Tatort Geldautomat:Prekäres Hase-und-Igel-Spiel

Bei der Manipulation von Geldautomaten sind Betrüger enorm kreativ: Manche Preller brauchen nur eine Minute, um ihre Attrappen zu installieren. Die Banken kontern mit besserer Sicherheitstechnik, doch auch diese wird im Laufe der Zeit geknackt.

H. Freiberger, Frankfurt

Die deutschen Privatbanken haben im letzten Jahr einen großen Teil ihrer Geldautomaten aus Sicherheitsgründen ausgetauscht. Der Schritt war nötig, weil alte Geräte sehr anfällig sind für den Betrug durch Skimming. Dabei montieren Banditen vor den Kartenschlitz eine Attrappe, die Daten vom Magnetstreifen der Debitkarte (früher EC-Karte) kopiert. Gleichzeitig filmt eine Kamera die Eingabe der Geheimzahl. Danach heben die Betrüger mit den ausspionierten Daten im Ausland Geld vom Konto des Kartenbesitzers ab.

Kriminalität mit Geldkarten

Ein Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA) zeigt wie die Zahlungskartenkriminalität beispielsweise funktioniert: Eine Ableseeinheit im Kartenschlitz liest die die Daten auf der Karte aus.

(Foto: dpa)

Der Schaden durch Skimming in Deutschland ist im vergangenen Jahr extrem gestiegen - von zuvor 40 Millionen auf 60 Millionen Euro. Das Bundeskriminalamt (BKA) registrierte fast 3200 Angriffe auf Geldautomaten; im Vorjahr waren es gut 2000 gewesen. 300.000 Karten mussten Banken und Sparkassen vorsorglich sperren, weil Geldautomaten manipuliert worden waren.

Besonders betroffen von den Skimming-Attacken waren die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Berlin, Baden-Württemberg. Einziger Trost für die Opfer: Sie müssen für den Schaden des Betrugs nicht aufkommen, die Banken erstatten allen betroffenen Kunden das Geld.

Ein Detail, das das BKA am Dienstag bekannt gegeben hatte, erregte auch am Tag danach noch die Gemüter. Demnach spitzte sich die Lage Anfang des vergangenen Jahres stark zu. Nach sechs Monaten hatten die Kriminaler schon so viele Skimming-Fälle registriert wie im ganzen Jahr davor.

Deshalb mussten die Banken offensichtlich schnell reagieren und alte Geräte ersetzen. Im zweiten Halbjahr ging die Zahl dann deutlich zurück. Der Hauptgrund für das BKA: "Eine bundesweit vertretene Bank, die besonders häufig betroffen war, hat mehrere hundert Geldautomaten älterer Bauart ausgetauscht, die besonders anfällig für Manipulationen waren."

Besonders die großen Privatbanken waren offenbar davon betroffen. Sie haben sich in der "Cash-Group" zu einem Verbund zusammengeschlossen, in dem das Geldabheben für Kunden jeweils anderer Institute kostenlos ist. 2500 der insgesamt 9000 Geldautomaten der Cash-Group seien im letzten Jahr ersetzt worden, also mehr als jedes vierte Gerät, berichtete die Financial Times Deutschland.

Allein bei der Deutschen Bank seien 1200 Automaten ausgetauscht worden. Diese wollte das Thema nicht weiter kommentieren und verwies dabei auf die Sicherheitsrelevanz des Themas. Eine Sprecherin der Commerzbank erklärte, 2010 seien mehrere hundert Geldautomaten ersetzt worden, aber nicht nur wegen des Skimming-Themas, sondern weil man das Netz grundsätzlich modernisiert habe.

Postbank und Hypovereinsbank gaben an, sie hätten nicht überdurchschnittlich viele Geräte ausgetauscht. "Ein Automatentausch ist etwas durchaus Normales", sagte ein Sprecher des privaten Bankenverbandes. Er könne nicht bestätigen, dass im vergangenen Jahr fast ein Drittel der Geräte ausgetauscht worden sei.

Die Geldhäuser reden nicht gern über Skimming, weil sie Angst haben, es könnte Kunden verschrecken. In Sicherheitskreisen herrscht nach Informationen der SZ darüber großer Unmut. "Statt das Thema verschweigen zu wollen, sollten die Banken lieber offensiv damit umgehen und zeigen, wie sie in Sicherheit investieren", sagte ein Experte.

Die Methoden werden immer ausgefallener

Man könne schwer unter den Tisch kehren, dass sich Skimming zu einem großen Problem entwickelt habe. Die Methoden der Betrüger, die häufig aus Osteuropa kommen, werden immer ausgefeilter. Selbst für Fachleute ist es oft schwer, die Attrappen vor den Geräten auf den ersten Blick zu erkennen.

Die neuen Automaten sind jedenfalls weniger anfällig für die Betrug. Sie verfügen über spezielle Sicherheitsvorkehrungen gegen Skimming-Attacken. So gibt es eine eigene Software, die erkennt, ob sich ein Betrüger an einem Automaten zu schaffen macht, oder Störsender, die verhindern, dass eine Attrappe Daten vom Magnetstreifen einer Karte ablesen kann.

Doch im Grunde sei es "ein Hase-und-Igel-Spiel", sagt der Experte. Die Betrüger fänden immer wieder neue Wege, um die Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. Deshalb reiche es auch nicht, nur die Geldautomaten zu ersetzen.

In Medienberichten hieß es, besonders der Geldautomaten-Hersteller Windorf-Nixdorf sei von der Austauschaktion betroffen. Die Aktie des Unternehmens war nach einer Gewinnwarnung in der vergangenen Woche um fast 14 Prozent abgestürzt.

Wincor-Nixdorf hat nach eigenen Angaben bei Geldautomaten in Deutschland einen Marktanteil von 65 Prozent. Das Unternehmen wollte dazu nichts sagen, offenbar um seine Kunden nicht zu verärgern. Der Zusammenhang mit einem gefallenen Aktienkurs wäre ngewöhnlich, weil das Unternehmen eher profitiert, wenn es neue Geräte verkauft.

Nach SZ-Informationen sind nicht nur Geräte von Wincor-Nixdorf betroffen. Auch alte Geräte anderer Hersteller wie IBM oder NCR seien anfällig für Skimming und hätten ausgetauscht werden müssen. Die meisten Banken hätten auch nicht nur Geräte eines Herstellers, weil man sich nicht in Abhängigkeit eines Lieferanten begeben wolle.

Warum waren Großbanken zuletzt stärker von Skimming betroffen als kleinere Institute wie Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken? Ein Sicherheitsexperte führt das darauf zurück, dass sich die Betrüger besonders Geldautomaten aussuchen, an denen viel Kundenverkehr herrscht, zum Beispiel in Fußgängerzonen von Städten.

Dort seien die Privatbanken stärker als Sparkassen und Volksbanken. Wenn die Großbanken ihre Automaten nun umgerüstet haben und Betrug dadurch schwieriger geworden ist, könnte sich das bald ändern. "Die Täter sind schnell und flexibel, ist ein Feld abgegrast, wechseln sie sofort auf das nächste", warnt der Sicherheitsmann.

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