Süddeutsche Zeitung

Tipps für Verbraucher:Die größten Werbelügen

Die Kunden glauben doch alles: Dass der Ein-Euro-Laden wirklich günstig ist. Dass ein Waschmittel viel besser als das der Konkurrenz wäscht. Und dass das Angebot im Teleshop einzigartig ist. Doch hält die Werbung, was sie so kess verspricht?

Nicolas Peerenboom

Klappern gehört zum Handwerk. Wer verkaufen will, muss werben. Ärgerlich wird es aber, wenn die Werbung die Verbraucher für dumm verkauft. Oder wenn Prominente mit ihrem Namen für Dinge werben, die sie selber ansonsten kritisch sehen. Beispiele im Überblick - in Kooperation mit dem NDR.

Ein-Euro-Shops - von wegen günstig

Sie heißen Tedi, Euro-Shop oder Mäc-Geiz. Sie bieten ihre Waren zu Tiefstpreisen an, ab einen Euro je Artikel - und sie boomen. Die Billigketten sind die wahren Gewinner der Krise, mit inzwischen Tausenden von Filialen in ganz Deutschland. Ihre Werbebotschaft ist klar: Kaufen kostet fast nichts.

Doch sind die Artikel wirklich so günstig, wie der werbewirksame Preis von einem Euro vorgaukelt? Wer die Artikelpreise einer Billigkette mit den Preisen in normalen Drogeriemärkten vergleicht, erhält manch überraschendes Ergebnis: Ein Euro kann ganz schön teuer sein, auch wenn er im Billig-Gewand daherkommt. In einem Test des NDR wurden unter anderem die Preise für Gefrierbeutel, Taschentücher, Alufolie, Wattestäbchen oder Müllbeutel gegenübergestellt. Das Resultat: Der normale Drogeriemarkt war deutlich günstiger als sein vermeintlicher Billig-Konkurrent.

Doch wie schaffen es die Ein-Euro-Läden, preiswert zu wirken, ohne preiswert zu sein? Eine Erklärung dafür hat der Werbepsychologe Johannes Schneider: "Niemand weiß was eine Packung Wattestäbchen oder eine Rolle Alufolie kostet. Wenn man das in einem Ein-Euro-Shop sieht, hat man automatisch das Gefühl, es billiger zu bekommen, weil man den Referenzpreis gar nicht kennt." Hinzu kommen oftmals unterschiedliche Packungsgrößen, die einen Preisvergleich ebenfalls erschweren.

Hinweis: Die Sendung Die größten Werbelügen ist am Montag, 26. März um 21 Uhr im NDR-Fernsehen zu sehen - direkt im Anschluss an das Verbrauchermagazin Markt.

Waschmittelwerbung oder die Kunst, sauberer zu sein als rein

Seit langem gehört die Waschmaschine zur Grundausstattung eines jeden Haushaltes. Ohne sie wäre der Friede unter deutschen Dächern noch brüchiger, hätten viele Menschen weniger freie Zeit für sich und die schönen Dinge des Lebens. Den Geräteherstellern garantiert sie jedes Jahr Milliardenumsätze. Und auch die Waschmittelproduzenten freuen sich.

Rund zwei Milliarden Euro gaben die Deutschen 2011 für Waschmittel aus. Doch wie überzeugt man die Kunden davon, dass das eigene Waschmittel-Produkt viel besser ist als das der Konkurrenten?

Dass die Wäsche damit viel "weißer" wird und dass "rein" eben nicht unbedingt "sauber" bedeutet? Seit Jahrzehnten zermartern sich die Werbestrategen so großer Hersteller wie Henkel, Procter & Gamble oder Unilever den Kopf, wie sie die reinlichen Deutschen von den eigenen Waschmittel-Marken überzeugen können. Und manchmal gelingt ihnen ein richtiger Werbe-Coup, werden die Helden der Waschmittelspots zu Ikonen ihrer Zeit, an die man sich noch Jahrzehnte später gerne erinnert.

Zum Beispiel an "Klementine", die Waschfrau der Nation, gespielt von der ansonsten weniger bekannten Schauspielerin Johanna König. Mit nützlicher Aufklärung hat die Waschmittelwerbung allerdings wenig zu tun. Denn sonst wüssten die Verbraucher ja, dass drei Hersteller etwa 90 Prozent der Waschmittel produzieren. Und es wäre ihnen auch klar, dass es beinahe egal ist, welches Waschmittel-Pulver man kauft.

Das zeigte jedenfalls eine Untersuchung der Stiftung Warentest, bei der 10 von 13 Vollwaschmittel-Pulvern mit "gut" abschnitten. Kein Wunder: Denn die Grundstoffe für die Waschmittel-Hersteller kommen auch von denselben Chemieunternehmen.

Fazit: Bei gleicher Waschleistung und Test-Note zählt letzten Endes vor allem der Preis.

Teleshopping - König Kunde auf der Couch

Am Anfang stand der Dosenöffner. Eine amerikanische Werbefirma konnte gebuchte Werbezeiten im Radio nicht bezahlen. Als Ausgleich erhielt die Radiostation eine Ladung Dosenöffner, die sie dann für je 9,95 Dollar ihren Zuhörern anbot. Kurze Zeit später waren alle Dosenöffner verkauft. Und eine neue Geschäftsidee war geboren, aus der später der amerikanische Teleshop-Kanal Home Shopping Network (HSN) hervorging.

So charmant die Gründungslegende von HSN klingt, so rätselhaft ist die Faszination, die das Teleshopping auf viele Zuschauer des deutschen Privatfernsehens ausübt. Immerhin wurden im Jahr 2010 rund 1,6 Milliarden Euro Umsatz mit den Teleshopping-Angeboten erzielt. Obwohl es da hinsichtlich Qualität und Nutzen nicht zum Besten bestellt sein muss - Verbraucherzentralen warnten schon vor zweifelhaften Angeboten.

Warum die Teleshopper trotzdem kaufen? Eine - zugegeben flapsige - Analyse: Im Teleshop ist der Kunde König. Hier schaut ihm der Moderator geradewegs in die Augen. Teleshopper sind Spontankäufer. Sie brauchen Emotionen, nicht den nüchternen Preisvergleich. Für die Gefühle ist der Moderator zuständig. Der nimmt den Teleshopper an die Hand und führt ihn immer höher hinauf, in die Sphären des Glücks und der Zweisamkeit, wo so etwas Profanes wie der angepriesene Artikel immer unwichtiger wird.

Teleshopper lieben ihren Moderator. Das ist umso wichtiger, je mieser die Waren sind, die im Teleshop verhökert werden und die in einem echten Laden womöglich nur schlecht verkäuflich wären. Erst der Moderator weckt den Wunsch, von dem der Teleshopper noch keine Ahnung hatte, als er den Fernseher einschaltete. Dafür redet der Moderator mit dem Teleshopper. Oft stundenlang. Als säße er im Wohnzimmer mit auf der Couch und nicht in der Fernsehecke.

Aber irgendwann will auch der Moderator erlöst werden, will einfach nur Feierabend machen. Dafür braucht es nur einen Akt der Dankbarkeit, die der Teleshopper ganz leicht zeigen kann: indem er endlich bestellt.

Werbende Sportler - nur gut für die Industrie?

Früher kämpften Helden für Ruhm und Ehre. Heute treiben sie Sport, heißen Sebastian Vettel, Magdalena Neuner oder Dirk Nowitzki und kämpfen für Ruhm und Geld. Das kommt in der Regel aus der Werbung. Und nichts ist für einen Sportler angenehmer, als wenn es neben den Siegerehrungen und Medaillen auch noch lukrative Werbeverträge gibt.

Das ist soweit auch völlig in Ordnung, und so gesehen ist es unproblematisch, wenn Biathlon-Ass Magdalena Neuner für Dessous wirbt oder sich vor alkoholfreiem Bier ablichten lässt. Doch was, wenn das Produkt, für das der Leistungssportler wirbt, nicht für einen gesunden Lebensstil steht?

Ein eindrückliches Beispiel lieferte Nationaltorwart Manuel Neuer: Während er einerseits auf der Homepage seiner Stiftung Kids foundation kritisiert, dass "ein gesundes Frühstück und eine warme Mahlzeit am Mittag in vielen Familien heute leider keine Selbstverständlichkeit mehr" ist, warb derselbe Sportler andererseits für stark gezuckerten Brotaufstrich zum Frühstück. Zwar hat der Hersteller des Brotaufstrichs inzwischen beschlossen, nicht mehr mit Sportlern zu werben. Andere Süßwarenproduzenten sehen das aber ganz anders und setzen für die Verkaufsförderung ihrer Produkte nach wie vor auf bekannte Sportler-Gesichter.

Ein anderes Beispiel: Die Boxerin Susi Kentikian, die für eine fett- und zuckerhaltige Zwischenmahlzeit wirbt. "Aus guten Zutaten, und mit viel frischer Vollmilch. Schmeckt leicht, belastet nicht. Ideal für zwischendurch", heißt es in dem Spot.

Ideal für zwischendurch? Heißt: Macht gar nichts, ist ja nur für zwischendurch. Aber wenn sich die Zwischendurch-Mahlzeiten häufen, können sie den Körper eben doch belasten.

Grün ist die Hoffnung und schwarz das Produkt

Jedes Jahr blasen sie mit ihren Kohlekraftwerken gigantische Mengen des Klimakillers Kohlendioxyd in die Luft, jedes Jahr verbrennen ihre Autos Millionen Tonnen von Öl und von Jahr zu Jahr geben sie sich grüner als die Grünen - in der Werbung.

Die Rede ist von den Energie- und Autokonzernen, die sich das Thema Umwelt auf die Werbefahnen geschrieben haben. "Greenwashing" nennt man das neudeutsch, wenn sich ein Hersteller schmutziger Produkte mittels Werbung ein Saubermann-Image zulegen will.

Beispiel eins: der Stromkonzern RWE. In einem Werbespot aus dem Jahre 2009 besingt er seine Liebe zur Natur, zu Blumen und Bergen und zu einer intakten Umwelt: "I like the flowers, I like the daffodils. I like the mountains, I like the rolling hills."

Tatsächlich kommt der RWE-Strom größtenteils aus Kohle. Nur rund vier Prozent des RWE-Stroms stammt von erneuerbaren Energien.

Beispiel zwei: der Autoproduzent Opel. Man sieht ein süßes Rehkitzchen durchs zarte Grün springen, es folgt der Flügelschlag eines Schmetterlings, dann ein herabstürzender Wasserfall.

Das Ganze wird untermalt von Louis Armstrongs großer Versöhnungshymne: "I see trees of green, red roses too. I see them bloom for me and you, and I think to myself, what a wonderful world." Der Spot endet mit dem Satz: "Opel macht Deutschlands Straßen sauberer".

Nun sind Autos von Opel definitiv nicht die schlimmsten Dreckschleudern. Im Gegenteil. So mancher Opel hat in ADAC-Tests hinsichtlich Verbrauch und Umwelt schon mal die Nase vorn gehabt. Und doch: Im Vergleich zum PKW ist die Öko-Bilanz von Bahnen und Bussen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr unschlagbar.

Jürgen Fliege - Marketingprofi für Esoterisches

Er war mal der Fernsehpfarrer der Nation. Seine Name war Programm: Fliege - die Talkshow. Ihm dabei zuzuhören, wie er sich den Nöten der Menschen annahm, war so etwas wie ein Erweckungserlebnis auf der Fernsehcouch.

Doch irgendwann war die TV-Show vorbei und das Publikum konnte zusehen, wie sich der evangelische Pfarrer zum Marketingprofi für Esoterik- und Lifestyleprodukte wandelte.

Auf der Internetseite kann "Fliege - Die Zeitschrift" für 44,90 Euro jährlich abonniert werden. Oder man erfährt etwas über die "Fliege Stiftung" und darüber, dass diese Stiftung auch gerne Erbschaften annimmt.

Bücher und CDs von Jürgen Fliege sind ebenso im Sortiment. Und wer will, kann auf der Webseite des Seelenfängers für seine Produkte und Dienstleistungen werben: Zum Beispiel für den "kosmischen Jungbrunnen", für eine "Seelentor-Essenz" oder für "Selbstheilung durch Seelenkraft" vom "Love Peace Harmony Institut".

Irgendwann war es sogar dem ehemaligen Dienstherrn des Pfarrers, der evangelischen Kirche im Rheinland genug, so dass sie gegen den Pfarrer im Ruhestand ein Disziplinarverfahren einleitete.

Und vergangenes Jahr nahm die frühere Sektenbeauftragte der Hansestadt Hamburg, Ursula Caberta, ihn in ihr Schwarzbuch für Esoterik auf und begründete das so: "Jürgen Fliege steht ganz exemplarisch für genau diese Mischung: Ein evangelischer Pastor, der zum Esoteriker mutiert, der keine Hemmungen hat ..."

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