TÜV-geprüfte Fonds:"Finanzieller Schiffbruch"

Anlegerschützer sind entrüstet: Das TÜV-Siegel bei geschlossenen Fonds schützt nicht vor hohen Risiken. Die Note "gut" gab es trotz teurer Gebühren.

Thomas Öchsner

Der Technische Überwachungsverein (TÜV) hat einen guten Ruf. Autofahrer vertrauen darauf, dass der TÜV bei der Hauptuntersuchung ihr Fahrzeug zuverlässig prüft. Und sie freuen sich, wenn ihnen der TÜV mit seiner Plakette bescheinigt, dass sie die nächsten zwei, drei Jahre sicher weiterfahren können. Kein Bankkunde würde jedoch auf die Idee kommen, seine Geldanlagen vom TÜV prüfen zu lassen.

TÜV-geprüfte Fonds: Die TÜV-Plakette vermutet man am ehesten auf dem Nummernschild. Dort scheint sie ihre Rolle auch am besten auszufüllen.

Die TÜV-Plakette vermutet man am ehesten auf dem Nummernschild. Dort scheint sie ihre Rolle auch am besten auszufüllen.

(Foto: Foto: TÜV)

Trotzdem prüft der TÜV Nord seit kurzem geschlossene Fonds. Dem neuen Prüfsiegel des TÜV sollten Anleger jedoch kein Vertrauen schenken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (DIAS) in Berlin, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Zweifelhaftes Prüfsiegel

Demnach ist das neue Geldanlage-Prüfsiegel des TÜV Nord höchst zweifelhaft. So hat der Überwachungsverein drei Fonds das Prädikat "gut" erteilt, obwohl diese nicht zuletzt wegen exorbitant hoher Kosten auf der Warnliste der Stiftung Warentest stehen.

In der Studie im Auftrag des DIAS geht es konkret um drei Fonds mit TÜV-Siegel. Beispiel Nummer eins: der Geno Haus Fonds. Der Anbieter, die CIS Deutschland AG, feiert den Wohnimmobilienfonds als "ethisch einwandfreies Investmentangebot". Als "Mindestzielrendite" wird ein Ertrag von zehn Prozent pro Jahr angegeben. In der Studie werden dem Fonds dagegen "fragwürdige Geschäfte mit notleidenden Hauseigentümern" vorgeworfen.

Das Fondskonzept sieht vor, Eigenheime von in finanzielle Not geratenen Immobilienbesitzern preisgünstig zu erwerben und an die ehemaligen Eigentümer zu vermieten, die das Objekt später wieder per Mietkauf zurückerwerben können. In der Studie wird dieses Konzept jedoch heftig kritisiert, nicht nur weil völlig offen ist, ob sich genügend günstige Objekte und zahlungskräftige Mieter finden lassen.

Die Kosten "von einmalig 20 Prozent und laufend 2,8 Prozent der Einlage pro Jahr" seien auch so hoch, dass die angestrebte Rendite in Höhe von mindestens zehn Prozent nur auf dem Papier stehe. Es sei deshalb völlig unverständlich, wieso der Fonds vom TÜV Nord die Gesamtnote "gut" und für die Kostenstruktur innerhalb des Fonds sogar ein "sehr gut" erhalten habe, heißt es in der Untersuchung weiter.

Auch andere Fonds mit "gut" attestiert

Ähnlich schlecht schneiden in der DIAS-Studie die beiden anderen Fonds ab, denen ebenfalls vom TÜV Nord das Prädikat "gut" attestiert wurde. Die zweistelligen Renditen, die der zweite untersuchte Fonds, der GarantieHebelPlan 09 des Frankfurter Initiators CIS verspricht, seien wenig realistisch. Begründet wird dies zum einen mit den hohen Kosten und Innenprovisionen. So soll laut einer schriftlichen Vereinbarung die Abschlussprovision für den Vermittler zwischen 10 und 18 Prozent der Einmalanlage liegen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Wer sich als Anleger im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des TÜV von TÜV-Siegeln für geschlossene Fonds blenden lässt, wird möglicherweise finanziellen Schiffbruch erleiden bis hin zum Totalverlust seiner Einlage."

"Finanzieller Schiffbruch"

Hinzu kommt: Der Fonds setzt auf sogenannte Zinsdifferenzgeschäfte, bei denen die Anleger an der Differenz zwischen der Rendite für die Kapitalanlage (zum Beispiel acht Prozent) und dem Zins für ein zusätzlich aufgenommenes Darlehen (zum Beispiel fünf Prozent) verdienen sollen. In der Studie werden solche Geschäfte aber als hochspekulativ und für private Kapitalanleger ungeeignet kritisiert. Trotzdem lockt CIS auch Kleinanleger mit einer Beteiligung ab 2000 Euro oder ab monatlich 50 Euro an.

Auch der dritte Fonds, der Premium Vermögensverwaltung, steht in der Kritik, vor allem wegen der "erschreckend hohen einmaligen Kosten in Höhe von 22 Prozent der Einlage". In der Studie wird außerdem auf die personellen Verflechtungen beim Anbieter DSS Vermögensverwaltung AG in München hingewiesen, wo von einer Familie mehrere Spitzenposten besetzt waren oder noch sind. Dies sei nicht vertrauenerweckend. Das TÜV-Siegel "gut" sei wegen der hohen Kosten, der hohen Risiken und der undurchsichtigen Firmenhistorie nicht nachvollziehbar.

Schiffbruch befürchtet

In der DIAS-Untersuchung heißt es deshalb: "Wer sich als Anleger im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des TÜV von TÜV-Siegeln für geschlossene Fonds blenden lässt, wird möglicherweise finanziellen Schiffbruch erleiden bis hin zum Totalverlust seiner Einlage."

Der TÜV Nord hat nach eigenen Angaben inzwischen fünf geschlossene Fonds zertifiziert. Es gebe aber auch Fonds, die "kein Zertifikat erhalten haben", sagte ein TÜV-Sprecher. Drei weitere Fonds seien in der Prüfungsphase. Die Kritik in der Studie wies der Sprecher zurück: Prüfgegenstand sei "die Transparenz und Plausibilität der Emissionsunterlagen". Die mögliche Gewinnentwicklung der Kapitalanlage werde nicht untersucht.

Auch ersetze das Prüfsiegel "nicht die qualifizierte Beratung eines Fachmanns". Der TÜV Rheinland hat dagegen die Prüfungen eingestellt. Das Siegel habe zu "Missverständnissen" geführt, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Bei Anlegern sei der falsche Eindruck entstanden, der TÜV habe die Ergebnisqualität der Fonds untersucht.

Der Verfasser der DIAS-Studie, der Fondsexperte und Mathematiker Werner Siepe, lässt sich davon nicht irritieren. Er wirft dem TÜV vor, der für jeden geprüften Fonds bis zu 29.500 Euro erhält, sich von den Fondsinitiatoren missbrauchen zu lassen.

Siepe erinnert das TÜV-Siegel für geschlossene Fonds an den Ablasshandel im Mittelalter: "Die TÜV-Siegel für geschlossene Fonds erscheinen wie moderne Ablassbriefe, mit denen sich dubiose Fondsanbieter einen Mantel der Seriosität umhängen wollen."

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