Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Schatzsucher:Ganz tief unten

Greg Stemm gehört zu den mehr als hundert Unternehmern, die professionell Schiffswracks aufspüren. Ein Jahrzehnt suchte er nach der versunkenen SS Republic - dann gelang ihm die Sensation.

Silvia Liebrich

Langsam gleitet die Kamera über den Meeresboden. Das Wasser ist trüb. Verwitterte Holzstücke ragen hie und da aus dem Sand. Das Objektiv nähert sich den schemenhaften Umrissen eines verwitterten Ankers. Die nächste Szene zeigt einen großen Haufen Münzen.

Einzelnen Stücke werden vom Greifarm eines Roboters vorsichtig von Sand befreit und in einen weißen Plastikbehälter bugsiert. Was hier scheinbar wahllos verstreut über den Meeresboden liegt, sind die Überreste des großen Raddampfers SS Republic, der zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkriegs zwischen New York und New Orleans verkehrte.

Wo genau diese Aufnahmen gemacht wurden, weiß außer der amerikanische Firma Odyssey Marine Exploration niemand so ganz genau. Der genaue Fundort zählt zu den gut gehüteten Geheimnissen des börsennotierten Bergungsunternehmens, das sich auf die Suche von Schiffswracks spezialisiert hat.

Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Mit der Entdeckung der SS Republic vor sechs Jahren gelang Odyssey ein großer Treffer. Als der Raddampfer am 18. Oktober 1865 von New York zu seiner letzten Reise aufbrach, hatte er wertvolle Ladung an Bord: Gold- und Silber-Münzen, die heute einen Wert von 75 Millionen Dollar haben. Ziel war der Hafen von New Orleans.

Doch fünf Tage nach der Abreise geriet das Schiff vor der Küste von North Carolina in einen schweren Hurrican. Zwei Tage und Nächte kämpfte die Mannschaft verzweifelt gegen den Sturm, bevor sie den Dampfer aufgab.

Für Odyssey-Mitbegründer Greg Stemm war es die Suche nach der Nadel im Heuhaufen: "Ich habe ein Jahrzehnt gebraucht, um die SS Republic zu finden", sagt er. Ein Vorhaben, das ohne den Einsatz von hochmoderner Ausrüstung undenkbar wäre.

Mehr als 2500 Quadratkilometer Meeresboden suchten die Spezialisten des Unternehmens ab, bevor sie in 500 Metern Tiefe fündig wurden. Dort kommt nur ein Tauchroboter hin. Rasch kursierten Gerüchte, der Schatz im Bauch des Wracks sei 500 Millionen Dollar wert, eine Summe die sich als viel zu hoch gegriffen erwies.

Schwarze Schafe

Odyssey arbeitet bei der Schatzsuche mit Archäologen zusammen. Man will sich nicht dem Vorwurf der Plünderei aussetzen. Doch das ist nicht unbedingt üblich in der Branche. Die Aussicht auf vermeintlich schnell verdientes Geld lockt viele Glücksritter an. Unter ihnen befinden sich auch schwarze Schafe.

Sie richten großen Schaden an, weil sie etwa beim Heben der Beute rücksichtslos den Fundort verwüsten, der für Archäologen von unschätzbarem Wert ist. Weltweit haben es mehr als hundert Bergungsfirmen auf die versunkenen Reichtümer der Weltmeere abgesehen. Einige sind sogar wie Odyssey an der Börse gelistet.

Doch Suche ist nur für diejenigen ein lukratives Geschäft, die wie Stemm Erfolge vorweisen können. Zwar lagert auf dem Grund der Weltmeere ein unschätzbares Vermögen - die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, kurz Unesco, geht weltweit von etwa drei Millionen Wracks aus.

Viele von ihnen waren voll beladen, mit Gold, Silber, großen Mengen an Porzellan und Kunstgegenständen. Wo genau sie liegen, ist allerdings in den wenigsten Fällen bekannt. Sind einzelne Teile der Ladung aber erst einmal aus der Tiefe geborgen, sind sie bei Sammlern und Museen heiß begehrt.

Die Risiken für die Schatzsucher sind unwägbar. Oft verbringen sie Jahre damit, ein gesunkenes Schiff zu lokalisieren. Schlechtes Wetter oder Ärger mit Behörden, etwa wegen fehlender Genehmigungen, können die Kosten schnell in atemberaubende Höhen treiben.

Hoch riskantes Investment

Es kommt vor, dass Länder Expeditionsschiffe über Monate in ihren Häfen festhalten, weil sie mit den Aktivitäten vor ihren Küsten nicht einverstanden sind. Die Schatzsuche auf dem Meeresgrund kann sich so leicht zu einem hoch riskantes Investment entwickeln.

Nur wenige wie der Tiefsee-Ingenieur Tommy Thompson machen das ganz große Geld. Er hatte sich in den achtziger Jahren auf die Suche nach den Resten der Central America gemacht, die im Jahr 1857 auf der Fahrt zwischen Panama und New York gesunken war - mit mehr als 20 Tonnen Gold an Bord. Thompson konnte den Schatz nicht nur orten, sondern auch heben, was ihm Einnahmen von mehr als einer Milliarde Dollar brachte.

Es ist allerdings längst nicht selbstverständlich, dass die Schätze allein demjenigen gehören, der sie findet. Handelt es sich zum Beispiel um Schiffe, die früher im Dienst ihrer Regierung standen, sei es als Kriegs- oder Handelsschiff, steht deren Ladung auch heute noch dem jeweiligen Land zu. Bergungsunternehmen können dann einen Teil als Finderlohn für sich beanspruchen. Er kann bis zu 90 Prozent vom Wert der geborgenen Ladung einbringen.

Jede Menge Ärger

Die Höhe des Finderlohns ist auch immer wieder Anlass für Streitigkeiten. Auch Odyssey handelte sich deshalb schon eine Menge Ärger ein. Etwa im Fall eines Handelsschiffes, das 1750 zwölf Seemeilen vor der Küste North Carolinas gesunken war. Kaum hatten die Spezialisten von Odyssey das Wrack entdeckt, meldete Spanien seinen Anspruch an, weil es sich angeblich um den spanischen Zweimaster El Salvador handelte.

Noch schwieriger ist die Lage beim britischen Kriegsschiff HMS Victory, ein legendärer riesiger Dreimaster, der 1744 mit vier Tonnen Gold vor der Kanalinsel Alderney sank. Nicht einer der tausend Seeleute an Bord überlebte das Unglück. Odyssey entdeckte das verschollene Wrack 2008. Für Firmen-Chef Stemm einer der spektakulärsten Funde überhaupt. Doch die Verhandlungen über die Bergungsmodalitäten mit der britischen Regierung zogen sich hin. Erst vor zwei Wochen wurde eine Einigung erzielt.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2009/pak
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