SZ-Serie: Schatzsucher (VI):Die magische Insel

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Weit draußen im Pazifik sollen mehrere Seeräuber und Meuterer ihre Beute versteckt haben. Ein eingetragener Verein aus Berlin sucht danach mit Metalldetektoren.

M. Völklein

Wo sonst, wenn nicht hier liegt ein Schatz? Vielleicht direkt unter dem weißen Traumstrand? Oder vergraben im Unterholz? Gar tief im Innern einer der zahlreichen Basalthöhlen? 500 Kilometer entfernt vom nächsten Festland, mitten im Pazifik, liegt die Kokosinsel. Zwei Tagesreisen weg von Costa Rica, dem Land, zu dem sie gehört. Das Eiland ist der Prototyp einer Schatzinsel. Drei Seeräuberschätze sollen auf ihr vergraben liegen. Und für den Roman "Die Schatzinsel" von Robert Louis Stevenson soll sie die Vorlage gewesen sein.

Folge IV der SZ-Serie Schatzsucher: Die Kokosinsel (Foto: Grafik: SZ)

Freunde mit Leidenschaft

Kein Wunder also, dass Cocos Island, wie die Briten sie nennen, Schatzsucher magisch anzieht. So auch den Berliner Wolfgang Lietz. Viermal war der 60-Jährige schon auf Kokos. Gefunden hat er zwar keinen Schatz. Dafür aber Freunde, die seine Leidenschaft fürs Schätzesuchen und -finden teilen. Freunde, mit denen er einen Schatzsucherclub gegründet hat. Der nennt sich, klar, Cocos e.V.

Die Insel zog schon früh Seeräuber und Freibeuter an. Süßwasser gab es dort, zudem lag sie günstig an den Routen der Handelsschiffe. Seit dem 17. Jahrhundert campierten regelmäßig Piraten auf der Insel. Unter ihnen auch Edward Davis, Anführer einer ganzen Piratenflotte. Die kreuzte vor der Pazifikküste Mittel- und Südamerikas, machte Jagd auf die Gold- und Silbertransporte der Spanier. Zudem überfiel Davis 1685 die Stadt León in Nicaragua, er kaperte im selben Jahr mehrere spanische Schiffe und soll seine Beute in die Chatham-Bucht auf der Kokosinsel gebracht haben. Allein 733 Barren pures Gold soll Davis dort vergraben haben. Gefunden wurde es bis heute nicht.

Auch nicht von den Schatzsuchern des Cocos e.V. aus Berlin. Mitte der 80er Jahre reiste Lietz erstmals auf die Insel. Vorher war ihm durch Zufall eine Karte in die Hände gefallen. Während eines Aufenthalts in Südafrika fand er im Nachlass eines Walfängers eine Karte von der Kokosinsel, darauf vermerkt waren einige Kreuze. Von da an war Lietz im Schatzsucherfieber. Viermal waren er und seine Schatzsucherkollegen seitdem auf der Insel. Gefunden haben sie bisher nichts, außer ein paar Küchengeräten, Hinterlassenschaften von Siedlern.

Auch nicht den Kirchenschatz von Lima. Der soll ebenfalls auf der Insel versteckt sein. Genau genommen handelt es sich bei dem Schatz nicht um die Hinterlassenschaften einer Piratenbande; es geht um Krieg, Flucht und Vertreibung. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhoben sich die spanischen Kolonien in Mittel- und Südamerika gegen die Eroberer. Es kommt zu Kämpfen und Aufständen. Als die Rebellen 1821 vor Lima stehen, versuchen reiche Familien und die Kirche, ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen. In den Kisten befinden sich nicht nur Kunstwerke aus Gold und Silber, Juwelen und Schmuck; auch eine Madonna aus purem Gold soll darin sein, besetzt mit 1684 Edelsteinen.

