Tag des offenen Denkmals:Geschichte zum Anfassen

Am 13. September sind 7700 Objekte in ganz Deutschland zu besichtigen. Das Motto lautet "Handwerk, Technik, Industrie". Viele Häuser sind noch bewohnt.

Von Ingrid Weidner

Ein Wasserkraftwerk in Passau, ein Winzerhof in Franken, stillgelegte Zechen im Ruhrgebiet oder eine ehemalige Waffen- und Munitionsfabrik in Karlsruhe, die heute als Zentrum für Medientechnologie genutzt wird - all diese Objekte präsentieren sich am diesjährigen "Tag des offenen Denkmals" den Besuchern. In Gelsenkirchen erlaubt die Stadtverwaltung den Bürgern, mit dem Paternoster bis zum Rathausturm zu fahren und die Aussicht zu genießen. In der gesamten Bundesrepublik stehen die Türen von etwa 7700 Denkmälern offen. Doch selbst eifrige Besucher müssen sich am Sonntag, den 13. September, entscheiden, welche Attraktionen sie besichtigen möchten, denn allein in Bayern präsentieren sich um die 800 Denkmale.

Besonders viele Industriedenkmäler gibt es in Nordrhein-Westfalen

Das diesjährige Motto "Handwerk, Technik, Industrie"‟ spannt einen weiten Bogen und lässt Eigentümern und Veranstaltern viel Freiraum, welche Denkmäler sie dem Publikum präsentieren - eine große Chance für Wissbegierige, denn während des Jahres können viele Objekte nicht besichtigt werden, weil beispielsweise noch ein stimmiges Konzept fehlt oder es der bauliche Zustand nicht erlaubt. Besonders reich an neueren Industriedenkmälern ist Nordrhein-Westfalen mit seinen circa 400 ehemaligen Zechen und mehr als 1000 Förderschächten für Kohle. Neben der als Unesco-Weltkulturerbe besonders bekannten Zeche Zollverein in Essen gibt es viele weitere Zeugen einer wichtigen Epoche der Industriegeschichte im Ruhrgebiet. Die 1995 gegründete "Stiftung Industriedenkmalpflege"‟ in Dortmund betreut an zwölf Standorten stillgelegte Industrieanlagen, neben Zechen und einer Kokerei kümmert sich die Stiftung auch um den sogenannten Ahe-Hammer, einem frühindustriellen Hammerwerk in Herscheid, dessen Sanierung zwar noch nicht ganz abgeschlossen ist, doch am Tag des offenen Denkmals öffnet die ehemalige Schmiede ihre Türen.

Haus Möggenried

Auch die frühere Nagelschmiede in Sonthofen kann am "Tag des offenen Denkmals" besichtigt werden.

(Foto: Franz Möggenried)

Dass Arbeiten und Wohnen unter einem Dach funktionieren, bewiesen über die Jahrhunderte viele Handwerkshäuser. Erst mit der Industrialisierung wurde eine räumliche Trennung notwendig. Im Ahe-Hammer beispielsweise sehen die Besucher, wie dort auch eine Schreib- und Schlafstube für die Schmiede untergebracht war. Wie Wohnen und Arbeiten unter einem Dach gelang, zeigt auch eine ehemalige Nagelschmiede in Sonthofen im Allgäu. Im Ort unter dem Namen Möggenried-Haus bekannt, wurde das Gebäude über die Jahrhunderte für unterschiedliche handwerkliche Zwecke genutzt. Forschungen ergaben, dass die ehemalige Nagelschmiede um das Jahr 1586 erbaut wurde und somit das älteste, noch existierende Gebäude im Ort ist.

