Transparenz für Verbraucher:Gesetz soll Informationsrechte der Bürger stärken

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner feiert das neue Informationsgesetz: Ab dem 1. September sollen Bürger bei Behörden leichter nach den Ergebnissen amtlicher Kontrollen fragen dürfen. Doch in Berlin sorgt das weniger für Transparenz, als vielmehr für Chaos.

Daniela Kuhr

Hört man Ilse Aigner über die neuen Informationsrechte für Verbraucher reden, klingt alles super: Wenn am 1. September das novellierte Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in Kraft trete, könnten die Bürger "noch leichter" erfahren, ob Lebensmittelhersteller in der Vergangenheit gegen Gesetze verstoßen hätten", lobt die Bundesverbraucherschutzministerin. Verbraucher würden "noch schneller" Auskunft erhalten. Und überhaupt schaffe das Gesetz die Voraussetzung für eine "noch aktivere Informationskultur der Behörden auf allen Ebenen". Kurzum: Mit den neuen Regeln wird alles noch besser. So zumindest stellt es sich die CSU-Ministerin vor. Die Realität sieht ein wenig anders aus.

Zumindest in Berlin hat die VIG-Novelle noch vor ihrem Inkrafttreten erst einmal für gehöriges Chaos gesorgt. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch fühlt sich daher bestätigt: "Das Hickhack in Berlin zeigt, wie schlampig dieses Gesetz gemacht ist", sagt ein Sprecher.

Worum geht es überhaupt? Künftig sollen Bürger leichter bei Behörden nachfragen können, was die amtlichen Kontrollen von Lebensmitteln, Kosmetika, Textilien oder Kinderspielzeug ergeben haben. Zwar können sie das theoretisch bereits seit Mai 2008. In der Praxis aber erwies sich der Anspruch als Flop. Die Behörden mauerten, ließen sich Zeit, verschickten unverständliche Antworten oder verlangten für die Bearbeitung viel Geld.

Das jedenfalls war das Fazit von Verbraucherschützern, nachdem sie testweise verschiedene Anfragen verschickt hatten. Aigner musste daher nachbessern und sowohl das Verfahren vereinfachen als auch die Auskunftsrechte inhaltlich erweitern.

Behörden müssen Ergebnisse auf Nachfrage zur Verfügung stellen

Für die Bürger sind die Anfragen meist kostenlos

Künftig können die Bürger nicht mehr nur nach den Ergebnissen der Kontrollen von Lebensmitteln, Kleidung, Spielwaren oder Reinigungsmitteln fragen, sondern auch von technischen Produkten, wie etwa Haushaltsgeräten, Möbeln oder Heimwerkerartikeln. Sollten Behörden bei diesen Produkten amtliche Sicherheitstests oder Marktkontrollen durchgeführt haben, müssen sie die Ergebnisse auf Nachfrage zur Verfügung stellen. Wie bisher auch bleibt es allerdings dabei, dass die Bürger nur nach Informationen fragen dürfen, die bei den Behörden ohnehin bereits vorhanden sind. Sie können also nicht verlangen, dass ein Amt auf ihre Anfrage hin einen Lebensmittelmarkt kontrolliert.

Zudem soll die Beantwortung schneller erfolgen. Zwar müssen die betroffenen Unternehmen auch weiterhin in der Regel erst angehört werden, bevor ein Amt Auskunft erteilt. Doch während das bislang schriftlich innerhalb eines Monats geschehen musste, können die Anhörungen nun auch kurzfristig und mündlich erfolgen. Richtet sich die Anfrage auf einen Gesetzesverstoß, braucht die Behörde das Unternehmen überhaupt nicht anzuhören.

Künftig müssen zudem alle amtlichen Kontrollergebnisse herausgegeben werden, die Grenzwerte betreffen, also beispielsweise Chemikalien in Spielzeug oder Lebensmitteln. Wurde ein Grenzwert überschritten, müssen die Behörden das sogar von sich aus veröffentlichen, wenn zwei unabhängige Untersuchungen diesen Verdacht bestätigen. Wurde der Grenzwert nicht überschritten, müssen die Ämter nur auf Anfrage Auskunft geben.

Daran aber können die Unternehmen sie künftig nicht mehr hindern. Bislang hatten sie das oftmals versucht, indem sie einwandten, es handele sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Die Novelle stellt nun klar, dass die Unternehmen sich darauf nicht mehr berufen können. Ein Punkt, den der Foodwatch-Sprecher ausdrücklich begrüßt: "Wir hoffen, dass damit wenigstens diese Schwachstelle des bisherigen Auskunftsanspruchs beseitigt ist."

Foodwatch und der Bundesverband der Verbraucherzentralen sind enttäuscht

Für die Bürger werden die Anfragen zudem meist kostenlos sein. Beträgt der Aufwand, den das Amt für die Beantwortung betreiben muss, bis zu 250 Euro, darf es gar nichts verlangen. Bislang konnte es zwischen fünf und 250 Euro in Rechnung stellen. Was Foodwatch und den Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) jedoch enttäuscht, ist die Tatsache, dass auch das neue VIG keine Pflicht vorsieht, nach der Lebensmittelbetriebe die Ergebnisse amtlicher Kontrollen veröffentlichen müssen.

In Dänemark etwa muss jedes Restaurant am Eingang einen Smiley anbringen, der anzeigt, wie die letzte Kontrolle ausgefallen ist. Auch eine Ampel hätten die Verbraucherschützer akzeptiert. "Das VIG schafft zwar die Grundlage, dass die Länder über Hygienekontrollen informieren können. Für eine bundesweite, verbindliche Hygieneampel brauchen wir aber eine weitere gesetzliche Regelung", sagt VZBV-Ernährungsexpertin Clara Meynen.

Etwas vergleichbares gibt es bislang nur in Berlin. Zwar kann auch der dortige Senat mangels gesetzlicher Grundlage die Betriebe nicht verpflichten, solche Kennzeichnungen bei sich anzubringen. Dafür aber veröffentlicht er die Kontrollergebnisse seit einem Jahr einfach selbst im Internet. Ein Vorstoß, den Verbraucherschützer sehr begrüßten.

Doch ausgerechnet das neue VIG, mit dem laut Aigner alles besser werden sollte, schien das Projekt auf einmal zu gefährden. Eine sprachliche Ungenauigkeit ließ Zweifel aufkommen, ob die Veröffentlichung in Zukunft überhaupt noch zulässig ist. Kurzzeitig hieß es, Berlin stoppe die Veröffentlichung. Aigner stellte nun jedoch klar, dass die Ergebnisse auch weiterhin ins Internet gestellt werden dürften. Die Opposition fordert dennoch eine gesetzliche Klarstellung. "Die Verwirrung um die Smiley-Kennzeichnung in Berlin hat gezeigt, dass Frau Aigner mit dem VIG nicht für Rechtssicherheit gesorgt, sondern noch mehr Unklarheiten geschaffen hat", sagt SPD-Verbraucherschutzexpertin Elvira Drobinski-Weiss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: