SZ-Serie: Reden wir über Geld:"Betteln gehört zum Job"

Erzbischof Philip Naameh über die schwierige Suche nach Spenden, Entwicklungshilfe für Waffenhändler und wie es ist, ohne Lohn zu arbeiten.

Caspar Dohmen

Über den Gesprächswunsch war Philip Naameh sehr überrascht. Warum sollte ausgerechnet er über Geld sprechen, wo ein afrikanischer Bischof doch gar kein eigenes hat? Aber dann redet der 60-Jährige offen über die Nöte seiner Kirche und die Konkurrenz zur islamischen Glaubensgemeinschaft in seiner Heimat Ghana. Naameh kommt immer wieder nach Deutschland, auch, um Spenden zu sammeln. Er kennt das Land, in Münster hat er promoviert. Zeit also für ein Gespräch über Afrika und Europa, Kirche und Geld.

Philip Naameh

Erzbischof Philip Naameh

(Foto: Foto: Karlheinz Jardner)

SZ: Herr Erzbischof Naameh, reden wir über Geld. Wann haben Sie Ihr erstes Geld verdient?

Philip Naameh: Nach meinem Abitur arbeitete ich ein Jahr lang in einem medizinischen Labor. Diese Arbeit war mit einem Stipendium für Medizin in Kanada verbunden. Doch ich habe mich anders entschieden und wurde Priester.

SZ: Wie hoch war der Lohn?

Naameh: Es waren keine 20 Euro im Monat.

SZ: Wofür gaben Sie es aus?

NNaameh: Ich brauchte es vor allem für meinen eigenen Lebensunterhalt und teilte mit Verwandten und Freunden. So macht es jeder in Ghana, wenn er eine Arbeit hat. Das ist das System. Ich hatte mich als Schüler vorher auch über jeden Cent gefreut, den ich von Verwandten bekam. Ohne deren Hilfe wäre ich auch nie dahin gekommen, wo ich heute bin.

SZ: Welchen Beruf hatte Ihr Vater?

Naameh: Mein Vater war Bauer. Als die Missionare 1929 in unsere Gegend kamen, ließ er sich bekehren und arbeitete fortan in der Mission. Wir Kinder sind dort geboren, ich bin der zweitjüngste von sieben. Ich war privilegiert, ich durfte auf eine Missionsschule gehen.

SZ: Was verdienen Sie als Bischof?

Naameh: Nichts. Ich lebe von Spenden der Gemeinden. Ich verwalte hohe Summen, aber die gehören mir nicht. Ich besorge das Geld für unsere Kirchenarbeit durch Spenden. Immer im Mai treffen sich Vertreter der Missionen in Rom und entscheiden über die Anträge der Bischöfe aus der Dritten Welt. Dann wird das Geld der katholischen Spender aus aller Welt nach Nöten verteilt. Wenn ich mich mit einem Antrag für eine Grundschule bewerbe, bekomme ich vielleicht 40000 Euro für deren Bau. Das Geld kann ich aber nur für diesen Zweck ausgeben.

SZ: Wie finanziert sich Ihr Bistum?

Naameh: In meinem Bistum leben etwa eine halbe Million Menschen von 22 Stämmen, davon jeweils etwa 25000 Katholiken und Muslime - der Rest sind Animisten, die an die Beseeltheit der Natur glauben. Wir sammeln in unseren Gemeinden selbst etwa 500 Euro im Jahr. Von Rom erhalten wir jährlich etwa 150000 Euro. Und dann sind da noch die Spenden von anderen Organisationen für einzelne Projekte. Die Bistümer in der Dritten Welt sind auf die Gelder der Weltkirche angewiesen.

SZ: Bekommen Sie die Gelder für die gewünschten Projekte? Naameh: In Europa und Amerika haben die Christen einen großen Sinn für die menschlichen Bedürfnisse. Wenn ich beispielsweise eine Toilette oder einen Brunnen bauen will, dann bekomme ich das Geld sehr einfach. Sehr viel schwierig wird es, wenn ich eine Kirche bauen oder Priester ausbilden will.

SZ: Hilft der Bau eines Brunnens den Menschen in Ghana nicht mehr als eine Kirche?

Naameh: Man kann in Afrika noch so viele Dinge errichten, es braucht nur ein Missverständnis, dann wird alles wieder kaputt gemacht. Man sollte deswegen erst die alten Wertvorstellungen ersetzen. Häufig fühlen sich Menschen eines Stammes den Mitgliedern eines anderen Stammes überlegen. Sie sagen dann, ihr wart immer unsere Sklaven. Wie könnt Ihr denken, dass wir mit euch teilen? Dies ist die Ursachen vieler Streitereien, beispielsweise, wenn ein Brunnen auf dem Land des geringer geachteten Stammes gebaut worden ist. So entstehen viele ethnische Fehden in Afrika. Geld für Brunnen ist wichtig. Aber man sollte den Menschen zunächst zu einer gemeinsamen Wertvorstellung verhelfen, damit sie die Menschenwürde der anderen respektieren.

SZ: Erhalten Moslems mehr Geld aus dem Ausland für ihre religiöse Arbeit?

Naameh: Muslimische Länder wie Iran, Libyen oder Saudi-Arabien geben sehr viel mehr Geld aus als die christlichen Länder, vor allem für den Bau von Moscheen, aber auch für die Ausbildung der Jungen. Die Moslems suchen sich gezielt Meinungsführer in Dörfern. Sie erhalten viel Geld, damit sie die Menschen dazu bringen, zu beten.

SZ: Was lehrt nach Ihrer Meinung die Bibel über Geld?

Naameh: Jesus hat immer nur die Art verurteilt, in der Menschen mit Geld umgehen, nicht Geld an sich. Man kann eben mit Geld anderen Menschen oder Gott dienen - aber auch andere Menschen demütigen. Schauen Sie, kein afrikanisches Land stellt selbst Waffen her. Trotzdem gibt es hier immer mehr Kriege. Sie werden geschürt durch Waffen, die anderswo auf der Welt hergestellt wurden.

SZ: Weil andere Menschen damit Geld verdienen?

Naameh: Ja. Die Waffenverkäufer zerstören sogar bewusst die Einheit von Menschen. Sie gehen zu einem Ort und sagen: Dein Bruder will dich betrügen, du musst ihn totschlagen, ich helfe dir durch starke Waffen. Das ironische ist, dies wird von manchen sogar als Entwicklungshilfe bezeichnet. Da sieht man, was man mit Geld anrichten kann.

SZ: Macht Entwicklungshilfe überhaupt Sinn?

Naameh: Nur, wenn sie Hilfe zur Selbsthilfe ist.

SZ: Landet die Entwicklungshilfe häufig in den Taschen der Reichen?

Naameh: Dies ist auch eine Realität. Bei zwischenstaatlicher Hilfe sollten die Nichtregierungsorganisationen deswegen eine wichtige Rolle spielen.

SZ: Teilen die Menschen in Afrika mehr als in Europa?

Naameh: Das kann man nicht sagen. Viele Menschen in Europa bekennen sich nicht zur Kirche, aber sie stehen zu den christlichen Grundwerten. Sie helfen sehr spontan, wenn sie es können. Bei uns teilen alle, weil wir aufeinander angewiesen sind.

Auf der nächsten Seite: Was Naameh von Betteln hält

"Betteln gehört zum Job"

SZ: Was halten Sie von Betteln?

Naameh: Betteln gehört zum Job eines afrikanischen Bischofs. Dies mache ich aus christlicher Verantwortung. Es gibt schließlich viele Menschen, die davon leben können, dass ich durch die Welt reise und bettle. Täte ich es nicht, würde ich viele Menschen bei mir Zuhause enttäuschen. Als afrikanischer Bischof muss ich mit Zuversicht an die Hilfsbereitschaft der christianisierten Welt herantreten. Es gibt viele Menschen, die helfen wollen, aber gar nicht wissen, wo ihr Geld am nötigsten gebraucht wird.

SZ: Wir sind hier in den Räumen der kirchlichen Pax-Bank. Welches Geld legen Sie hier an?

Naameh: Die Spendengelder. Bei mehrjährigen Projekten wäre es unsinnig, das Geld auf einen Schlag nach Ghana zu überweisen. Wegen der hohen Inflation wäre es schnell aufgezehrt. Dann lasse ich das Geld lieber auf dem Konto in Europa, alles andere wäre gegenüber den Spendern unverantwortlich.

SZ: Wie wichtig ist Ihnen Rendite?

Naameh: Wenn ich das Geld gut anlege, muss ich weniger betteln.

SZ: Achten Sie darauf, was eine Bank mit Ihrem Geld macht?

Naameh: Das ist der Grund, warum uns die Pax-Bank lieber ist als andere - sie verbindet das Bankgeschäft mit den Werten des Evangeliums. Vielleicht arbeitet eine andere Bank gegen meine Wertvorstellung, ohne dass ich es mitbekomme. Sie könnte beispielsweise die Waffenproduktion finanzieren, wodurch andere Afrikaner sterben. Dann nehme ich lieber eine geringere Rendite in Kauf.

SZ: Wäre es nicht besser, wenn Sie die Gelder als Mikrokredite an Bauern in Ghana ausgeben würden?

Naameh: Das wäre ideal. Wir versuchen schon, eigene Geldinstitute für arme Menschen zu schaffen.

SZ: Gibt es schon Kreditgenossenschaften?

Naameh: Wir bauen seit vier Jahren Kreditgenossenschaften nach dem Vorbild von Raiffeisen auf, indem wir in jeder Pfarrgemeinde eine Annahmestelle für Spargelder organisieren. Die Menschen können in vielen Dörfern noch gar nicht sparen. Da gibt es fleißige Menschen, die ihr Geld zuhause liegen lassen, wo es manchmal Motten fressen. Der Umgang mit Geld gehört zur Bildung für ein selbstverantwortliches Leben.

SZ: Ghana ist der zweitgrößte Goldproduzent in Afrika. Von dem Verkaufserlös bleiben gerade einmal drei Prozent im Land. 97 Prozent fließen an die ausländischen Minenbesitzer.

Naameh: Wenn man immer wenig Geld hatte und plötzlich bietet ein ausländisches Unternehmen für ein Stück Land zwei Millionen Euro, denkt man nicht mehr an die Zusammenhänge und unterschreibt den Vertrag. Heute sind die Ghanaer unzufrieden mit der Verteilung der Golderlöse. Früher wusste aber fast niemand, was läuft. Jüngst hat man größere Mengen Öl in unserem Land gefunden. Diesmal gibt es eine Diskussion darüber, wie können wir unseren Reichtum so handhaben, dass er den Ghanaern zugute kommt und nicht ständig anderen. Anders als früher gibt es heute Meinungsfreiheit, so dass wir wenigstens diskutieren.

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