SZ-Serie: Reden wir über Geld:"Glück ist ein unnatürlicher Zustand"

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Der Kabarettist Josef Hader über Prügel im Internat und warum er als etabliertes Arschloch beschimpft wird.

A. Hagelüken, A. Mühlauer, H. Wilhelm

Noch drei Stunden bis zum Auftritt in München. Genug Zeit, um mit Josef Hader, 46, zu reden. Der österreichische Kabarettist hat eine goldene Kreditkarte in der Hand. Während der Aufführung wird er sie benutzen, um sich eine Linie weißes Pulver zurechtzurichten. Es soll aussehen, als würde er koksen. Aber Hader braucht keine Drogen, um abzugehen. Also los.

Josef Hader: "Wenn ich Geld über habe, dann liegt es herum" (Foto: Foto: oH)

SZ: Josef Hader, reden wir über Geld. Was machen Sie mit Ihrem Einkommen?

Josef Hader: Ich hab' ein Haus im Burgenland gekauft und eine Wohnung in Wien. Und ich habe privat eine recht angeregte Patchwork-Situation, das kostet auch. Wenn ich Geld über habe, dann liegt es herum. Die Bank hat immer angerufen und gesagt, man sollte was anlegen. Ich mach' nix.

SZ: Bei der Bank gibt es den Wettbewerb: Wer knackt den Hader?

Hader: Die haben schon aufgegeben.

SZ: Wenn es herumliegt, verlieren Sie durch die Inflation.

Hader: Ich finde es trotzdem gut, wenn es herumliegt. Geld ist Zeit. Wenn ich Geld auf der Bank habe, kann ich ein Jahr an einem Programm schreiben, ohne sonst was arbeiten zu müssen.

SZ: Fällt es Ihnen schwer, Geld auszugeben?

Hader: Ich hatte immer wenig Bedürfnisse, weil ich auf dem Internat war, im Kloster. Dieses Katholische, dass man frei ist, wenn man wenig Bedürfnisse hat, das kriege ich nicht raus. Nach dem Kloster kam das Studium, das damals ja noch nichts kostete, ich konnte umsonst mit der Straßenbahn fahren und hatte ein Zimmer mit Klo auf dem Gang.

SZ: Nach all Ihren Erfolgen könnten Sie bei den besten Italienern Wiens essen, wann Sie wollen.

Hader: Ich würd' öfter hingehen, wenn nicht bei allen wirklich guten Italienern Wiens so viele unlockere Menschen sitzen würden. Man könnte auch sagen: neureiche Arschlöcher.

SZ: Warum sind Sie als Jugendlicher weg von den Eltern ins Internat?

Hader: Ich wollte nicht primär weg von den Eltern, ich wollte weg von den Kindern in der Grundschule. Die haben mich geschlagen.

SZ: Wurde es im Internat besser?

Hader: Nein. Die Kinder dort haben mich auch geschlagen. Ich dachte bei meinem Wechsel, es würde besser. Das war einfach ein Irrtum.

SZ: Warum schlugen die Sie?

Hader: Ich war sozial unterentwickelt. Ich war so ein Erwachsenen- und Großelternkind, das mit Gleichaltrigen nichts anfangen konnte.

SZ: Klingt schwierig.

Hader: Ich bin zu freundlich, zu nett, ich sag' immer das, was die Leute hören wollen. Seit meiner Kindheit kämpfe ich damit, dass ich mich nicht abgrenzen kann von der Umgebung. Wenn jemand mich richtig manipuliert, mach' ich alles.

SZ: Hm.

Hader: Die Pfarrer im Internat waren aber nicht so schlimm, im Stift Melk waren sie nahezu links. Ich glaube, ich habe die beste Zeit in 2000 Jahren erwischt, um katholisch erzogen zu werden. Damals war die Kirche viel lockerer.

SZ: Wie bitte?

Hader: Als Papst Johannes XXIII. gewählt war, erklärte er den Journalisten: "Ich bin jetzt unfehlbar, aber ich gedenke, keinen Gebrauch davon zu machen." Und alle lachten. Können Sie sich das vom Ratzinger vorstellen?

SZ: Wollten Ihre Eltern verhindern, dass Sie Kabarettist werden?

Hader: Die haben es erst spät erfahren, offiziell studierte ich ja. Dann kam ich ins Fernsehen. Wenn man im Fernsehen ist, bedeutet das nichts. Aber für meine Eltern war es was Großes. Da haben sie leichter geschluckt, dass ich Kabarettist werde. Auch wenn sie zweifelten, dass ich davon leben kann.

SZ: Was bringt ein Auftritt?

Hader: Kleinere Auftritte 600 bis 800 Euro, größere bis 4000, wenn 1000 Leute da sind. Ich spiel' nicht das ganze Jahr.

SZ: Lehnen Sie Auftritte ab?

Hader: Wenn ein mir unbekannter Veranstalter mit einem kleinen Veranstaltungskeller aus der Mitte Deutschlands anruft, lehne ich manchmal ab. Erstens wegen der vielen Kilometer und zweitens: wenn der erst jetzt draufkommt, dass es mich gibt... Dann hab' ich schon gehört, ich sei ein etabliertes Arschloch.

SZ: Sind das so Altlinke mit langen Haaren, die Ihnen vorwerfen, ein Kapitalistenschwein zu sein?

Hader: Nein. Die Alt-68er, die nicht korrupt geworden sind, die sind so selten, die trifft man kaum. (lacht)

SZ: Sie sagten mal über 68er: Menschen, die ständig Leuten mit dem Megafon ins Ohr geschrien haben, die einen Meter neben ihnen standen, das können keine guten Menschen geworden sein. Sind die 68er ein Fehlschlag?

Hader: Ich würde es gerne anhand meines Berufes beschreiben: Dieter Hildebrandt ist für mich glaubwürdiger als viele danach. Ihn und Gerhard Polt finde ich auch glaubwürdiger als mich selber.

SZ: Und glaubwürdiger als die Joschka-Fischer-Generation?

Hader: Ja, wobei ich bei Fischer immer Respekt davor hatte, wie kaltschnäuzig er sich verteidigt. Ich hab' ihn im Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre gesehen. Das war eine großartige Show. Da muss man als Kollege sagen: Hut ab.

SZ: Schauspieler Fischer.

Hader: Er trägt zwei Stunden vor, dann fragt der Vorsitzende, wie lange es noch dauert. Darauf Fischer: "Weiß ich doch nicht. Glauben Sie, ich habe den Text vorher meiner Frau zum Frühstück vorgelesen?" Gescheite Menschen dürfen ruhig ein bissl arrogant sein. Drum ist Helmut Schmidt ja auch so beliebt.

SZ: Wofür ist denn der ganze Ingwer, der da auf dem Tisch liegt?

Hader: Für die Stimme. Das hab' ich vom Sting. Ein Konzertveranstalter in Lienz bekam vom Sting eine 20-seitige Cateringliste. Ganz zum Schluss stand: frischer Ingwer. Er dachte, das zum Schluss wird nicht so wichtig sein und hat getrockneten Ingwer besorgt. Da erklärte der Manager von Sting: Wir sagen den Auftritt ab! Der Veranstalter musste die ganzen 180 Kilometer von Lienz nach Innsbruck, um frischen Ingwer zu holen.

S SZ: Und, hilft's?

Hader: Der Ingwer hilft sehr. Mit meinem Programm "Hader muss weg", wo ich sieben Figuren mit unterschiedlichen Stimmen spiele, fahre ich übers Land wie ein alternder Tenor. Ah, wird die Stimme heute reichen? Allerdings hauen sich die richtigen alternden Tenöre ja Cortisonspritzen in die Oberschenkel.

SZ: In Ihrem Programm machen Sie sich über linksliberale Städter lustig. Also über Ihr eigenes Publikum. Warum?

Hader: Beim Kabarett sollte über die gelacht werden, die im Raum sitzen. Im klassischen Politkabarett wird zu oft über Menschen gelacht, die nicht im Raum sitzen. Meist über Minderheiten wie Politiker, Kardinäle, Faschisten...

SZ: Zu Unrecht verfolgte Minderheiten?

Hader: Nein. Aber was bringt so ein Kabarett? Zuschauer und Künstler bestätigen sich gegenseitig und kommen sich dabei unglaublich mutig vor.

SZ: Im Programm "Bunter Abend" qualifizierten Sie diese Politikerschelte mit dem Satz ab: "Lang schlafen, gut essen, spät sterben - des san Themen."

Hader: Oft dreschen diese Kabarettisten auf alle Politiker ein. Alle sind dumm, alle sind korrupt. Was ist das Ziel von so einem Kabarett? Eine Demokratie ohne Politiker? Computer übernehmen die Macht? Das erinnert mich daran, wie in der Weimarer Republik über Politik geredet wurde, "Quasselbude" und so.

SZ: Sind Sie ein unpolitischer Komödiant, müsste man sagen: Comedyant?

Hader: Gar ned. Mich interessieren gesellschaftliche Stimmungen. Im aktuellen Programm die Entwicklung zur Ich-AG, die Auflösung der Gemeinschaften. Die Menschen arbeiten nicht miteinander, sie verfolgen nur eigenes Interesse.

SZ: Welche Rolle spielen Politiker?

Hader: Populistische Politiker reden einer Gruppe ein, die andere wäre schuld. Den Jungen sagen sie, die Alten sind schuld. Den Alten sagen sie, die Ausländer sind schuld. Schließlich bekämpfen sich alle Gruppen gegenseitig, statt nach gemeinsamen Interessen zu suchen.

SZ: Woher kommt diese Entwicklung?

Hader: Aus der Wirtschaft. Als ich ein Jugendlicher war in den 70er Jahren, stand in der Zeitung, dass Europa den Amerikanern überlegen sei, auch weil es bei uns weniger Gegensätze zwischen Arm und Reich gab. Dann kam Ronald Reagan und deregulierte, es begann die Verherrlichung des Egoismus, eine Dynamik auf Kosten der Schwachen.

SZ: War es vorher besser?

Hader: Früher hieß es, Europas Stärke sind ein solider Mittelstand und eine breite Mittelschicht, wobei man die Begriffe nicht benutzte. Die Mitte war einfach da, unterhalb schien es wenige Menschen zu geben, um die sich der Staat kümmern musste. Heute wird ständig über die Mittelschicht geredet und an Definitionen gefeilt, weil sie immer kleiner wird.

SZ: Hat die Finanzbranche die Dynamik der Ich-AG auf die Spitze getrieben?

Hader: Ja. Wobei mich der Crash an die Geschichte erinnert. 1929 nahmen die Leute Kredite auf, um an der Börse zu spekulieren. Diesmal spekulierten die Anleger und die Banken wieder stark auf Kredit. Trotzdem fiel die Parallele niemandem auf, auch nicht den 90-jährigen Medizinmännern der Finanzwirtschaft wie Alan Greenspan. Das war eh irrational. Immer wenn der hustete oder ein Komma falsch setzte, stürzte eine Kurve ab. Wie bei einem Indianerstamm.

SZ: Was kostet Sie die Finanzkrise?

Hader: Ich habe einen Freund, der macht so ethisch einwandfreie Fonds, dem habe ich Geld gegeben.

SZ: Wie viel haben Sie verloren?

Hader: Weiß ich nicht genau. Ich hatte ihm ein paar Gagen in die Hand gedrückt.

SZ: Haben Sie Angst vor dem großen Kollaps?

Hader: Mir kann nichts passieren. Ich habe ein Wohnrecht auf dem alten Hof meiner Eltern. Falls alles zusammenkracht, geh' ich zu meinem Bruder, arbeite dort ein bisschen und bekomme Essen.

SZ: Woran arbeiten Sie gerade?

Hader: Im März kommt "Der Knochenmann" in die Kinos, das ist die nächste Wolf-Haas-Verfilmung mit dem Sepp Bierbichler in der zweiten Hauptrolle. Und wir machen gerade eine kleine Fernsehserie über zwei Pathologen im Keller eines Krankenhauses. Mit Verwesungsprozessen kenne ich mich aus. Da bin ich wirklich Fachmann.

SZ: Oh Gott.

Hader: Pathologie, Leichenschauhäuser, wo sich Leben und Tod vermischen, das hat mich stets interessiert. Denken Sie sich einen jungen Mann, der die Frau seines Lebens kennenlernt, und die ist ein bisschen scheu. Sagt er gleich, dass er Pathologe ist? Geht da die Beziehung kaputt? Sagt er daher lieber, er ist Arzt?

SZ: Sie spielen lauter hoffnungsfrohe Figuren: Einen drogensüchtigen Rettungssanitäter, einen Restauranttester, dessen Kollege an Krebs stirbt, jetzt einen Pathologen.

Hader: Sie werden in den großen Theaterstücken der Welt nur Versager und leidende Menschen sehen, nie glückliche. Kunst geht immer darum, mit der Realität fertig zu werden. Wenn man glücklich ist, macht man nichts. Glück ist ja ein unnatürlicher Zustand, den gibt es ja nicht lang. Ich erinner' mich noch, als ich verliebt war, da bin ich wochenlang nicht ins Kino gekommen. Mei, als ich verliebt war, das weiß ich noch.

© SZ vom 09.01.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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