden. Dies hatten sie bereits vor einem Jahr gefordert, als zahlreiche Daten- und Abzock-Skandale die Bürger erregten.

Aber durchsetzen konnten sie sich nicht. Die damalige Regierung konnte sich lediglich dazu durchringen, Widerspruchsfristen zu verlängern und unerlaubten Werbeanrufern mit bis zu 50.000 Euro Geldbuße zu drohen. Doch selbst das greift nicht. Die Aufseher von der Bundesnetzagentur spüren nur selten die Gauner auf, die sich nicht selten im Ausland verstecken.

Verbraucherschützer erhöhen den Druck

"Die bisherigen Gesetze reichen nicht aus", sagt Gollner. Nun wollen die Verbraucherschützer den Druck auf die Politik erhöhen: Auf ihren Internetseiten bitten sie die Bürger, ihre Erfahrungen mit Werbeanrufen per Formular zu dokumentieren.

Bislang sei das Interesse "riesig", sagt Gollner. Genaue Zahlen werden die Verbraucherschützer in ein paar Wochen präsentieren. In Berlin, in der Nähe des Bundestags. Dort, wo die Verbrauchergesetze gemacht werden.

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Quelle:
SZ vom 05./06.06.2010/nog/mel
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