SZ-Serie: Reden wir über Geld:"Lugner ist gleich negativ"

Bauunternehmer Richard Lugner erzählt vom Gehalt seiner Geliebten und dass er mit Paris Hilton eine große Begabung teilt: mit Negativwerbung viel Geld zu verdienen.

A. Mühlauer und H. Wilhelm

Richard Lugner empfängt auf der Dachterrasse seines Einkaufszentrums "Lugner City" am Wiener Gürtel. Der 76-Jährige hat sich einst als Baumeister "Mörtel" einen Namen gemacht. Heute steht er vor allem wegen seiner Opernball-Gäste im Rampenlicht. Ein Gespräch über Aufstieg und Fall - geschäftlich wie privat.

SZ: Herr Lugner, reden wir über Geld. Sie waren 29, als Sie ihre Firma gründeten. Woher hatten Sie das Startkapital?

Lugner: Ich hatte eine Tante, die mit Aktien spekulierte. Jeden Samstag hab ich mich mit ihr in der Börsenabteilung der Österreichischen Länderbank getroffen. Dort sind die Aktienspekulanten ein und aus gegangen. Ich erinnere mich noch an eine äußerst attraktive Dame, die sich im Rolls-Royce vorfahren ließ.

SZ: Das hat Ihnen imponiert?

Lugner: O ja, aber das Wichtigste war, dass der damalige Bundespräsident da war. Jeden zweiten Samstag ist Adolf Schärf zum Börsendirektor und dem Oberprokuristen gekommen. Die haben ihm geraten, was er sich kaufen soll. Meine Tante hat dann den Börsendirektor und den Oberprokuristen zum Essen eingeladen. Und ich hab gefragt, welche Aktien der Bundespräsident gekauft hat.

SZ: Und?

Lugner: Das waren meist Papiere von Firmen, an denen die Bank Mitbesitzer war. Ich hab die Aktien am Montag in der Früh gekauft, die Kurse wurden dann von der Börsenabteilung in die Höhe gepflegt. 14 Tage später ist der Bundespräsident wieder gekommen und hat verkauft. Ich wusste das, und hab meine Aktien einen Tag vorher verkauft, um sie zu einem guten Kurs loszuwerden.

SZ: Wie viel haben Sie mit ihren Insider-Informationen verdient?

Lugner: 7000 Euro in einem Jahr. Mit dem Geld aus den Spekulationen hab ich 1962 meine Baufirma gegründet. Seit 1955 gab es den österreichischen Staatsvertrag, seitdem ist die Wirtschaft angesprungen. Die vom Krieg zerstörten Gebäude wurden wiederaufgebaut.

SZ: Was haben Sie genau gemacht?

Lugner: Ich hatte keinen Kran und keinen Bagger wie die großen Baufirmen. Ich hab mich auf das spezialisiert, was kein anderer machte: Wohnungsumbauten vom Generaldirektor sowieso. Es gab ein Buch der 100 reichsten Österreicher, 80 Prozent davon kannte ich persönlich. Und für 60 Prozent hab ich gebaut.

SZ: Wie haben Sie die kennengelernt?

Lugner: Als Baumeister hat man immer mit den Chefs zu tun. Und ich hatte einen guten Namen. Die Leut' haben gesagt: Mit dem Lugner kann man bauen.

SZ: Aber hatten Sie es als 29-Jähriger nicht schwer, die Herren Generaldirektoren zu überzeugen, dass sie ausgerechnet Ihnen vertrauen sollen?

Lugner: Einige haben gesagt: Hören S', was wollen Sie mit der jungen Firma? Aber ich hab ja vorher bei der Mobil, einer Tankstellen-Firma, gearbeitet, und der Direktor ist für mich eingestanden, er hat gesagt: Ich übernehme die Verantwortung, dass der Lugner des zambringt.

Lugner und die Sparsamkeit

SZ: Wie haben Sie damals gelebt?

