Unbekannte Geldanlagen:Dem Erbe auf der Spur

Ein Wohlhabender stirbt, die Erben kennen aber nicht alle Vermögenswerte, über die er im In- und Ausland verfügte. Was tun, wenn es keine Unterlagen dazu gibt? Wie kann man das Vermögen ausfindig machen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Erben.

Von Michael Kläsgen

Es ist ein Fall, wie er tausendfach im Jahr vorkommt: Ein Wohlhabender stirbt, die Erben kennen aber nicht alle Vermögenswerte, über die er im In- und im Ausland verfügte. Sie sind sich allerdings sicher, dass er Konten, Sparbücher und womöglich noch andere Anlagen bei Banken nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, in Luxemburg oder Österreich hatte. Schriftliche Dokumente fehlen jedoch oder sind nicht auffindbar. Der Verstorbene galt in dieser Beziehung als nicht besonders ordentlich. Da tauchen dann viele Fragen auf:

Wie kann man unbekannte Geldanlagen ausfindig machen?

Wenn jegliche Informationen über Kontoverbindungen fehlen, empfiehlt Georg Weißenfels, Geschäftsführer des Rechtsratgebers Conjus GmbH, einen Nachforschungsauftrag beim Bundesverband Deutscher Banken (BdB) zu stellen. Dieser Verband repräsentiert mehr als 220 private Banken. Im Auftrag der Erben forscht er bei den ihm angeschlossenen Banken im Rundschreibeverfahren nach Vermögenswerten des Verstorbenen. Hierzu sind ein schriftlicher Antrag und der Nachweis der Erbberechtigung durch Erbschein oder Testament mit gerichtlichem Eröffnungsvermerk erforderlich.

Gehen auch öffentliche Banken Suchaufträgen nach?

Suchverfahren werden auch vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und vom Verband Öffentlicher Banken (VÖB) angeboten. Die Einzelheiten zu den Voraussetzungen einer Suche müssen die Erben mit dem jeweiligen Verband klären, rät Thomas Lorenz, Direktor beim Bundesverband deutscher Banken.

Wie können Erben Versicherungsverträge ausfindig machen?

Wenn vom Erblasser abgeschlossene Lebens- oder Unfallversicherungen mit dem Todesfall fällig werden, können unter Um-ständen Ansprüche auf Hinterbliebenenrente beziehungsweise Witwen- oder Waisenrente bestehen. Diese Fragen sind mit der Bundes- beziehungsweise Landesversicherungsanstalt für Angestellte oder den Versicherungsämtern der Städte und Landkreise abzuklären, empfiehlt Erbrecht-Ratgeber Conjus. Ist der Erblasser durch einen Arbeitsunfall oder aufgrund einer Berufskrankheit gestorben, bestehen unter Umständen Ansprüche gegen die zuständige Berufsgenossenschaft.

Welche Auskunftsrechte haben Erben bei Banken und Versicherungen?

Anton Steiner, Münchner Fachanwalt für Erbrecht, rät, möglichst gründlich in den Unterlagen des Verstorbenen zu forschen, beispielsweise nach Telefonnummern. Haben sie auf diesem Weg eine Bank aufgespürt, können sie mit dem Erbschein dort Auskunftsrechte geltend machen.

Gibt es gesetzliche Vorschriften, wonach sich eine Bank um die Suche nach Erben kümmern muss?

Sobald die Bank vom Tod eines Kunden er-fährt, ist sie laut Bankenverband gesetzlich verpflichtet, in der Regel innerhalb eines Monats eine Kontrollmitteilung an die Erbschaftsteuerstelle des Finanzamtes zu senden. Dabei hat die Bank das von ihr verwaltete Vermögen und die gegen sie gerichtete Forderungen anzuzeigen.

Warum macht die Bank keine Meldung an das Amtsgericht? Das wäre erbenfreundlich, da Begünstigte möglicherweise erst dann vom Tod des Erblassers erfahren.

Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, dies entsprechend zu regeln, erklärt Lorenz vom Bankenverband BDB. Bisher ist es so, dass das Finanzamt umgehend vom Tod eines Bankkunden erfährt - für die Erbschaftsteuer.

Wie macht man unbekannte Konten ausfindig?

Vermögensrechercheur Herbert Notz aus Zürich sagt, es sei relativ simpel, in Deutschland ein Konto aufzuspüren. Vom Gerichtsvollzieher bis hin zu Sozial- und Landesversicherungen hätten öffentliche Stellen Zugriff auf solche Daten.

Am Ende erbt das Land

Müssen die Banken in Deutschland auch Vermögen im Ausland melden?

Branchenprimus Deutsche Bank teilt dazu mit, dass die Meldepflicht ans Finanzamt auch gilt, wenn die Vermögenswerte bei einer Auslandsniederlassung unterhalten werden.

Wie erfährt man von Vermögenswerten bei Banken im Ausland?

Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht, sagt, Erben müssten diese selbst ermitteln. Dabei müssten sie sich wie in Deutschland per Erbschein oder notariellem Testament mit Eröffnungsniederschrift legitimieren. "Ohne dieses ist bei den Banken nichts zu erfahren." Haben die Erben diese Legitimation, bieten die Bankenverbände ähnliche Suchverfahren wie in Deutschland an. In der Schweiz, dem Nachbarland, in dem Deutsche mit Abstand am meisten Geld angelegt haben, kann man sich kostengünstig an den Ombudsmann des Bankenverbandes wenden. Experte Notz weist darauf hin, dass dieser allerdings nur für die Fälle relevant sei, in denen Vermögen mindestens zehn Jahre "nachrichtenlos" war.

Wie findet man sogenannte ruhende Konten oder nachrichtenloses Vermögen in Luxemburg, einem der internationalsten Finanzplätze der Welt?

Patrick Gouden von der Luxemburger Bankenvereinigung sagt, es gebe dazu kein Gesetz. "Jede Bank hat ihren eigenen Verfahrensmodus und definiert selbst, ab wann ein Konto als ruhendes Konto betrachtet wird und welche Maßnahmen getroffen werden, um einen eventuellen Erben ausfindig zu machen." Die Tatsache, dass keine gesetzliche Regelung bestehe, ergebe sich aus dem internationalen Charakter des Finanzplatzes. Fast alle Banken hätten ein ausländisches Mutterhaus und wendeten dessen Regelungen an. Die Mehrzahl der Luxemburger Bankkunden lebe im Ausland, weshalb die Suche nach Erben schwierig sei. Aber die Banken nähmen sich dieses Problem sehr zu Herzen.

Haben Banken in Deutschland eine aktive Mitwirkungspflicht bei der Erbensuche?

Die Pflichten der Banken ergäben sich aus den jeweiligen Bankverträgen, erklärt Erbrechtsexperte Bittler. Der Bundesverband weist darauf hin, dass die Finanzinstitute zur aktiven Ermittlung der Erben weder verpflichtet noch in der Lage seien. Meist seien ihnen weder die gesetzlichen Erben noch ein von der gesetzlichen Erbfolge abweichender Wille (Testament) bekannt. Der Verband verweist hier auf professionelle Erbenermittler. Doch auch diese stießen immer wieder an Grenzen. Einer der Pioniere, Henning Schröder aus Gummersbach, wünscht sich deshalb, dass Banken aktiver die Verstorbenendatei der Deutschen Post nutzten, enger mit Nachlasspflegern kooperierten und Erbenermittlern umfangreichere Rechte beim Zugang zu Personenstandsurkunden gewährten.

Wie bemüht sind Banken konkret, potenzielle Erben ausfindig zu machen?

Banken sind keine Erbenermittler. Diese Dienstleistung wird selten angeboten. Die Hoerner Bank, eine Privatbank aus Heilbronn, tut es beispielsweise. Erbrechtsanwalt Bittler sagt, den Erben gingen im Normalfall irgendwann jene Kontoauszüge zu, die die Bank früher an den Erblasser verschickt habe. Wenn der Verstorbene aber gerade keine Versendung der Auszüge gewünscht habe, erführen die Erben auf dem Postweg nichts.

Was tun die Banken, wenn sich niemand meldet?

Die Bank erfährt auf unterschiedlichen Wegen, dass der Kunde nicht mehr erreichbar ist - im Regelfall, wenn die Post als unzustellbar zurückkommt. Die Kontoauszüge werden verschickt, wenn der Kunde sie über einen längeren Zeitraum (meist sechs Wochen) nicht mehr in der Filiale ausdruckt, erläutert Lorenz vom Bankenverband. Im besten Fall erhalten Erben dann Post von der Bank. Kann sie ihren Kunden nicht erreichen, versuche sie in aller Regel seinen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen, etwa durch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt. Gelinge auch dies nicht, verwahre sie die Vermögenswerte wie bisher.

Am Ende erbt also die Bank?

"Wenn sich kein Rechtsnachfolger für den Erblasser findet, erbt das Land", sagt Susanne Götz von der Verbraucherzentrale Bayern. Verbandsdirektor Lorenz hingegen betont, dass die vorhandenen Vermögenswerte entgegen landläufiger Meinung nicht automatisch Eigentum der Bank oder des Staates werden. Tatsächlich gelten die allgemeinen gesetzlichen Verjährungsregeln. Diese sind je nach Anlage (Sparbuch, Festgeld, Aktien) verschieden. Erst danach verlieren mögliche Verfügungsberechtigte ihre Ansprüche. Gouden von der Luxemburger Bankenvereinigung legt Wert auf die Feststellung, dass im Großherzogtum per Gesetz festgelegt worden sei, dass nachrichtenloses Vermögen niemals in den Besitz der Bank übergehe, auch nach mehr als 30 Jahren nicht.

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