Tipps für Kunden:Wie Firmen Verbraucher anschwindeln

Sie werben für reine Wäsche, eine gute Aura durch Feng Shui oder Süßigkeiten, die schön statt dick machen. Was dahinter steckt, verraten die Werber allerdings nicht - stattdessen verdrehen sie Bedeutungen, verbergen Risiken und verraten Verbrauchern nur die Hälfte.

Von Annette Niemeyer

Bei Pinocchio waren Lügen leicht zu durchschauen - jedes Mal, wenn er nicht die Wahrheit sagte, wuchs ihm die Nase verräterisch in die Länge. Das ist bei Marketing-Strategen und Werbetextern, bei Herstellern sowie Verkäufern nicht der Fall. Sie versuchen, Verbraucher zu manipulieren, damit diese ihre Produkte kaufen: die Werbung schürt schon mal Angst vor angeblichen Keimen in der Wäsche, manche Produkte haben eine sehr kurze Lebensdauer, weil minderwertige Teile verbaut werden, und der angeblich harmlose Rasendünger ist in Wahrheit ziemlich giftig. Wer nach Ansicht des NDR eine kleine Pinocchio-Nase verdient hätte, zeigt Süddeutsche.de in dieser Kooperation.

Hygienespüler - Muss das sein?

Die meisten Verbraucher sind in der Überzeugung aufgewachsen, dass Wäsche "nicht nur sauber" sein muss, "sondern rein" - das hatte ihnen ein Werbeslogan eines Waschmittelherstellers aus den siebziger Jahren so beigebracht. Das Feindbild in der Werbung waren früher Flecken von Bratensauce, Frittierfett oder Salatöl. Heute ist der Feind unsichtbar: angeblich lauern krankmachende Bakterien in unserer Kleidung. Die Werbung weckt subtil Ängste vor Keimen oder unangenehmen Gerüchen. So suggeriert die Firma Henkel mit ihrem Waschmittel Persil, man brauche für Sport- oder Kinderkleidung einen "Hygienespüler".

Auch deshalb, weil Verbraucher mit dem Wundermittel energie- und umweltbewusster waschen können sollen. Statt bei 90 und 60 Grad kann damit bei 30 oder 40 Grad gewaschen werden - gut für Geldbeutel und Umwelt. Vor allem aber sollen Hygienespüler für die restlose Vernichtung von Keimen, Pilzen und Bakterien sorgen.

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Kunden können dank Hygienespüler bei geringer Temperatur waschen - sagt die Werbung

(Foto: NDR)

Mikrobiologen sehen das kritisch: Hygienespüler seien in den meisten Fällen völlig überflüssig. Vor allem wenn Vollwaschmittel zum Einsatz kommen. Denn die enthalten Tenside und Bleichmittel. Die Tenside machen die Außenhaut der Keime durchlässig, so dass Bleichmittel leicht eindringen und die Bakterien verätzen können. Waschmittel für farbige Kleidung enthalten zwar keine Bleichmittel - dennoch ist die Angst vor Keimen unbegründet. Denn die meisten krankmachenden Bakterien werden nicht über Textilien übertragen, sondern über Körperkontakt. Ausnahmen sind etwa Magen-Darm-Erkrankungen oder Wurminfektionen.

Aber auch wenn ein Familienmitglied erkrankt ist, muss man nicht unbedingt zum Hygienespüler greifen. In aller Regel ist es völlig ausreichend, die Wäsche separat bei sechzig Grad zu waschen. Allein die höhere Temperatur zerstört die meisten Keime.

Hygienespüler dagegen können Allergien auslösen und - da sie ins Abwasser gelangen - der Umwelt schaden.

Schlaflos trotz Feng Shui

Feng Shui, wörtlich übersetzt "Wind" und "Wasser" ist eine jahrhundertealte chinesische Wissenschaft. Das Ziel von Feng Shui ist ein Leben in Harmonie mit der Umgebung des Menschen. Grundlage von Feng Shui ist das sogenannte Qi, eine Art unsichtbare Lebensenergie. Und die soll frei fließen.

Soweit die Tradition - das heutige, in der westlichen Welt praktizierte Feng Shui hat mit diesen Wurzeln nur wenig zu tun.

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Feng Shui ist eine alte Tradition aus China.

(Foto: NDR)

Feng-Shui-Berater im Internet bieten Hilfe bei allen möglichen Problemen an. Ob Stress und Spannungen reduziert werden sollen, das "Wohlbefinden" gestärkt oder für besseren Schlaf gesorgt werden soll - Feng-Shui-Berater wollen all dies leisten. Ihre Angebote beschränken sich oft nicht auf den privaten Bereich. Auch Unternehmen sollen Feng Shui-Beratung nützen. Effizienz und Kommunikation sollen verbessert werden und damit auch der wirtschaftliche Erfolg von Firmen sichergestellt werden. Doch die Praxis zeigt, dass viele Berater zu viel versprechen.

Für die Stichprobe hat die NDR-Wirtschafts- und Verbraucherredaktion zwei Berater eingeladen, und zwar in eine Wohnung, deren Bewohnerin Schlafprobleme hat. Das Ziel: nach der Beratung soll die Frau wieder gut schlafen können.

Der erste Feng-Shui-Berater gibt in erster Linie Deko-Tipps: er vertauscht die Nachttischlampen, um "Energien" zu verändern. Außerdem soll ein Bild aufgehängt werden, auf dem zwei Elemente abgebildet sind. Die Wände sollen gelb gestrichen, über das Bett eine Bastlampe und ein Seidentuch gehängt werden. In einem zweiten Schritt will er die "Aura" der Wohnung verbessern. Zunächst tappt der Berater durch die Wohnung, in der Hand eine Kette mit einem Metalpendel: so soll sichergestellt werden, wo die Aura schlecht ist. Mit einem "Auraspray" vertreibt er die negative Energie - die Beratung kostet 155 Euro.

Beraterin Nummer Zwei warnt vor gefährlichem Elektrosmog. Den hatte sie schon vor dem Besuch in der Wohnung über Google Earth im Internet erspürt. Die Beraterin sagt vor Ort, sie spüre den Elektrosmog in der Kehle. Eine Aussage, die Physiker überrascht: Menschen sind eigentlich nicht in der Lage, elektromagnetische Strahlung zu spüren - unabhängig von der Frage, ob sie schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit hat.

Das Mittel zur Abwehr des angeblich so gefährlichen Elektrosmogs ist dann ganz einfach: ein rundes, buntes Pappbild, mit einem auf die Mitte zentrierten Muster, die so genannte "Blume des Lebens" - für sechzehn Euro.

Anschließend gibt auch die zweite Feng-Shui-Beraterin Gestaltungstipps. Anders als der erste Berater, empfiehlt sie als Wandfarbe nicht Gelb, sondern Apricot. Außerdem soll der Spiegelschrank abgehängt werden, weil er angeblich das Qi durcheinander bringe, das zur Tür hineinkomme. Die Beratung kostet insgesamt 215 Euro. Ein hoher Preis dafür, dass die Schlafprobleme der Probandin nach beiden Beratungen unvermindert fortbestanden.

Wie wird man Moos los?

Die meisten Gartenliebhaber wünschen sich einen Rasen wie einen Teppich: dicht und saftig grün. Doch in vielen Gärten ist nicht der Rasen dicht und grün, sondern das Moos. Wie wird man das am besten wieder los?

Im Baumarkt gibt es für solche Fälle Moos-Entferner. Allerdings steht der in einem abgeschlossenen Schrank, den nur Verkäufer öffnen dürfen, und das auch erst nach Beratung. In vielen Baumärkten wird deshalb zum vermeintlich harmlosen Rasendünger geraten. Der steht nicht im Giftschrank, sondern im offenen Regal und erweckt nicht den Eindruck, dass er Moos töten würden, sondern vielmehr, dass er die Rasengräser stärkt.

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Rasendünger sind oft gefährlich. Hersteller verschweigen das.

(Foto: NDR)

Die Überraschung birgt das Kleingedruckte. Sowohl im Moosentferner aus dem Giftschrank als auch im Rasendünger aus dem offenen Regal ist der Wirkstoff Eisen-II-Sulfat. Der Stoff hat es in sich, wie das Sicherheitsdatenblatt eines Düngers verrät: Für das Ausbringen des Düngers sind Schutzbrille, Handschuhe, Schutzanzug und feste Schuhe erforderlich. Ein Liege- und Spielrasen darf nach der Behandlung mit Eisen-II-Sulfat erst nach Bewässerung und Abtrocknen wieder genutzt werden. Der Eisendünger reizt Haut und Augen, beim Einatmen auch die Lunge und kann bei Verschlucken im schlimmsten Fall tödlich sein.

Wieso aber wird ein und derselbe Wirkstoff im selben Baumarkt so unterschiedlich behandelt? Für Rasendünger gelten andere Gesetze als für Moosentferner. Letzterer gilt als Herbizid, also als Unkrautvernichter und fällt in den Bereich des Pflanzenschutzgesetzes. Demzufolge müssen Pflanzenschutzmittel unter Verschluss gehalten werden. Der Rasendünger dagegen fällt unter die Düngeverordnung und darf deshalb frei verkauft werden.

Bei sachgerechter Verwendung führen weder Moosentferner noch Rasendünger mit Wirkstoff Eisen-II-Sulfat direkt zu Gesundheitsgefährdung. Viele Privatgärtner wollen aber ohne Chemiekeule auskommen - vor allem, wenn Kinder barfuß auf dem Rasen spielen.

Tatsächlich kann man das Moos auch ohne Gift wieder los werden. Dafür muss der Rasen vertikutiert, also belüftet werden, das stärkt die Gräser. Anschließend verhelfen etwas Kompost und - falls der Boden zu sauer ist - ein bisschen Kalk dem Rasen zu einem saftigen Grün. Nachteil eines gesunden Rasens: Er wächst im Sommer stark und muss häufig gemäht werden.

Bonbons für die Schönheit

Functional Food, also Essen mit Zusatznutzen, ist berüchtigt: probiotischer Joghurt für die Darmflora, cholesterinsenkende Margarine oder Omega-3-Brot zur Senkung des Herzinfarkt-Risikos. Der jüngste Trend der Lebensmittelindustrie ist so genanntes "Beauty Food". Eines der ersten Beauty Food-Produkte auf dem deutschen Markt sind die Beauty Sweeties, also "Schönheitssüßigkeiten". Konkret handelt es sich um Fruchtgummi-Bonbons in Herz-Form.

Beauty Food ist für die Hersteller aus Werbegründen interessant. Denn bei Werbeaussagen zu Gesundheitswirkungen sind die Grenzen eng. Die so genannte "Health Claims"-Verordnung, ein EU-Gesetz zu gesundheitsbezogenen Werbeaussagen, regelt nämlich eindeutig, was erlaubt ist und was nicht.

Grundsätzlich dürfen Unternehmen mit gesundheitsbezogenen Aussagen werben, wenn diese wissenschaftlich belegt sind. Wenn Firmen aber Schönheit statt Gesundheit versprechen, sind die gesetzlichen Regelungen schwach.

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"Beauty Sweeties" sollen Verbraucher schön machen.

(Foto: NDR)

Erfinder der "Beauty Sweeties" bewerben die Inhaltsstoffe ihrer Bonbons: Coenzym Q10 etwa sollte freie Radikale neutralisieren und dadurch den Alterungsprozess der Haut verlangsamen. Aloe Vera soll das Immunsystem fit machen, Kollagen das Gewebe elastisch halten.

Wissenschaftlich eindeutig belegt sind diese Aussagen nicht. Noch dazu sind die Inhaltsstoffe, die angeblich so positive Auswirkungen haben, nur zu homöopathischen Dosen in den Bonbons enthalten - nämlich zu 0,015 Prozent. Damit ist eine Wirkung der vermeintlich schönheitsfördernden Inhaltsstoffe ausgeschlossen. Patienten, die tatsächlich an nachgewiesenem Q10-Mangel leiden - was äußerst selten vorkommt - müssten täglich 1000 bis 2000 Packungen Beauty Sweeties verspeisen, um den Mangel auszugleichen, sagt Ernährungsmediziner Matthias Riedl.

Die Bonbons enthalten aber zu fast fünfzig Prozent Zucker, wie alle anderen Fruchtgummi-Bonbons auch. Bei übermäßigem Verzehr macht Zucker bekanntlich nicht schön, sondern dick.

Die Wettbewerbszentrale in Frankfurt am Main hat deshalb die Werbeaussagen abgemahnt. Und hat so erreicht, dass die Erfinder der Beauty Sweeties eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben haben. Auf Nachfrage haben sie außerdem zugegeben, es gehe beim Verzehr der Bonbons "in erster Linie um den Genuss und nicht um die Wirkung".

Die Werbeversprechen sind inzwischen aus dem Internet verschwunden. Doch die manipulative Kraft des Namens "Beauty Sweeties" bleibt: zwar glaubt kaum ein Käufer wirklich, dass die Bonbons wirklich schöner machen. Aber es wird suggeriert, dass die Beauty Sweeties weniger schädlich sind als andere Bonbons. Das stimmt aber nicht. Sie sind nur teurer: Die Süßigkeiten kosten mehr als dreimal so viel wie gewöhnliche Fruchtgummis.

Kaum gekauft – schon kaputt

Manchmal ist es wie verhext - kaum ist die Garantiefrist abgelaufen, ist das Gerät kaputt. Nur ein Zufall? In vielen Fällen vielleicht. Möglich aber auch: Das Gerät geht kaputt, weil ein Hersteller es so will.

Fernseher, Waschmaschinen oder Smartphones, die ewig halten und sich auch gut reparieren lassen, sind zwar schön für Verbraucher und Umwelt, nicht aber für Hersteller und Händler. Der Verdacht liegt nahe, dass in manche Produkte absichtlich Sollbruchstellen eingebaut werden, um die Lebensdauer der Geräte zu verkürzen. "Geplante Obsoleszenz", also das Veralten von Produkten, heißt diese Produktstrategie und ist keineswegs neu.

Berühmt geworden ist das sogenannte "Glühbirnenkartell" von 1924, in dem namhafte Hersteller die Brenndauer einer Glühbirne auf 1000 Stunden begrenzten - das steigerte den Absatz der Produkte und den Umsatz der Unternehmen. Hersteller, die gegen die Absprachen handelten, deren Glühbirnen also länger brannten als 1000 Stunden, mussten eine Geldstrafe zahlen.

Heute reden alle von Nachhaltigkeit und Müllvermeidung, gleichzeitig werden Lebenszyklen von Produkten immer kürzer, viele Gebrauchsgegenstände gehen nach wenigen Jahren kaputt.

Ein Beispiel sind Waschmaschinen. Heinrich Jung, "Waschmaschinendoktor" vom Reparatur-Dienst Blitzblume Ingelheim hat beobachtet, dass Waschmaschinen-Heizungen früher im Schnitt fünfzehn Jahre hielten. Die neue Einheitsheizung dagegen macht oft schon nach fünf bis sechs Jahren schlapp. Interessant dabei: das neue Modell ist fast doppelt so teuer wie das alte.

Anderes Beispiel: Fernseher. Harald Rudelt repariert sie schon seit vielen Jahren. Auch er schildert ein ähnliches Bild wie bei den Waschmaschinen. Omas Röhrenfernseher hielt oft zehn bis fünfzehn Jahre, manchmal sogar noch länger. Die schicken Flachbild-Fernseher dagegen sind oft schon nach vier bis fünf Jahren hinüber. Der Grund dafür: die Netzteile gehen kaputt. Das wiederum liegt häufig an der schlechten Qualität der sogenannten Elkos, der Elektrolytkondensatoren, die in den Fernsehern verbaut sind.

Dabei ist es möglich, bessere Elkos zu bauen. Das zeigen Beispiele aus der Medizinelektronik, wo Elkos nicht kaputt gehen dürfen. Doch für die Hersteller hat der Einbau schlechter Elkos einen konkreten Nutzen. Da die meisten Servicedienste nicht nur die Elkos, sondern gleich das ganze Netzteil auswechseln, wird die Reparatur teuer: um die 200 Euro. Da kaufen viele Verbraucher lieber gleich einen neuen Fernseher.

Die schlechte Qualität der verbauten Teile ist aber nicht die einzige Ursache für die kurze Lebensdauer der Produkte. Oft gibt es keine Ersatzteile. Wenn Modellzyklen nur noch wenige Monate dauern, sind Komponenten für ein nur wenige Jahre altes Gerät nicht verfügbar - statt repariert wird der Fernseher weggeworfen.

Verbraucher können mangels Alternative nur schwer gegen den Wegwerfwahn vorgehen. Umweltschützer und Fachleute von Reparaturdiensten fordern, dass die Garantiefristen per Gesetz heraufgesetzt werden. So müssten sich Hersteller um längere Haltbarkeit bemühen und würden dafür qualitativ hochwertigere, möglicherweise auch teurere Komponenten verbauen.

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