Tote Topverdiener:Abkassieren aus dem Jenseits

Weder Michael Jackson noch "King" Elvis Presley schaffen es im Ranking der verstorbenen Topverdiener auf den Spitzenplatz. Millionen scheffelt vor allem einer: Yves Saint Laurent.

J. Schmieder

Michelangelo war einfach kein Geschäftsmann. Im Jahr 1501 erhielt der italienische Künstler von der Wollweberzunft in Florenz den Auftrag, eine kolossale Davidstatue aus einem Marmorblock zu errichten. Drei Jahre später war die vier Meter hohe und sechs Tonnen schwere Figur fertiggestellt. "Michelangelo hatte keine Ahnung, dass es einmal die Fotografie geben würde", sagt Thomas Sokolowski, der Direktor des Warhol-Museums in Pittsburgh. "Stellen Sie sich nur vor, er hätte geahnt, wie viele Postkarten von seiner Statue einmal verkauft würden."

Tote Topverdiener: Modedesigner Yves Saint Laurent - diese Aufnahme entstand im September 1969.

Modedesigner Yves Saint Laurent - diese Aufnahme entstand im September 1969.

(Foto: Foto: AP)

Der Bildhauer freilich hätte heute nichts vom Verkauf der Postkarten, wohl aber seine Nachkommen - denn das Geschäft mit toten Künstlern blüht. Sie verkaufen weiter CDs, sie machen Werbung, scharenweise rennen Touristen durch die früheren Wohnungen der Verstorbenen. "Hollywood mag das Geld ausgehen, aber auf dem Friedhof ist noch eine Menge zu holen", sagt Matthew Miller, der für das Magazin Forbes eine Liste erstellte, die folgenden Namen trägt: "Top-earning dead celebrities".

350 Millionen Dollar in zwölf Monaten

Auf Platz eins dieser Liste steht wider Erwarten nicht Michael Jackson, dessen Proben für die geplante Comeback-Tournee derzeit unter dem Titel "This is it" in den Kinos laufen und dessen Songs auf Platz eins sämtlicher Download-Charts stehen. Es ist der im vergangenen Jahr verstobene Yves Saint Laurent. 350 Millionen Dollar nahm der Designer in den vergangenen zwölf Monaten ein. Es folgen die Komponisten Richard Rogers und Oscar Hammerstein mit 235 Millionen Dollar vor Michael Jackson mit etwa 90 Millionen Dollar. Auch die Autoren J.R.R. Tolkien (Platz fünf, 50 Millionen Dollar) und Michael Crichton (Platz zehn, neun Millionen Dollar) stehen auf der Liste der 13 bestverdienenden toten Berühmten, ebenso Albert Einstein (Platz neun, zehn Millionen Dollar) und Andy Warhol (Platz 13, sechs Millionen Dollar).

"Das Geschäft mit den Toten boomt", sagt Jonathan Faber. Seine Firma CMG Worldwide untersucht den Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad von Berühmtheiten - darunter auch den von Toten. "Audrey Hepburn und John Wayne sind schon lange tot, doch die Menschen erinnern sich immer noch an sie und sie erinnern sich positiv an sie." Seine Firma hat deshalb den "Dead Q"-Wert eingeführt - eine Maßeinheit für die Attraktivität toter Berühmtheiten. Ganz vorne dabei: Bob Hope, James Stewart und Peanuts-Erfinder Charles Schulz. "Es geht nicht nur um die künstlerischen Fähigkeiten, sondern um den Bekanntheitsgrad", sagt Faber. Schließlich lässt sich nicht nur mit alten CDs und Filmen Geld verdienen.

Audrey Hepburn etwa tauchte kürzlich in einer Werbung für die Kleidungskette Gap auf, John Wayne in einer Anzeige für die Biermarke Coors - und Fred Astaire machte Werbung für einen Staubsauger. Steve McQueen ist der umtriebigste Werbestar, das Gesicht des Schauspielers findet sich auf Plakaten für einen Uhrenhersteller, für Whisky und einen Modedesigner. "Das Image eines toten Stars bleibt bestehen, während lebende Berühmtheiten oftmals mit Skandalen zu kämpfen haben", sagt Faber über die Glaubhaftigkeit toter Stars.

Neben Werbung gibt es noch weitere Möglichkeiten, aus der Bekanntheit von Toten Kapital zu schlagen: Elvis Presley etwa nahm im vergangenen Jahr 55 Millionen Dollar ein, einen Großteil davon durch eine "Jailhouse Rock"-Barbie-Puppe und Führungen auf seiner Ranch Graceland. John Lennon ist der Star der neuesten Version der Computerspielserie "Rock Band", bei der musikalische Anfänger die Songs der Beatles auf einer Plastikgitarre nachspielen können. Albert Einstein war als Spielzeugfigur im Happy Meal der Fast-Food-Kette McDonald's zu finden.

Lizenz zum Gelddrucken

Lennon, Hepburn und Einstein sind die langfristigen Geldverdiener, bei anderen Berühmtheiten ist es schnell vorbei mit der posthumen Lizenz zum Gelddrucken. Der australische Schauspieler Heath Leadger etwa gehörte im vergangenen Jahr noch zur Forbes-Liste, in diesem Jahr ist er dort nicht mehr zu finden - was vor allem daran liegt, dass seine Verwandten auf ein Ausschlachten des Images verzichten. Kurzfristigen Erfolg verspricht der "Dead Q"-Wert auch dem kürzlich verstorbenen Patrick Swayze, dessen Filme und Serien sich neuer Beliebtheit erfreuen.

Der Topverdiener unter den Toten indes könnte Michelangelo sein. "Allein für den Eintritt in die Sixtinische Kapelle und die Fotografien der David-Statue", sagt Sokolowski, der mit seinem Museum immerhin an Andy Warhol verdient. Aber Michelangelo war eben kein Geschäftsmann.

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