Umbau der Stromversorgung:Wo Welten kollidieren

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Allein in den ersten elf Monaten des vorigen Jahres wurden hierzulande knapp 173.000 Solaranlagen installiert, Gesamtleistung: fast 7,3 Gigawatt Strom, was rund zehn großen Kraftwerken entspricht - wenn die Sonne scheint. Damit dürfte 2012 erneut ein Rekordjahr werden, was den Zubau von Solaranlagen angeht. Wie 2010 und 2011. Und trotz ständig sinkender Fördersätze für neue Anlagen.

Damit prallen 2013 zunehmend verschiedene Energiewelten aufeinander. Einerseits das bisherige Konzept der Bundesregierung, das vor allem auf große Kraftwerke oder Windparks setzt. Zum anderen ein System, das sich von unten entwickelt, mit immer mehr kleinen Anlagen privater Haushalte, die ihren eigenen Strom produzieren und nur noch in knappen Zeiten Kraftwerksenergie zukaufen. Mit Folgen: Während das eine System vor allem große Stromtrassen von den Windstandorten im Norden zu den Verbrauchern im Süden braucht, verlangt das andere vor allem modernere Verteilnetze in den Gemeinden.

Experten fürchten vor allem eine Reaktion der Politik: Stillstand

Doch wo Welten kollidieren, wo Stromkunden plötzlich zu Konkurrenten selbst großer Stromkonzerne werden, geht es um Einfluss und Geld. Im Wahljahr fürchten Experten deshalb vor allem eine Reaktion der Politik: Stillstand. Denn die Parteien wollen es sich gerade jetzt mit wichtigen Lobbygruppen nicht verscherzen. "Aussitzen wird bis zum Wahltermin im Herbst die bestimmende Maxime der Politik", lästert der Vorstand eines Energiekonzerns.

Ausgerechnet die zentrale Reform der Energiepolitik im Wahljahr dürfte es schwer haben: die des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Die FDP will die Ökostromförderung radikal senken, die Union ist deutlich zurückhaltender, die Länder verfolgen ohnehin eigene Interessen. "Politisch wird da nicht mehr viel passieren", ist sich Felix Matthes, Energieexperte am Öko-Institut, sicher. Auch bei so schwierigen Fragen wie dem künftigen Design der Strommärkte oder der Umsetzung der europäischen Effizienzrichtlinie, die das Energiesparen vorantreiben soll, herrscht wenig Gestaltungswille - zumal die federführenden Ministerien für Wirtschaft und Umwelt in diesen Fragen derzeit kaum an einem Strang ziehen, jedenfalls nicht in dieselbe Richtung.

"Ohne neue Stromnetze wird die Energiewende nicht gelingen"

Die Wirtschaft warnt deshalb bereits vor einem Rückschlag für das gesamte Projekt, wenn nicht in den nächsten Monaten Weichen gestellt werden. Vor allem beim Ausbau der Stromnetze, dem derzeit entscheidenden Nadelöhr für den Umbau der Energiebranche. "Ohne neue Stromnetze wird die Energiewende nicht gelingen", sagt Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, der Süddeutschen Zeitung.

"Damit der Netzausbau beschleunigt und länderübergreifend erfolgen kann, muss der bundesweite Netzentwicklungsplan noch in dieser Legislaturperiode von der Politik verabschiedet werden." Er soll den Boden bereiten für drei große Stromtrassen von Nord nach Süd - und trägt den nächsten Ärger schon in sich. Denn bisher gibt es nur ganz grobe Korridore für den Verlauf. Sobald das Gesetz steht, können die Netzbetreiber konkrete Planungen für die neuen Trassen einreichen. Und dann werden sie dafür werben müssen.

Nicht jeder vor Ort mag Strommasten.

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