Die Kokosinsel im Pazifik: Wegen der Süßwasservorkommen und der günstigen Lage diente die Insel über Jahrhunderte Piraten und Freibeutern als Basis. Mindestens drei wertvolle Schätze sollen dort noch immer vergraben sein. (Foto: Foto: oH)

Fündig geworden - aber nicht auf der Insel

Verladen wurden die Kisten auf ein schottisches Schiff; dessen Besatzung allerdings meuterte und den Kapitän zwang, die Kokosinsel im Pazifik anzulaufen. Dort versteckten die Seefahrer den Schatz. Doch kurz darauf stellte die spanische Marine die Meuterer, knüpfte die Mannschaft auf und brachte den Kapitän und den ersten Offizier zurück auf die Insel. Beide konnten im dichten Unterholz entkommen - die Spanier suchten vergebens. Doch auch Kapitän und erster Offizier konnten den Schatz nie heben. Der erste Offizier starb bald, der Kapitän flüchtete nach Kanada. Mehrmals versuchte er, eine Expedition auf die Beine zu stellen. Doch dies gelang nie.

So machten sich zahlreiche Schatzsucher auf den Weg. Darunter auch Wolfgang Lietz und seine Freunde vom Berliner Schatzsucherverein. Zwei Tiefensonden, jede kostet etwa 2500 Euro, haben sich die Vereinsmitglieder zugelegt. Die Detektoren spüren Metall auch unter fünf Metern Erdreich auf.

Fündig wurden Lietz und seine Freunde vom Schatzsucherclub bisher schon mehrmals. Allerdings nicht auf der Kokosinsel, sondern in Deutschland. Im einstigen Bunker von Nazi-Größe Hermann Göring in Carinhall in der Schorfheide in Brandenburg gruben die Cocos-Mitglieder eine Säule aus, die ursprünglich den Eingangsbereich von Görings repräsentativem Anwesen schmückte. Die Säule stifteten sie dem örtlichen Heimatmuseum. "In den Trümmern von Carinhall sind sicher noch viele Kunstschätze, die Göring nicht wegschaffen konnte", glaubt Lietz. Er sucht weiter.

Er tut es besonders dann, wenn ihn jemand mit einer Suche beauftragt. 1996 sollten die Cocos-Leute in Mecklenburg-Vorpommern den Schatz einer Grafenfamilie ausheben. Die hatte in den Kriegswirren wertvolles Tafelgeschirr aus Gold und Silber vergraben. Mit ihren Metalldetektoren wurden die Berliner Schatzsucher nach nur einem Tag fündig. "Das war der bisher größte Fund unserer Vereinsgeschichte", sagt Lietz stolz.

Karges Leben

Nach den Schätzen auf der Kokosinsel allerdings suchten Lietz und seine Freunde bislang vergebens. Aufgeben wollen sie aber nicht, auch wenn die Regierung von Costa Rica die Insel mittlerweile zum Naturschutzgebiet erklärt und die Schatzsuche stark eingeschränkt hat. Sie hoffen, dass es ihnen nicht ergeht wie August Gissler, der zwei Jahrzehnte lang suchte und bis auf sechs Goldmünzen nichts fand - auch nicht sein Glück. Von 1889 bis 1902 lebte der Deutsche auf der Kokosinsel. Auch er kommt durch Zufall in den Besitz zweier Schatzkarten und ist sofort besessen von der Idee, einen Schatz aufzuspüren - neben dem Kirchenschatz und der Davis-Beute auch die sieben Tonnen Gold, die der Pirat Bennet Grahame vergraben haben soll.

Gissler führt ein karges Leben voller Entbehrungen, Unterstützer vom Festland finanzieren seine Suche. Er gründet sogar eine Kolonie, holt Siedler nach Kokos. Doch fernab der Zivilisation scheitert das Projekt, die Siedler verlassen nach und nach die Insel wieder. Auch Gissler selbst gibt irgendwann auf. Mit seiner aus den USA stammenden Frau zieht er 1902 nach New York. Dort stirbt er 1935, völlig verarmt. Die Schätze der Kokosinsel - sollten sie wirklich dort liegen, müssen sie andere bergen.

© SZ vom 08.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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