Überdimensionale Plakate:Fassaden als Werbebotschafter

Lesezeit: 3 min

Die Vermarktung von Immobilien ist oft der einzige Weg, die Renovierungskosten zu bezahlen.

Katharina Rotha

An der Fassade der St. Petri Kirche zu Hamburg steht es geschrieben: "Autumn Collection 2005"- "Pullover 49,90", "Cardigan 34,90". Das bunte Plakat an den über 800 Jahre alten Kirchenmauern ist ein ungewöhnlicher Anblick. Auch an anderen Gebäuden in Deutschland prangt immer öfter großformatige Werbung.

Je größer, desto besser: Riesen-Plakate an der Bürofassade. (Foto: Foto: ddp)

Modeketten und Telekommunikationsunternehmen, Automobilhersteller und Sportartikler nutzen Hauswände, um ihre Produkte zu präsentieren. "Riesenposter sind ein typisches Großstadtmedium", sagt Karin Winter, Pressesprecherin des Fachverbands Außenwerbung, mit Sitz in Frankfurt am Main.

Deutschlandweit gibt es etwa 700 Standorte, die derzeit als Flächen für die gigantischen Plakate genutzt werden. Tendenz steigend und frei nach dem Motto: je größer, desto besser. Ab einer Größe von 150 Quadratmetern steigen Plakate in den Adelsstand "der echten Riesenposter" auf, erklärt Nikolai Ciesielski, Geschäftsführer der Berliner Werbeagentur dHb.media service.

Auch die Preise für überdimensionale Werbeplakate können sich sehen lassen. "Der Kunde zahlt im Schnitt 40.000 Euro pro Monat", sagt Ciesielski. "Die besten Flächen haben dabei mitunter Preise von über 100.000 Euro. Hinzu kommen die Produktionskosten, die bei circa 25 Euro pro Quadratmeter Werbefläche liegen.

"Das Kronjuwel der dHb.media service ist die Leipziger Straße am Potsdamer Platz gegenüber dem Bundesrat. Ein perfekter Ort für Riesenposter. Hier warb Tom Cruise im vergangenen Jahr für seinen Film "Collateral" - überlebensgroß und sexy.

Cruise ist in guter Gesellschaft. Internationale Marken wie H & M, Bang & Olufsen, Nokia und Siemens nutzen diesen Standort. Die Werbeagentur Scholz & Friends, mit Sitz in Berlin und Hamburg, zählt seit zehn Jahren zu den kreativsten Werbeagenturen in der Republik. Auf die Frage, wo man momentan am liebsten werben würde, nennt Marc Schwieger, Geschäftsführer bei Scholz & Friends, prompt zwei Orte: "Am Deutschen Bundestag oder dem Deutschen Reichstag."

Das Besondere an diesen Gebäuden sei, dass hier "ein Zusammenhang zwischen dem Gebäude oder dem, was es repräsentiert, und der werbenden Marke oder einer Aussage hergestellt werden kann." Der Werbeeffekt kommt sowohl dem werbenden Unternehmen als auch der Immobilie zugute.

Häufig ist die Vermarktung der Fassaden die einzige Möglichkeit für die Besitzer, Renovierungen an ihren Immobilien zu finanzieren. Vor allem bei Gebäuden die von "Vater Staat" getragen werden, fehlt das Geld an allen Ecken. Da müssen neue Einnahmequellen erschlossen werden. Bestes Beispiel: Die Verhüllung des Brandenburger Tors 180.000 Euro zahlte die Telekom monatlich. Geld, das dringend für die Sanierungsarbeiten benötigt wurde. Der Clou: Steuergelder wurden nicht beansprucht.

Auch der Hamburger Hauptkirche St. Petri kommt ihre Lage zu Gute. Direkt an der Mönckebergstraße gelegen, der Haupteinkaufsmeile Hamburgs, erreicht die Werbung auf gesegnetem Untergrund eine große, kaufkräftige Zielgruppe. Seit Februar dieses Jahres lächeln Models der Modekette H & M von den alten Kirchenmauern auf die Passanten herab. Das Riesenwerbeplakat - 52 Meter breit und 16 Meter hoch - beschert den ersehnten Geldregen für die Sanierung - 200.000 Euro.

Die überdimensionalen Litfasssäulen werden aber nicht von allen Seiten mit offenen Armen begrüßt. So befürchtet Johannes Kahrs, SPD-Lokalpolitiker, eine zunehmende Verschandelung des Hamburger Stadtbildes. Die CDU-Fraktion in Hamburg setzt sich verstärkt für eine Entbürokratisierung von Werbevorschriften ein. Solange eine ansprechende Gestaltung und ein maßvoller Einsatz beachtet würden, so die regierende Partei, biete Außenwerbung im öffentlichen Raum große finanzielle Entlastung.

"Im Laufe des Jahres sind behördliche Vorgaben und Auflagen für Werbung im öffentlichen Raum lockerer geworden", sagt Sorina Weiland vom Bezirksamt Hamburg-Mitte. Speziell bei gemeinnützigen Immobilien ist es den Behörden bewusst, dass Außenwerbung oft die einzige Möglichkeit ist, die Etats zu entlasten.

Zu den führenden deutschen Außenwerbe-Agenturen gehören die Berliner dHb.media service und die Firma Ströer mit Sitz in Köln. Die Ströer Tochterfirma blowUP Media in Münster verhüllte jüngst das gesamte Bürogebäude am Ernst-Reuter-Platz 10 in Berlin.

Auf insgesamt 3700 Quadratmetern warb E-Plus für die Einführung von "Base", der ersten Flatrate-Marke für Mobiltelefonie. Und dieses Riesenposter ließ sich der Mobilfunkanbieter einiges kosten. Ingo Theißen von blowUP Media lässt sich aber nicht mehr als "im unteren sechsstelligen Bereich" entlocken.

© SZ vom 7.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: