Tipps zu Kreditauskunfteien:Verdacht auf Irrtum? Nachhaken!

Die Kreditauskunft Schufa muss grundsätzlich nicht ihre genauen Berechnungen verraten. Aber haben Verbraucher das Recht, über ihre Daten informiert zu werden? Und was genau ist eigentlich "Scoring"? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Verbraucherschützer hatten sich ein anderes Urteil erhofft, doch nun steht fest: Die Kreditauskunftei Schufa muss grundsätzlich nicht verraten, wie sie die Bonität von Privatpersonen berechnet. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag entschieden - und damit viele Fragen aufgeworfen. Die SZ beantwortet die wichtigsten.

Ist das, was der Klägerin passiert ist, ein Einzelfall?

Leider nein. Die Klägerin, die einen BMW Mini finanzieren wollte, hatte nach einer Anfrage bei der Schufa zunächst keinen Kredit bekommen. Nur weil sie überzeugt war, dass es sich um einen Irrtum handelt und sie in Wahrheit von bester Bonität sei, hatte sie nachgehakt. Bei anderen Verbrauchern geht es vielleicht nicht um ein Auto, dafür aber um einen Telefonvertrag, der ihnen verweigert wird, oder eine Zahnarzt-Behandlung , die ihnen nur gegen Vorkasse gewährt wird. So unterschiedlich die Fälle sein mögen, dahinter steckt immer das gleiche Phänomen: Die Kunden hatten einen negativen Score-Wert - und damit ein hohes Risiko, ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachzukommen.

Was genau ist eigentlich "Scoring"?

Dabei handelt es sich um ein automatisiertes Verfahren, mit dem Banken, Versand- und Autohäuser, aber auch Autovermieter, Telekommunikationsunternehmen und etwa Versicherungen die Bonität ihrer Vertragspartner bewerten lassen. Dafür haben sie entweder eigene Programme oder sie wenden sich an Auskunfteien wie die Schufa, Infoscore oder Arvato. Anhand von bestimmten Daten des Kunden, wie beispielsweise dessen Beruf, Familienstand, Geschlecht, der Anzahl seiner Kreditkarten, unbezahlten Rechnungen oder auch anhand seiner Wohngegend wird ein Score-Wert ermittelt. Dieser soll angeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit er seinen Vertragsverpflichtungen nachkommen wird. Fällt der Score-Wert hoch aus, kann der Kunde problemlos seinen Vertrag abschließen. Fällt er dagegen niedrig aus, wird ihm der Vertrag entweder komplett verweigert oder aber er bekommt ihn nur zu schlechteren Konditionen, muss also beispielsweise für einen Kredit mehr Zinsen zahlen als andere.

Wieso kann ein Kunde mehrere Score-Werte gleichzeitig haben?

Die Schufa beispielsweise berechnet verschiedene Score-Werte, die sich jeweils auf andere Branchen beziehen, etwa auf die Telekommunikationsbranche, den Handel, Versandhändler oder Banken. Der Grund dafür ist, dass Kunden, die knapp bei Kasse sind, sich unterschiedlich verhalten, je nachdem mit welcher Branche sie es zu tun haben. So wird ein Verbraucher vermutlich eher seinen Handy-Vertrag nicht mehr bezahlen als seinen Immobilienkredit. Denn auf sein Handy verzichtet man leichter als auf seine Wohnung, die dann ja womöglich zwangsversteigert würde.

Wie erfahren Verbraucher ihre Score-Werte?

Genau da liege bereits das erste Problem, meint Christian Pauli, Datenschutz-Experte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Häufig würden die Kunden gar nicht mitbekommen, dass sie gescort wurden. "Wer aber bei einem Versandhändler plötzlich nur noch gegen Vorkasse bestellen darf oder wem ein Handy-Vertrag verweigert wird, sollte hellhörig werden", sagt Pauli. "Man sollte unbedingt nach dem Grund für die schlechte Behandlung fragen." Stelle sich dann heraus, dass es an einer negativen Bonitätsauskunft liegt, sollten Verbraucher fragen, welche Auskunftei genau eingeschaltet worden sei - und sich an diese wenden. So hatte es auch die Klägerin in dem BGH-Fall gemacht. Bei ihr handelte es sich um die Schufa, eine der ganz großen Wirtschaftsauskunfteien, die die Daten von 66 Millionen Verbrauchern gespeichert hat.

