Überziehungszinsen:Ein Ärgernis weniger

Roland Boekhout

ING-Diba-Chef Roland Boekhout: "Man kann heute zweistellige Dispozinsen niemandem mehr erklären."

(Foto: dpa)

Es soll ein Zeichen in Sachen Fairness und Einfachheit sein: Die Direktbank ING-Diba senkt den Überziehungszins auf die Höhe des Dispozinses. Damit könnte sie andere Institute in Zugzwang bringen, die dafür bis zu 18 Prozent verlangen.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

Das Wort "Überziehungszins" gehört seit jeher zu den größten Ärgernissen für einen Bankkunden. Bei manchem Institut liegt er in einer Höhe, für die durchaus auch das Wort "Wucherzins" angebracht wäre.

So verlangt der Spitzenreiter Ordensbank derzeit 17,99 Prozent Zinsen, wenn ein Kunde seinen Dispokredit auf dem Girokonto überzieht. Bei Commerzbank, Targobank und Postbank liegt der Zinssatz in der Nähe von 17 Prozent.

Zum Vergleich: Der Leitzins der Europäischen Zentralbank beträgt aktuell 0,25 Prozent, für Spar- und Festgeld zahlen die meisten Banken kaum mehr. Verbraucherschützer prangern diesen Zustand seit langem an. Auch Verbraucherschutz-Ministerin Ilse Aigner (CSU) drängte die Banken im vergangenen Sommer zu mehr Transparenz und niedrigeren Zinsen.

Die Direktbank ING-Diba reagiert nun als erstes großes überregionales Institut auf diese Kritik. "Wir schaffen ab heute den bei einer Überziehung des Dispo-Limits üblichen Zinsaufschlag komplett ab", sagte ING-Diba-Chef Roland Boekhout am Freitag in Frankfurt. Damit entspricht der Überziehungszins dem Dispozins, den die Bank gleichzeitig von 8,50 auf 7,95 Prozent senkte. Vorher hatte der Überziehungszins bei 12,00 Prozent gelegen.

Der Dispozins wird Bankkunden in der Regel abhängig von ihren Vermögensverhältnissen eingeräumt. Bei ING-Diba beträgt er drei Netto-Monatseinkommen und maximal 10 000 Euro. Wer noch weiter ins Minus geht, muss bei deutschen Kreditinstituten Überziehungszinsen zahlen, die noch einmal deutlich höher liegen.

Ein Beispiel: Bei der Targobank zahlen Online-Kunden für einen Dispozins derzeit 8,99 Prozent, wird dieser überzogen, ist fast das Doppelte fällig - 16,99 Prozent.

Nur wenige Sparkassen und Genossenschaftsbanken verzichten bereits auf einen Extra-Überziehungszins. Zu ihnen zählt die Berliner Volksbank. ING-Diba-Chef Boekhout will mit dem Schritt "ein klares Zeichen in Sachen Fairness und Einfachheit" setzen.

Man könne "heute niemandem mehr erklären, weshalb Kunden für die Kontoüberziehung selbst in der absoluten Niedrigzinsphase noch zweistellige Dispozinsen zahlen müssen". Die gesamte Branche müsse transparenter werden, um Vertrauen zurückzugewinnen. Boekhout regte an, dass Dispo- und Überziehungskonditionen der Banken künftig bei einer zentralen Stelle veröffentlicht werden, zum Beispiel von Stiftung Warentest.

Andere Institute könnten in Zugzwang kommen

Mit ihrem Vorstoß könnte ING-Diba auch andere Institute in Zugzwang bringen. Sie hat besonders Sparkassen und Genossenschaftsbanken in den vergangenen Jahren viele Kunden abgejagt. Als Direktbank ohne eigenes Filialnetz kann sie günstigere Konditionen anbieten, zum Beispiel für das populäre Tagesgeld. Auch im vergangenen Jahr ist die deutsche Tochter der niederländischen ING-Bank gewachsen. Sie steigerte die Zahl ihrer Kunden um 500 000 auf inzwischen 8,1 Millionen. 1,1 Millionen von ihnen verfügen über ein Girokonto.

Auf die Frage, ob die Abschaffung des Überziehungszinses in erster Linie eine Marketing-Aktion sei, sagte ein Sprecher: "Wenn es so einfach wäre, dann hätten es andere Banken ja auch längst machen können." Im Jahr 2012 nahm ING-Diba mit Zinsen auf das Girokonto 196 Millionen Euro ein; wie viel davon auf Dispo- und wie viel auf Überziehungszinsen entfallen, geht nicht aus den Daten hervor.

Die Deutsche Kreditwirtschaft, in der die fünf Bankenverbände zusammengeschlossen sind, erklärte, die Konditionen seien die Entscheidung jeder einzelnen Bank. Diese argumentieren gelegentlich auch, der hohe Überziehungszins sei ein Warnschuss für Verbraucher, sich nicht zu stark zu verschulden. Boekhout glaubt das nicht: "Der Strafzins ist nicht der Grund, warum das jemand nicht macht."

Für manche Bank ist der hohe Überziehungszins auch eine gern genommene Einnahmequelle. Die SZ erfuhr einmal vom Marketingmann eines Instituts, welches in der Tabelle mit den höchsten Zinsen regelmäßig oben steht, dass er bei seinem Chef vorsprach, ob man den Überziehungszins nicht senken könne; schließlich mache das in der Öffentlichkeit doch einen schlechten Eindruck.

Doch der Chef lehnte ab. Er wollte auf die Einnahmen nicht verzichten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: