Süddeutsche Zeitung

Umwidmung:Tagen statt beten

An der Mosel wird eine Kirche aus dem 17. Jahrhundert zum Ferien- und Seminarhaus umgebaut.

Von Lars Klaaßen

Welche Küche passt am besten in den Chorraum der alten Kirche? Anke Nuxoll-Oster hat sich für einen Industrielook entschieden. Mitten in der Adventszeit wurde das Herzstück ihres Umbauprojekts geliefert und eingebaut. Die alte Kirche in Wehlen verwandelt sich. Im kommenden Jahr wird in das alte Gemäuer an der Mosel wieder Leben einkehren. Dann soll der 1669 errichtete Bau als Ferien- und Seminarhaus genutzt werden.

Viele Jahre schon stand die Kirche leer, als Nuxoll-Oster sie entdeckte. Die Kölnerin hatte bereits eine Weile nach einem geeigneten Gebäude gesucht: "Wichtig war mir, dass es groß genug ist, um genügend Menschen Platz zu bieten." Im Frühjahr sollen zunächst zwei Vierbettzimmer mit Doppelbett und zusätzlichen Schlafsofas, drei Doppelzimmer sowie vier Bäder fertiggestellt werden. Dazu im Chorraum eine offene Küche mit Essbereich und ein großer Bereich im Dachgeschoss für Workshops und sonstige Gruppenaktivitäten. Bis zu 14 Personen können dann dort einquartiert werden. Später kommen noch vier Doppelzimmer und zwei weitere Bäder hinzu, für bis zu 24 Personen.

Mit Boarding-, Seminar- und Ferienhäusern kennt Nuxoll-Oster sich mittlerweile aus. Ihr Talent fürs Sanieren, Umbauen und Einrichten bemerkte sie 2007: "Wir haben damals unseren privaten Altbau in ein Mehrgenerationenhaus umgebaut", sagt sie. Bei einem Leserwettbewerb einer Wohnzeitschrift gewann sie den ersten Preis. Aus dem Privatvergnügen wurde mit den Jahren ein richtiger Job. Nuxoll-Oster kaufte in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine Reihe von Immobilien, baute sie um und richtete sie entsprechend der geplanten Nutzungen ein, für Urlauber, Geschäftsreisende, Seminarveranstalter und Unternehmen. "Trotz aller Erfahrungen mit verschiedenen Häusern auf dem Land und in der Stadt", sagt Nuxoll-Oster, "ist die alte Kirche in Bernkastel-Wehlen dann aber noch mal ein ganz anderes Kaliber."

Die Kommune hatte den Bau auf einer Webseite des Landes Rheinland-Pfalz zum Verkauf ausgeschrieben. Als Kirche war die Immobilie schon seit mehr als 100 Jahren nicht mehr genutzt worden. Das Haus war seinerzeit schlicht zu klein, man baute ein größeres. In den 1880er-Jahren wurden in die alte Kirche dann Armenwohnungen eingebaut. Das stellte einen beträchtlichen Eingriff in die Struktur des Gebäudes dar. In das Langhaus wurde eine Zwischendecke eingezogen, sodass Zimmer sowohl im Erd- als auch im neu geschaffenen Obergeschoss eingerichtet werden konnten.

Lediglich der Chorraum blieb mit seiner acht Meter hohen Gewölbedecke erhalten. Das soll auch künftig so bleiben, wenn sich dort die offene Küche mit Ess- und Seminarbereich befinden. Das will nicht nur die neue Nutzerin so, sondern ist auch vom Denkmalschutz vorgeschrieben. "Da waren wir uns sofort einig, denn dieser Raum hat wirklich Charme", sagt Nuxoll-Oster. "Die Küche im Industrielook wird die historischen Strukturen zusätzlich betonen." Dem Gebäude solle man ansehen, dass es alt sei.

Als Herausforderung in dem acht Meter hohen Raum erwiesen sich die Themen Schall und Wärme. Ob die Fußbodenheizung noch durch weitere Heizkörper oder Ventilatoren ergänzt werden muss, ist noch offen. Textilien, die an den Wänden angebracht und von der Decke hängen werden, sollen die Akustik dämpfen. Da die Innenräume ohnehin schon mehrmals umgebaut worden waren, hat der Denkmalschutz dort wenig Vorgaben gemacht. Eine Stein- und eine Holztreppe bleiben erhalten. "Von einem der Schlafzimmer wird es - wenn das Geld reicht - einen Zugang zum Kirchturm mit der atemberaubenden Aussicht auf die weltberühmte Weinlage Wehlener Sonnenuhr geben", hofft Nuxoll-Oster.

Das äußere Erscheinungsbild dagegen entspricht in weiten Teilen dem Bau aus dem 17. Jahrhundert. Der Fokus des Denkmalschutzes lag dort auf zwei an der Kirche angebrachten Kreuzen, dem Schieferdach und der rötlichen Fensterumrahmung. So solide die Kirche von außen erscheinen mag: "Das Innenleben war in einem desaströsen Zustand", berichtet Nuxoll-Oster. Hausschwamm hatte die vor mehr als 100 Jahren eingezogene Zwischendecke befallen. Alles musste raus und komplett erneuert werden. Das war schon vor dem Kauf absehbar, weshalb anfangs fraglich blieb, ob das Projekt überhaupt gestemmt werden kann.

"Ein solcher Bau passt ja in kein Gutachterschema und wurde daher mehrfach als nicht finanzierbar eingestuft", sagt die Bauherrin. "Ich musste neun Monate um eine Bankfinanzierung kämpfen." Nur ein Institut sei letztendlich bereit gewesen, ein sehr enges Budget einzuräumen - "sodass ich mit mir ringen musste, was umsetzbar ist und was nicht". Dass das Ferienhaus 2018 eröffnet, ist auch dem Denkmalschutzamt zu verdanken, das acht Prozent der Baukosten übernommen hat. Wenn alles nach Plan läuft, können die ersten Gäste im nächsten Jahr in der acht Meter hohen Küche kochen, im Kirchgarten grillen und im Gewölbekeller feiern.

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Quelle:
SZ vom 22.12.2017
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