Süddeutsche Zeitung

Typologie der Wertpapiere:Aktien mit Fesseln

Eine Vorzugsaktie bringt nur Vorteile und eine Stammaktie ist Stammkunden vorbehalten? Nicht ganz. Die Namen führen manchmal in die Irre - dabei gibt es entscheidende Unterschiede. Ein Überblick.

Von Pia Ratzesberger

Börse: Das klingt für viele nach Risiko, Zocken und Verlusten. Nach einem undurchschaubaren System, mit dem man sich vorsichtshalber erst gar nicht auseinandersetzt. Nur etwa 14 Prozent der Deutschen über 14 Jahren legen nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts Geld in Aktien an (Stand Februar 2017). Dabei sind zumindest die unterschiedlichen Aktienformen relativ überschaubar. Wer sein Geld in Wertpapieren anlegt, sollte sich die Kategorien im Vorfeld unbedingt näher ansehen - und herausfinden, welche Art von Aktie die passende ist.

Das moderne Aktienrecht überlässt es dem Unternehmen, alle Aktionäre gleich zu behandeln oder an verschiedene Aktionäre unterschiedliche Arten von Aktien auszugeben. Unterschieden wird nach Stimmrecht, Übertragbarkeit, Unternehmensanteil und Ausgabezeitpunkt.

Aktien mit und ohne Stimmrecht

Wer sich für eine Stammaktie entscheidet, erwirbt nicht nur einen Anteil am Unternehmen, sondern darf von nun an auch mitreden. Sein Stimmrecht übt der Aktionär bei der in der Regel einmal jährlich stattfindenen Hauptversammlung aus. Hier können die Anteilseigner Vorstand und Aufsichtsrat entlasten - das heißt, den beiden Gremien bestätigen, dass sie in den vergangenen Monaten ordentlich gewirtschaftet haben. Auf der Hauptversammlung wird unter anderem auch geregelt, wie der Gewinn der Aktiengesellschaft verwendet, ob das Kapital erhöht oder wer in den Aufsichtsrat bestellt wird. Besitzer einer Stammaktie können also zumindest einmal im Jahr den Kurs des Unternehmens ein wenig mitlenken. Auch wenn die Stimme meist nur eine unter Hunderttausenden ist.

Käufer einer Vorzugsaktie verzichten in der Regel auf das Stimmrecht, bekommen dafür aber bevorzugte Dividendenansprüche. Im Falle einer Unternehmensliquidation werden ihre Ansprüche vor den Besitzern von Stammaktien befriedigt. Umgekehrt birgt der Kauf von Vorzugsaktien aber auch ein Risiko. Entscheidungen der Unternehmensführung können von Vorzugsaktionären auf der Hauptversammlung nicht beeinflusst werden.

Aktien mit und ohne Übertragungsrecht

Inhaberaktien lauten auf den jeweiligen Inhaber, dieser kann die Rechte daraus geltend machen. Die Übertragung erfolgt durch Einigung und Übergabe. Bei der Inhaberaktie kann das Unternehmen keinen Einfluss auf die Gruppe der Aktionäre nehmen, weil es nicht weiß, wer die Aktie gekauft hat. Der Käufer muss seinen Namen und seine Daten nicht angeben und wird in keinem Register verzeichnet. Die Aktie gilt daher als leicht handelbar: Sobald man das Wertpapier verkauft, überträgt manmit ihm alle Rechten und Pflichten an den neuen Besitzer, ohne dass das Unternehmen davon erfährt oder zustimmen muss. Benachrichtigungen der Gesellschaft an die Inhaber erfolgen über öffentliche Medien wie zum Beispiel Zeitungen. Einladungen zu Hauptversammlungen werden durch die Depotbanken an die Eigentümer übermittelt.

Anders ist das bei den Namensaktien, die mittlerweile sehr viel gängiger sind. Hier sind Aktionär und Aktiengesellschaft enger miteinander verknüpft, weil die Käufer sich ins Aktienregister des Unternehmens eintragen müssen. Die Aktiengesellschaft kommuniziert direkt mit den Käufern, kann so auch die Bonität ihrer Anteilseigner prüfen und behält den Überblick, wer genau wie viele Anteile hält oder ob zum Beispiel ein Aktionär ungewöhnlich viele Wertpapiere in kurzer Zeit anhäuft.

Um sich vor solch feindlichen Übernahmen zu schützen, gibt es eine Sonderform der Namensaktie, die vinkulierte Namensaktie. Im Namen steckt das lateinische Wort vinculum, auf Deutsch: Fessel. Der Aktionär ist insoweit an diese Aktie gefesselt, als dass die Aktiengesellschaft bei jedem Verkauf erst zustimmen muss und diesen auch ablehnen kann. Der Interessent erhält das Wertpapier in diesem Fall dann zwar trotzdem - aber ohne Stimmrecht.

Nennwert- und Stückaktien

Zusätzlich unterscheidet man zwischen Nennwertaktien und nennwertlosen Stückaktien. Bei Nennwertaktien ist auf der Aktie ein bestimmter Wert aufgedruckt, der Mindestbetrag liegt laut Aktiengesetz bei einem Euro. Während der Nennwert einer Aktie konstant bleibt, kann ihr Börsenkurswert permanent schwanken - je nachdem, wie sich Angebot und Nachfrage auf den Preis der Aktie auswirken. Stückaktien dagegen verbriefen keinen konkreten Wert, sondern einen prozentualen Anteil am Grundkapital des Unternehmens. Diese Aktienform ist in USA, Kanada und anderen Ländern sehr gebräuchlich, in Deutschland aber erst seit 1998 zugelassen. Ihre Einführung sollte die Umwandlung der auf die jeweilige Landeswährung lautenden Nennwertaktien in das neue auf Euro lautende Grundkapital der Aktiengesellschaften erleichtern. Unternehmen müssen sich für eine der beiden Aktiengattungen entscheiden. Ein Unternehmen, das Nennwertaktien ausgibt, kann daneben keine Stückaktien haben. Bei den Stückaktien unterscheidet man außerdem echte und unechte Stückaktien, je nachdem, wie der Anteil am Grundkapital berechnet wird.

Junge und alte Aktien

Von jungen Aktien ist die Rede, wenn eine Aktiengesellschaft im Zuge einer Kapitalerhöhung zusätzlich zum Altbestand neue Aktien ausgibt. Damit Altaktionäre weiterhin im gleichen prozentualen Anteil am Aktienkapital beteiligt sind, kann ihnen die Aktiengesellschaft sogenannten Bezugsrechte einräumen. Das heißt, sie kann ihnen beim Erwerb der jungen Aktien einen Vorzugspreis gewähren (weitere Informationen zu Bezugsrechten finden Sie hier im Lexikon der Aktiensprache).

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