Süddeutsche Zeitung

Umstrittener Biosprit vor dem Aus:Es war einmal E10

Bye-bye, Benzin-Gemisch: Das mit viel Tamtam angekündigte E10 erweist sich als riesiger Flop. Bei den Autofahrern ist es unbeliebt, bei der FDP fällt es in Ungnade - und jetzt soll es auch noch unangenehme Folgen für Nicht-E10-Tanker haben. Nur noch die Mineralölbranche hängt an dem Gemisch, doch das dürfte ihr nicht viel nutzen.

Michael Bauchmüller und Andreas Jalsovec

Es ist noch gar nicht lange her, da organisierte Rainer Brüderle die größte E10-Phalanx überhaupt. Der FDP-Mann, damals noch Bundeswirtschaftsminister, trommelte Mineralölkonzerne, Autoindustrie und Verbraucherschützer zum großen "Benzingipfel" in sein Ministerium zusammen - und anschließend lobte er den "engen Schulterschluss". Gemeinsam wollte man das Bio-Gemisch E10 doch noch durchsetzen, das an der Tankstelle scheinbar kaum einen Autofahrer interessierte.

Ein halbes Jahr und einen Wirtschaftsminister später sieht die Sache anders aus. Brüderle, inzwischen FDP-Fraktionschef, fordert nun ein Umdenken. Der Sprit habe die Erwartungen nicht erfüllt, sagte er der Saarbrücker Zeitung. Er werde das Thema daher in seiner Fraktion wieder zur Sprache bringen, "bis dahin, dass man darüber neu nachdenken muss". Ganz ähnlich klingt auch Fraktionsvize Patrick Döring, der das Projekt Biosprit-Beimischung nun für so gut wie gescheitert hält. Es war einmal E10.

Ausgelöst hat die neuen Vorbehalte ausgerechnet die Mineralölindustrie selbst. Sie klagt seit Monaten darüber, dass der neue Sprit von den Kunden kaum angenommen werde, verzichtet aber zugleich auf Werbung dafür. Dort, wo der Sprit verfügbar ist, tankt bislang nur jeder dritte Autofahrer das Gemisch mit bis zu zehn Prozent Ethanol-Anteil, der aus Pflanzen gewonnen wird. Und das, obwohl E10 im Schnitt drei Cent billiger und für die meisten Autos auch zugelassen ist.

Die Folge: Die von der Regierung angepeilte Biosprit-Quote von 6,25 Prozent des deutschen Kraftstoffverbrauchs lässt sich mit dem Biomix allein nicht mehr erreichen. Findet die Branche keinen anderen Weg, drohen Strafzahlungen - die wiederum Benzin verteuern könnten. Dieser Umstand bringt E10 abermals in Misskredit. Gewarnt hat davor die Mineralöllobby selbst.

Dabei ist umstritten, ob die Strafe wirklich kommt und ob die Konzerne sie noch auf den Spritpreis draufschlagen müssen. So ist nicht nur der ADAC der Auffassung, dass die Kosten einer möglichen Strafabgabe bereits vorsorglich im Preisaufschlag für herkömmliches Superbenzin enthalten sind. Die Mineralölfirmen verweisen hingegen darauf, dass bei der Einführung des Biosprits Kosten anfielen, die den Preisaufschlag rechtfertigten. Die Strafe käme obendrauf.

Das Bundesumweltministerium zieht aber in Zweifel, ob die Branche überhaupt ihr Ziel verfehlt. "Anzeichen dafür, dass die Quote in diesem Jahr nicht erfüllt werden könnte, bestehen nicht", heißt es dort. Schließlich sei an Tankstellen in den Vorjahren stets mehr Biokraftstoff verkauft worden als für die Quote nötig.

Die Mineralölindustrie betont trotz der Zurückhaltung der Kunden, sie halte an E10 fest. "Die Entscheidung dafür ist gefallen, jetzt bleiben wir dabei", sagte ein Sprecher der Aral-Mutter BP am Dienstag. Er kündigte erneut an, Aral werde in den kommenden Monaten alle Tankstellen mit E10-Zapfsäulen ausstatten. Auch bei Shell hieß es, man bemühe sich weiterhin, E10 zum Standardkraftstoff zu machen.

Der Grund für die Liebe zu E10 ist einfach: Geht es darum, die Quote zu erreichen, ist für die großen Tankstellen-Betreiber der E10-Kraftstoff gegenüber der Alternative, reinem Biodiesel, das kleinere Übel. Denn reiner Biodiesel wird meist von Biodiesel-Produzenten direkt oder an freien Tankstellen verkauft.

"Attraktiver ist es für die Mineralölindustrie daher, die Quote über E10 zu schaffen - denn diesen Markt haben sie selbst unter Kontrolle", meint Frank Brühning vom Verband der Biokraftstoffhersteller (VDB). Aus Sicht des VDB lasse sich die Quote mithilfe des Verkaufs von reinem Biosprit "ganz klar" erreichen - ob die Verbraucher das Gemisch E10 akzeptieren, sei nicht entscheidend. Mit der Behauptung, die Quotenziele seien nun in Gefahr, wolle die Mineralölwirtschaft vor allem Druck auf die Politik ausüben: "Die würde die Quote am liebsten abschaffen."

Sympathien für den reinen Biodiesel äußern sowohl FDP als auch Grüne. "Wir müssen wieder stärker auf reinen Biodiesel setzen, um die Biokraftstoffquote zu erfüllen", fordert etwa FDP-Fraktionsvize Döring.

Und die Grünen wollen am liebsten ganz zur alten Regelung zurückkehren. "Schwarz-Gelb ist mit seiner Biokraftstoffpolitik gescheitert", sagt Energiepolitiker Hans-Josef Fell. Statt Quoten für die Beimischung festzulegen, solle der Bund wieder eine Steuerbegünstigung für reine Ökokraftstoffe einführen. Das Umweltministerium will davon nichts wissen. Schließlich gebe es genügend Möglichkeiten, die Quote zu erfüllen - auch ohne E10.

Überblick: Welches Auto verträgt E10?

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SZ vom 31.08.2011/aum
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