Tricks bei der Betriebsrente:Konzerne profitieren von Scheidungen

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Große Unternehmen, die Betriebsrente auszahlen, können viel Geld sparen - wenn sich ihre Mitarbeiter scheiden lassen. Die Ansprüche von Ex-Partnern werden dann deutlich geringer verzinst. Meist trifft es Frauen.

Von Ulrike Heidenreich, München

"Meistens hat, wenn zwei sich scheiden, einer etwas mehr zu leiden." Als der Schriftsteller Wilhelm Busch, geboren 1832, dies reimte, wusste er noch nichts von betrieblicher Altersversorgung. Denn mag das Herzeleid bei getrennten Eheleuten auch heutzutage bestehen - mitunter in verschieden starker Ausprägung -, so gibt es doch Zeitgenossen, die sich offen über Trennungen freuen dürfen. Sie sitzen in den Spitzen großer Unternehmen, die Betriebsrenten auszahlen. Lassen sich ihre Mitarbeiter scheiden, sparen diese Firmen viel Geld - weil sie die Rückstellungen des Ex-Partners nicht mehr teuer verzinsen müssen.

Gut ein Drittel aller Ehen in Deutschland geht in die Brüche, überwiegend sind es die Frauen, die die Scheidung einreichen. Sind die emotionalen und rechtlichen Turbulenzen überstanden, kommt es zum Versorgungsausgleich. Die Ansprüche auf Altersversorgung, die während der gemeinsamen Ehezeit vom Paar aufgebaut wurden, werden geteilt, akkurat halbe-halbe. Bei der letzten Reform des Scheidungsrechts im Jahr 2009 wurde jedoch eine Ausnahmeregelung für Konzerne bei den Betriebsrenten eingebaut.

Die gesetzliche Rentenversicherung oder die Beamtenversorgung führen nach Ehescheidungen zwei getrennte Konten zu gleichen Konditionen für die Ex-Partner weiter. Unternehmen mit Betriebsrente aber dürfen den Anteil der geschiedenen Partner ihrer Mitarbeiter an eine Ausgleichskasse oder die gesetzliche Rentenversicherung übertragen. Es geht hierbei um Ex-Ehepartner, die nicht in dem Betrieb selbst arbeiten, aber aufgrund der Zugehörigkeit ihres Partners von den Altersrückstellungen profitieren.

"Unternehmen fahren Gewinne ein, Frauen bekommen mickrige Renten"

Die Unternehmen haben nun wegen der Ausnahmeregelung weniger Verwaltungsaufwand, die Geschiedenen - meist Frauen - später keine Ansprüche an die Firma. Nun folgt der kleine Unterschied: Unternehmen ist es gesetzlich vorgeschrieben, bei ihren Renten-Rücklagen eine Verzinsung von etwa fünf Prozent anzupeilen; eine Ausgleichskasse garantiert aber nur 1,7 Prozent. Für die Grünen-Abgeordnete Katja Keul ein klarer Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip im Grundgesetz. "Unternehmen fahren Gewinne ein, Frauen bekommen mickrige Renten", sagt Keul. Ihre Bundestagsfraktion legt nun einen Gesetzentwurf vor, um das zu ändern.

50 000 Geschiedene pro Jahr sind betroffen. Etwa 17 Millionen Beschäftigte insgesamt haben eine betriebliche Altersversorgung.

Auch der Ausschuss Familienrecht im Deutschen Anwaltverein fordert dringend Korrekturen am Versorgungsausgleichgesetz. Die Familienanwälte sprechen von Millionengewinnen für die Firmen und rechnen den Verlust für Geschiedene an diesem Fall vor: Ein Paar, beide 47 Jahre alt, trennt sich. Der Mann hat während der Ehezeit bei seiner Firma eine Zusatzversorgung zur gesetzlichen Rente in Höhe von 1321 Euro monatlich erworben.

Die Hoffnung der Frau, später die Hälfte dieser Betriebsrente, etwa 660 Euro, zu bekommen, erfüllt sich nicht, weil ihr Anteil an die Ausgleichskasse übertragen wird. Der monatliche Betrag ist zwar schon automatisch wegen ihrer längeren Lebenserwartung niedriger gerechnet - es ist jedoch die geringere Verzinsung, die richtig drückt. Die Frau wird nur 363 Euro erhalten. Wären ihre Rentenansprüche beim Arbeitgeber des Mannes verblieben, könnte sie mit 593 Euro rechnen. Die Anwälte fordern wie die Grünen eine Streichung der Ausnahmeregelung. Wenn schon Leid, dann gerecht geteilt.

© SZ vom 14.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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