Auf welche Auskünfte genau haben Verbraucher Anspruch?

Seit 1. April 2010 ist es ausdrücklich in § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes geregelt: Im Falle eines Scorings muss die "verantwortliche Stelle dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft" erteilen über "die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Datenarten" sowie "das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form".

"Fehler lassen sich schnell korrigieren"

Jeder Kunde kann diese Auskunft einmal im Jahr kostenlos verlangen. In einem Fall wie dem der Klägerin aber, wo ein begründeter Verdacht für einen Irrtum besteht, kann der Betroffene natürlich auch öfter nachhaken. Und so hat es die Klägerin denn auch gemacht. Auf ihren Antrag hin hatte die Schufa ihr zwar viele Daten sowie ihre Score-Werte mitgeteilt. Darüber hinaus aber wollte die Frau wissen, welche Merkmale genau für einzelne Score-Werte herangezogen worden seien und wie sie gewichtet wurden.

Wie hat der BGH entschieden?

Zunächst einmal stellten die höchsten deutschen Zivilrichter fest, dass die Schufa einige der Auskünfte, zu denen sie gesetzlich verpflichtet ist, erst im Lauf des Verfahrens erteilt hatte. "Die ersten Auskünfte, die die Schufa der Klägerin erteilt hatte, genügten nicht vollständig den gesetzlichen Anforderungen", sagte eine Sprecherin des BGH am Mittwoch auf Anfrage der SZ. Im Lauf des Verfahrens habe die Auskunftei aber weitere Daten nachgeliefert, sodass die Richter schließlich zufrieden gewesen seien. Den Wunsch der Klägerin, zusätzlich auch noch zu erfahren, wie ihre Daten bei der Berechnung ihrer Score-Werte jeweils gewichtet wurden und wie Vergleichsgruppen abschnitten, lehnte das Gericht jedoch ab. "Die Schufa muss nur mitteilen, welche der gespeicherten Daten sie für einen Score-Wert heranzieht", erklärt die Sprecherin. "Wie sie sie aber gewichtet, fällt unter das Betriebsgeheimnis."

Was sagen Verbraucherschützer dazu?

Das Problem sei, dass Score-Werte den Anschein vermittelten, "etwas sehr Präzises" zu sein, sagt Pauli vom VZBV. "Dabei geben sie in Wahrheit nur eine ganz grobe Einschätzung über das künftige Verhalten eines Menschen ab." Als Beispiel nennt er die Daten zum Wohnort, die in aller Regel von den Auskunfteien gespeichert würden. "Die Tatsache, dass jemand außergewöhnlich häufig umzieht, kann einerseits ein Indiz dafür sein, dass jemand versucht, sich seinen Gläubigern zu entziehen oder dass er ein Mietnomade ist. Es kann aber auch eine ganz harmlose Erklärung geben, nämlich dass jemand einen gut bezahlten Job hat und von seinem Arbeitgeber alle halbe Jahr zu einem anderen Einsatzort geschickt wird." Insofern sei es alles andere als sinnvoll, eine hohe Zahl von Umzügen automatisch negativ zu werten. Pauli würde es daher sehr begrüßen, wenn das ganze System des Scorings deutlich transparenter würde. "Denn nur dann können Verbraucher sich im Einzelfall auch wehren."

Was sollen Verbraucher tun?

Auf jeden Fall einmal im Jahr bei Auskunfteien die Daten abfragen, die über sie gespeichert sind, rät Michael Kaiser, Referatsleiter beim Hessischen Datenschutzbeauftragten. "Fehler lassen sich so schnell korrigieren. Außerdem erfahren die Kunden bei der Gelegenheit auch, wer im vergangenen Jahr alles nach ihrer Bonität gefragt hat." Er habe schon erlebt, dass da auf einmal auch unberechtigte Abfragen zutage getreten seien. "Da kannte beispielsweise mal jemand einen Mitarbeiter bei einer Bank und bat ihn, über einen anderen eine Schufa-Auskunft einzuholen." Als das herauskam, sei der Bankmitarbeiter natürlich sofort gekündigt worden.

Plant der Gesetzgeber, nachzubessern?

Das Bundesverbraucherschutzministerium hat im vergangenen Jahr eine Evaluierung der neuen Vorschriften zum Scoring gestartet. Das Ergebnis soll im Lauf dieses Jahres vorliegen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: