Toxische Wertpapiere:Besuch in der Deponie

Banken sind schon wieder dabei neue, gefährliche Wertpapiere zu konstruieren. Dabei ist der Giftmüll von gestern noch nicht entsorgt. Die wichtigsten Fragen.

M. Hesse, C. Hoffmann u. M. Zydra

"Eine Krise wie diese darf sich nicht wiederholen!", rufen die Politiker vor dem Gipfel der 20 großen Industrienationen in Pittsburgh. Doch zugleich mehren sich die Stimmen derer, die fürchten, Banken machten weiter wie bisher. Sie gingen wieder hohe Risiken ein und konstruierten neue, gefährliche Wertpapiere, Giftmüll von morgen. Dabei ist der Giftmüll von gestern noch nicht entsorgt, der vor zwei Jahren die Finanzkrise auslöste. Was ist aus den toxischen Wertpapieren geworden, der die Bankbilanzen verseuchte? Und stimmt es, dass bereits neue Zeitbomben ticken, weil die Banken schon wieder schlechte Kredite verbriefen? Die SZ ist den wichtigsten Fragen nachgegangen.

Gift, Banken, Illustration Eberhard Wolf

Jede Menge Giftmüll in Form von Verbriefungen und Derivaten lastet auf den Banken.

(Foto: Foto: Illustration Eberhard Wolf)

Wie viel Giftmüll gibt es heute?

Als Mutter aller toxischen Wertpapiere gelten verbriefte amerikanische Immobilienkredite zweitklassiger Qualität (Subprime Loans). Nach Angaben der Ratingagentur Standard & Poor's waren 2008 Wertpapiere im Volumen von 1065 Milliarden Dollar im Umlauf, die mit diesen Subprime-Krediten besichert waren. Diese einfach verbrieften Haushypotheken wurden jedoch in Risikoklassen zerlegt und weiter verpackt, bis zu 40 Mal wurden Kredite verschachtelt. Daneben wurden auch andere Forderungen verbrieft, etwa Kredite für Gewerbeimmobilien, Studentendarlehen oder Autofinanzierungen. All diese Papiere werden als ABS bezeichnet. ABS steht für Asset Backed Securities, für Wertpapiere also, die mit Forderungen besichert werden.

Wo liegt der Finanz-Abfall?

Wo liegt der Finanz-Abfall?

Toxische Wertpapiere: Die Entwicklung der Neuemissionen von so genannten Asset-Backed-Securites (ABS) von 2001 bis 2009.

Die Entwicklung der Neuemissionen von so genannten Asset-Backed-Securites (ABS) von 2001 bis 2009.

(Foto: Foto: SZ-Graphik, Quelle Sifma)

Zu einem großen Teil haben die Banken die toxischen Wertpapiere selbst behalten. Jene Subprime-Papiere, von denen die Krise ausging, haben die meisten Kreditinstitute auf rund 20 Prozent abgeschrieben, den Wert in den Bilanzen also der Wirklichkeit angepasst. Dank buchhalterischer Tricks sind viele Verbriefungen aber wohl noch immer zu hoch bewertet. Darauf deuten Statistiken hin: Bis zur Jahresmitte haben Banken weltweit 1,5 Billionen Dollar auf Wertpapierbestände und Kredite abgeschrieben. Der Internationale Währungsfonds schätzt das Verlustpotential bis 2010 aber auf vier Billionen Dollar. Eine wichtige Rolle bei der Entsorgung des Sondermülls spielen die Notenbanken.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat forderungsbesicherte Wertpapiere im Volumen von mehr als 900 Milliarden Euro von Banken als Sicherheit für kurzfristige Ausleihungen angenommen, die Risiken liegen aber weiter bei den Banken. In Amerika geht die Notenbank Fed dagegen selbst ins Risiko. Sie hat ihre Bilanzsumme in spektakulärer Weise ausgeweitet, von weniger als einer auf mehr als zwei Billionen Dollar. Die Fed kauft schlechte oder toxische Wertpapiere von den Banken auf und nimmt sie in ihre Bilanz. "So werden Preise künstlich hochgehalten", sagt Jochen Felsenheimer Kreditanalyst bei dem Vermögensverwalter Assenagon.

Und was ist mit den Bad Banks?

Und was ist mit den Bad Banks?

Deutschland und Irland beispielsweise haben staatliche Auffanggesellschaften gegründet, in die Banken ihre Problempapiere auslagern können. Diese Bad Banks dienen als zentrale Mülldeponien für den Finanzabfall. Während in Irland fünf Großbanken bis zu 77 Milliarden Euro auslagern wollen, haben die deutschen Banken das Angebot bisher allerdings nicht in Anspruch genommen.

Die HSH Nordbank dürfte diesen Schritt jedoch gehen, auch die WestLB, die BayernLB und die LBBW denken darüber nach. Die Landesbanken haben zum Teil bereits eigene Zweckgesellschaften gebildet, um die faulen Wertpapiere von anderen zu trennen. Ähnlich verfährt die Commerzbank. So sollen künftig starke Wertkorrekturen in den Bilanzen vermieden werden. Die Risiken bleiben aber in all diesen Fällen bei der Bank.

Wird der Altmüll noch gehandelt?

Wird der Altmüll noch gehandelt?

Nach der Pleite von Lehman Brothers stießen Banken hektisch einen Teil ihrer Wertpapiere ab. Die Notverkäufe drückten die Preise stark nach unten. Heute ist der Markt für verbriefte Wertpapiere aller Art weitgehend zum Erliegen gekommen. "Altemissionen werden nur noch in einem intransparenten Markt von Spezialisten für stark unterbewertete Papiere gehandelt", sagt Thomas Bayerl, Senior Portfoliomanager bei der Meag, einer Kapitalanlagegesellschaft der Münchener Rück.

"Die klassischen Investoren meiden diese Produkte, weil sie sich damit die Finger verbrannt haben." Früher wurden ABS vor allem von Banken und Versicherungen gekauft. "Doch heute bauen fast alle ihre Risikopositionen ab, weil sie diese mit mehr Eigenkapital hinterlegen müssen", erklärt Klaus Holschuh, der den Bereich Research und Volkswirtschaft bei der DZ Bank leitet.

Wird der Sondermüll neu verpackt?

Wird der Sondermüll neu verpackt?

Mitunter schnüren Banken die Kreditpakete auf und verpacken den Inhalt neu. Der frisch eingewickelte Altmüll wird aber fast ausschließlich an die EZB verpfändet. Nur vereinzelt greifen auch spezialisierte Hedgefonds zu. "In den USA gibt es seit kurzem sogenannte Re-Remics, also neu verpackte Hypothekenverbriefungen. Dabei werden notleidende Papiere in gute und schlechte Risiken aufgespalten", sagt Bayerl. Neuer Giftmüll soll dadurch nicht entstehen. Ob das Versprechen eingelöst wird, ist ungewiss.

Werden faule Papiere in den Depots von Privatanlegern entsorgt?

Werden faule Papiere in den Depots von Privatanlegern entsorgt?

Verbriefte Forderungen stecken vor allem in ABS-Fonds. Diese Innovation sollte deutschen Privatanlegern an den Anleihemärkten eine Extrarendite bringen. Lange schienen ABS-Fonds sicher, in der Finanzkrise erweisen sie sich jedoch als hochriskant. Zudem landeten ABS in vielen normalen Renten- und Geldmarktfonds, die im vergangenen Jahr dadurch zum Teil hohe Verluste verzeichneten.

Auf diese Weise litten viele Privatanleger unter dem ABS-Debakel, ohne es zu wissen. Die Folge: "Das Thema ABS ist tot", sagt Christian Michel, Fondsanalyst bei Feri Rating & Research. "Viele ABS-Fonds wurden mittlerweile liquidiert; einige der verbliebenen rund 20 Fonds sind geschlossen." Die Manager von Geldmarkt- und Rentenfonds wiederum haben auf ABS Wertberichtigungen vorgenommen und oftmals ihre Strategie geändert: Sie kaufen keine neuen strukturierten Produkte mehr.

Welchen Schaden kann der Altmüll anrichten?

Kann der Altmüll in den Bilanzen neuen Schaden anrichten?

"Von den ursprünglichen Krisenprodukten droht nicht mehr so viel Gefahr, weil die Banken sie weit abgeschrieben haben", sagt Felsenheimer. Bisher seien die tatsächlichen Ausfälle weitaus geringer als die Abschreibungen. "Von mehr als einer Billion Dollar an Subprime-Anleihen sind bisher lediglich 44 Milliarden Dollar - also etwa vier Prozent - tatsächlich ausgefallen", rechnet Holschuh vor.

Das heißt: Dort wurden Hauskredite nicht mehr bedient, es kam zur Zwangsversteigerung und der Erlös reichte nicht zur Deckung aller Forderungen. "Die Verluste werden sicher auf sechs bis acht Prozent steigen", glaubt Holschuh. Die Marktpreise spiegelten jedoch zeitweise Verluste von mehr als 80 Prozent wider.

Droht eine neue Giftmüllwelle?

Droht eine neue Giftmüllwelle?

Bislang liegt der Verbriefungsmarkt danieder. Wurden im Boomjahr 2006 noch neue ABS im Wert von mehr als 700 Milliarden Dollar verkauft, waren es 2008 kaum mehr als 100 Milliarden. In diesem Jahr geht noch weniger (Grafik). Der Markt für die verschachtelten CDOs (Collateralized Debt Obligations), in denen oft ABS verborgen sind, kollabierte im ersten Halbjahr regelrecht.

Hier gibt es keine Käufer mehr. Ökonomen und Unternehmer drängen jedoch darauf, den Handel mit Krediten wieder zu beleben, um eine Kreditklemme zu verhindern. "Verbriefungen sind an sich ja nichts Schlimmes", sagt Michael Grote von der Frankfurt School of Finance. "Nur wenn man nicht mehr weiß, was in den Paketen drin steckt, wird es problematisch."

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