Die wechselvolle Geschichte versucht der jetzige Eigentümer Franz Möggenried seit vielen Jahren zu recherchieren. Sein Großvater erwarb das stattliche Haus 1913 und richtete in der ehemaligen Schmiede eine Schreinerwerkstatt ein, die er bis zu seinem Tod 1949 fortführte. Der Vater von Franz Möggenried, ebenfalls ein gelernter Schreiner, übernahm den Handwerksbetrieb nicht. Ein Onkel lebte noch bis 1964 im Haus, anschließend wurde das Anwesen von einer Erbengemeinschaft verkauft. Der neue Eigentümer ging nicht besonders pfleglich damit um, seit 1986 stand das Gebäude leer, und wie viele Denkmale sollte es wegen seines schlechten Zustands abgerissen werden. Doch als es Franz Möggenried zum Kauf angeboten wurde, erwarb er 2006 das heruntergekommene Anwesen. "Es hat einen nostalgischen Wert für die Familie"‟, sagt der 59-Jährige. Die Möggenrieds packten gemeinsam an und befreiten das Haus vom angesammelten Müll. "Wir haben zugenagelte Fenster freigelegt und 100-Liter-Ölfässer entsorgen müssen", erinnert er sich. Zahlreiche Untersuchungen zur Historie des Gebäudes und Statik fanden in den vergangenen Jahren statt. Mit dem Tod des verantwortlichen Architekten Claudio Ritter im Herbst 2012 erlebte das Projekt einen herben Rückschlag.

Tag des offenen Denkmals

Seit 1993 öffnen jedes Jahr am 2. Sonntag im September bundesweit mehrere tausend historische Gebäude oder Ausgrabungsstätten ihre Tore für Besucher. Diesmal beteiligen sich allein in Bayern mehr als 800 Objekte, deutschlandweit sind es mehr als 7700 Denkmäler in 2500 Städten. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wählte das Motto "Handwerk, Technik, Industrie". In Führungen berichten Denkmalpfleger an konkreten Beispielen über die Aufgaben und Tätigkeiten der Denkmalpflege. Archäologen, Restauratoren und Handwerker demonstrieren Arbeitsweisen und -techniken. Ziel ist es, die Öffentlichkeit für die Bedeutung des kulturellen Erbes zu sensibilisieren und Interesse für die Belange der Denkmalpflege zu wecken. Der Tag des offenen Denkmals ist der deutsche Beitrag zu den "European Heritage Days", die unter der Schirmherrschaft des Europarats stehen und mittlerweile in allen europäischen Ländern im September und Oktober stattfinden.

Website: http://tag-des-offenen-denkmals.de/programm/

Franz Möggenried und seine Familie möchten das Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich machen, deshalb soll es weder ein reines Wohnhaus noch ein Museum werden. Seit einigen Jahren diskutiert die Familie mit interessierten Bürgern und stellt Ideen und die Geschichte des Hauses auf der Website www.moeggenried.de vor. Als tragfähigen Zukunftsplan favorisiert der Eigentümer eine Gaststätte oder ein Weinlokal. Die Kosten für die Sanierung schätzen Experten auf 1,3 Millionen Euro. Eine Summe, die die Familie keinesfalls alleine stemmen kann. "Ich könnte mir vorstellen, nur einen Teil zu sanieren und den Rest im ursprünglichen Zustand zu belassen", sagt Möggenried. Doch noch sei es zu früh, sich nach Investoren und Fördertöpfen umzusehen, denn die Voruntersuchungen und Planungen seien noch nicht abgeschlossen.

Möggenried bringt eine wichtige Eigenschaft von Denkmaleigentümern mit, nämlich Geduld. "Es gab immer wieder Rückschläge, das ist eine unendliche Geschichte.‟ Doch aufgeben möchte er das Projekt auf keinen Fall und bereut habe er den Kauf auch nicht, wie er beteuert. Ihm sei es wichtig, etwas weiterzuführen, das fest mit dem Familiennamen verbunden ist. Am Tag des offenen Denkmals hofft die Familie auf viele Besucher, auch weitere Ideen zur Nutzung sind willkommen.

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