Lugner: Ich lebte mit meiner ersten Liebe in der Wohnung meiner Mutter. Wenn ich mit meiner Freundin zum Tanzen ausging, haben wir uns jeder nur ein Glas Gin Fizz geleistet. Wir haben dann auf die Uhr geschaut, und uns gesagt, dass wir jede Stunde nur so viel aus dem Glas trinken dürfen, und nicht mehr.

SZ: Woher kam diese Sparsamkeit?

Lugner: Uns blieb nichts anderes übrig. Nach dem Krieg waren wir absolut arm. Mein Vater fiel als Soldat.

SZ: Haben Sie ihren Vater vermisst?

Lugner: Ja, ich war sehr vaterlastig. Ich war zehn Jahre alt, als mein Vater an die Front musste. Im Juni 1943 hab ich das letzte Mal mit ihm gesprochen. Der Briefträger ist da zu uns gekommen, und hat gesagt, ich solle um sechs Uhr abends am Postamt sein. Da hat mich mein Vater angerufen und sich von mir verabschiedet. Er hat mir gesagt, dass er an die Front müsse. Nach Russland.

SZ: An was erinnern Sie sich, wenn Sie an ihren Vater denken?

Lugner: Obwohl ich ihn mit zehn Jahren verloren hab, glaube ich, dass die Gespräche mit ihm Teil meines geschäftlichen Erfolges waren.

SZ: Wie das?

Lugner: Er hat mir gelernt, leistungsbezogen zu denken. Und meine Mutter hat mir aus der Bibliothek immer Bücher von erfolgreichen Leuten mitgebracht: Rockefeller, Siemens. Ich hab das gelesen und Interesse gekriegt, mich selbständig zu machen. Als Angestellter hab ich immer unbewusst einen Vater-Ersatz gesucht - so wie den Generaldirektor von der Mobil, der für mich eingestanden ist.

SZ: Waren Sie ein guter Vater?

Lugner: Vermutlich nicht. Ich hab immer zu viel gearbeitet.

SZ: Sie arbeiteten doch in der Baufirma zusammen mit ihren beiden Söhnen.

Lugner: Mein Fehler war, dass ich nicht rechtzeitig eingriff, als es mit der Firma bergab ging. Die Söhne waren hervorragend, solange sie mit mir zusammen in der Firma waren. Sie sind gute Techniker, aber ich allein deckte den kaufmännischen Bereich ab.

SZ: 1997 haben Sie die Firma ihren Söhnen übergeben ...

Lugner: ... ich war aber leider weiter Eigentümer.

SZ: Leider?

Lugner: Die Söhne haben die Zahl der Mitarbeiter auf dem Bau reduziert, die im Büro aber nicht. Das ging mit einem Riesenverlust zu Ende. Es gab Konkursanträge gegen mich. Mein Eigentum war in Gefahr. Ich musste ein Haus verkaufen, weil es eng wurde.

Teure Scheidungen und der Besuch von Paris Hilton

SZ: Wie hoch waren Sie verschuldet?

Lugner: Weiß ich nicht mehr genau. Ich hab fast fünf Millionen Euro Kredit gekriegt. Und ich hab selber jahrelang wieder hart gearbeitet, um diesen Verlust aufzuholen. War keine leichte Zeit.

SZ: Wo mussten Sie persönlich Einschnitte machen?

Lugner: Naja, ich selber hab weniger ausgegeben. Aber ich war damals mit der Mausi verheiratet, und die war keine Frau, die sich hat einschränken lassen.

SZ: Ihre Frauen dürften Sie ziemlich viel Geld gekostet haben.

Lugner: Ich brems' schon ein bisserl. Aber die Mausi war keine Sparsame.

SZ: Wie teuer waren ihre vier Scheidungen?

Lugner: Es war zum Überleben.

SZ: Na kommen Sie schon, Sie vermarkten doch gnadenlos ihr Privatleben.

Lugner: Es gibt schon Grenzen. Aber leider passieren immer wieder Dinge - gerade jetzt wieder ...

SZ: ... was denn?

Lugner: Ich hab zu meiner letzten Freundin gesagt, sie soll doch von St. Pölten zu mir nach Wien ziehen, dafür zahle ich ihr ein Gehalt. Und ich hab sie darum gebeten, ja niemandem zu sagen, wie viel Geld sie bekommt. Dann rief eine Journalistin an und fragte, ob das mit den 6000 Euro Monatsgehalt stimme. Da hat sie gesagt, sie sagt dazu nichts. Das Ergebnis: Jetzt steht überall, dass ich ihr 6000 Euro zahle. Und die Leute sagen, ich bin ein Trottel, ich zahl' den Frauen zu viel!

SZ: Eben.

Lugner: Es stimmt nicht! Bei mir in der Firma verdient keiner mehr als 5000 Euro. Und sie verdient keine 5000 - jetzt eh nicht mehr, wir haben uns getrennt.

SZ: Haben Sie nie bereut, dass Sie ihre Seele der Öffentlichkeit verkauft haben?

Lugner: Es gab da schon ein paar Momente. Aber die Frage ist doch, wenn man mit seinem Namen Werbung für sein Unternehmen macht, ob man da seine Seele verkauft. Wenn ich wo bin, stürzen sich die Medien auf mich. Ich hab es gelernt, blöde oder freche Antworten zu geben - das schadet überhaupt nicht.

Kein Lugner-Nachfolger in Sicht

SZ: Es stört Sie also nicht, wenn sich alle über Sie lustig machen.

Lugner: Ich bin abgehärtet. Vor ein paar Jahren hatte ich die Paris Hilton zum Opernball da - die macht Negativwerbung. Ganz einfach, weil die Medien negative Geschichten viel lieber bringen als positive. Ich weiß nicht, ob es gestimmt hat, jedenfalls wurde ich angerufen, dass die Paris Hilton zwar in München gelandet sei, aber nicht nach Wien weiterfliegen könne, weil ihr Pass abgelaufen sei. Sie hat pausenlos Dinge in die Öffentlichkeit geblasen, die negativ für sie waren - aber genau das steigert ihren Bekanntheitsgrad. Das finde ich gut.

SZ: Das heißt: Sie sind die Paris Hilton von Wien.

Lugner: Die Paris Hilton macht professionell Werbung. Wenn man will, dass sie in ein Lokal geht, dann muss man halt 10.000 Euro zahlen. Bei mir ist es so: Es gibt jeden Tag fünf Zeitungsartikel, die sich mit mir befassen. Einmal geht es um die Verlugnerisierung der Politik, einmal um "Alles Lugner" statt "Alles Walzer". Lugner ist gleich negativ.

SZ: Und das stört Sie kein bisschen?

Lugner: Na. Als meine dritte Frau bei einer Nasenoperation verstarb, hat das meine Bekanntheit gesteigert. Egal ob Bundespräsidentenwahl oder Opernball - Hauptsache der Name Lugner ist im Gespräch. Das ist eine Strategie, die ich seit 19 Jahren erfolgreich fahre.

SZ: Wer soll Sie denn einmal ersetzen?

Lugner: Meine beiden Söhne haben ja meinen Beruf ergriffen. Und ich leite noch das Einkaufszentrum Lugner City. Aber meine Söhne haben die Baufirma nicht so ideal geführt, und fürs Einkaufszentrum zeigen sie wenig Interesse.

SZ: Warum nicht?

Lugner: Meine Söhne haben sich noch nie einen Vortrag von mir angehört. Und als ich als Bundespräsident kandidiert habe, sind sie nicht zum Wahlkampf gekommen. Hat sie nicht interessiert.

SZ: Es kann sie doch gar keiner ersetzen, weder Ihre Söhne noch irgendwer.

Lugner: Naja, die Gallionsfigur Lugner wird es dann halt nicht mehr geben.

SZ: Wie lange wollen Sie denn noch hier im Einkaufszentrum sitzen?

Lugner: Bis ich umfalle.

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