SZ-Serie: Die großen Spekulanten (11):Der Wohltäter, der Firmenbosse zum Zittern bringt

Christopher Hohn setzte den Chef der Deutschen Börse vor die Tür. Heute hilft er Kindern in der Dritten Welt.

Andreas Oldag

Hektisch tippt Christopher Hohn auf seinem Blackberry, um ein paar E-Mails zu verschicken. Das Handy klingelt fast ständig. Hohn ist der Prototyp eines nervösen Jung-Aktienhändlers, die zu Tausenden Londons Straßen bevölkern.

SZ-Serie: Die großen Spekulanten (11): Christopher Hohn ist zu einem der gefürchtesten Firmenjäger im Londoner Finanzviertel aufgestiegen.

Christopher Hohn ist zu einem der gefürchtesten Firmenjäger im Londoner Finanzviertel aufgestiegen.

(Foto: Foto: AFP)

Zur Mittagspause drängen sie aus den glitzernden Bürotürmen, schlürfen aus Pappbechern Starbucks-Kaffee und schlingen zermatschte Sandwiches herunter. Doch wenig später sitzen sie wie Süchtige wieder an ihren Computerschirmen, um Millionen per Mausklick zu verschieben.

Vom Habitus - zerzauste Haare und randlose Harry-Potter-Brille - passt Hohn perfekt in diese Szene. Doch sein Äußeres täuscht. Er ist schon längst kein Novize mehr in diesem hyperventilierenden Geschäft. Mit seinem 2003 gegründeten Hedge-Fonds "The Children's Investment Fund" (TCI) ist Hohn zu einem der gefürchtesten Firmenjäger im Londoner Finanzviertel aufgestiegen.

"Der Zaubermeister"

Doch wie er einerseits gestandene Konzernchefs mit seinen Attacken zum Zittern bringt, gibt sich der Exzentriker andererseits als großzügiger Wohltäter. Es sind die zwei Seiten einer guten und bösen Heuschrecke. Hohns Kinder-Fonds spendet jährlich mindestens 0,5 Prozent des Anlagevermögens an die von seiner Ehefrau Jamie geleitete Organisation "Children's Investment Fund Foundation" (CIFF). Etwa eine Milliarde Dollar (630 Millionen Euro) kamen in fünf Jahren zusammen. Die Stiftung finanziert Projekte zur Bekämpfung der Kinderarmut in der Dritten Welt. Er selbst sei bei einer Reise auf die Philippinen auf die Idee gekommen, Kindern zu helfen, erzählt Hohn. Die Bilder von hungernden Familien in ärmlichen Slums hätten ihn nicht mehr losgelassen. Kein Zufall, dass Hohn von seinen Fans als neuer Robin Hood verehrt wird, der skrupellosen Managern das Geld entreißt, um es unter den Bedürftigen zu verteilen.

Die britische Zeitung Times nannte ihn einen "ruchlosen Philanthropen". Andere britische Medien stilisieren ihn sogar zum Zaubermeister eines neuen Finanz-Kapitalismus. Das Wirtschaftsmagazin The Business pries den 41-Jährigen als einen der "mächtigsten Hedgies" in Europas Geldmetropole London.

Was treibt den Spekulanten an? Hat er tatsächlich nur altruistische Ziele? Was versteckt sich hinter der Maske des wohltätigen Gönners? "Wir machen uns mit dem, was wir tun, nicht immer Freunde", meinte Hohn bei einer Investoren-Konferenz in Frankfurt. Es war einer seiner wenigen Auftritte in der Öffentlichkeit. Interviews gibt er schon gar nicht.

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Der Wohltäter, der Firmenbosse zum Zittern bringt

Sein Gesellenstück als rebellischer Investor lieferte Hohn im Frühjahr 2005 ab, als er den damaligen Chef der Frankfurter Börse, Werner Seifert, in die Enge trieb und ihn schließlich zum Rücktritt veranlasste.

Hohns TCI hatte sich an der Börsengesellschaft beteiligt, die unter anderem die Frankfurter Wertpapierbörse betreibt. Geschickt taktierte er, um den Plan zur Übernahme der Londoner Börse (LSE) zu verhindern. Gleichzeitig zwang er die Deutsche Börse dazu, einen großen Teil ihrer Barreserven an die Aktionäre auszuschütten.

Mit dem absoluten Willen zum Sieg

Nach dem gleichen Schlachtplan ging der "komische Kauz", wie ihn Seifert einmal nannte, auch bei seinem Angriff auf die niederländische Traditionsbank ABN Amro vor.

Seine dreiprozentige Beteiligung an der Bank nutzte er, um den damaligen Unternehmenschef Rijkman Groenink vor sich her zu treiben. In Brandbriefen an den Aufsichtsrat forderte Hohn die Aufspaltung des schwerfälligen und renditeschwachen Kreditinstituts. Vergeblich versuchte Groenink, unter das schützende Dach der britischen Großbank Barclays zu schlüpfen.

Es kam zu einer zermürbenden Übernahmeschlacht, aus der schließlich im vergangenen Jahr ein Konsortium unter Führung der Royal Bank of Scotland (RBS) als Sieger hervorging. Nun wird ABN zerschlagen. Und Hohn stand wieder als lachender Dritter da. Er konnte sein Aktienpaket an ABN nach der größten Bankübernahme in der Geschichte, mit einem kräftigen Gewinn abstoßen. "Unsere Sicht ist, dass Anteilseigner als aktive Eigentümer handeln. Das ist für viele Unternehmensvorstände ungewöhnlich", so Hohn zum ABN-Coup.

Ungewöhnlich ist auch Hohns Karriere. Er wurde als Sohn eines mittellosen Automechanikers in Jamaica geboren. Die Familie wanderte in den sechziger Jahren nach Großbritannien aus und ließ sich in der Grafschaft Sussex nieder. Der junge Hohn musste sich durchkämpfen. Doch schon in der Schule fiel er den Lehrern durch seine blitzschnelle Auffassungsgabe auf.

Nach dem Studium an der Universität Southampton ergatterte Hohn ein Stipendium an der berühmten Harvard Business School in den USA. Dann ging der ehrgeizige Emporkömmling in die Finanzbranche, wo er rasch Kontakt fand zum Altmeister der Hedge-Fonds-Branche, dem New Yorker Investor Richard Perry. Bei ihm lernte Hohn die Tricks und Kniffe des Geschäfts. 2003 gründete er dann in London seinen eigenen Hegde-Fonds. Hohns privates Vermögen wird mittlerweile auf mehr als 120 Millionen Euro geschätzt.

"Shock and Awe" (Schrecken und Furcht) - mit der aus dem Irakkrieg bekannten Strategie der US-amerikanischen Militärstrategen geht Hohn gegen seine Opfer vor. Doch sein Nimbus als aggressiver Investor, der Traumrenditen erzielt, hat zuletzt einige Kratzer erhalten.

So erzielte sein mehr als zehn Milliarden Dollar schwerer Hedge-Fonds im vergangenen Jahr nach Angaben des Wall Street Journal zwar noch eine überdurchschnittliche Rendite von knapp 40 Prozent. Doch nach Meinung von Londoner Finanzexperten wird auch die weltweite Kreditkrise dem Zaubermeister des neuen Finanz-Kapitalismus über kurz oder lang zu schaffen machen.

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Der Wohltäter, der Firmenbosse zum Zittern bringt

Auf hartnäckigen Widerstand trifft der Investor zudem bei der US-Eisenbahngesellschaft CSX, bei der TCI als Großaktionär eingestiegen ist. Der Fall schlägt Wellen bis in den US-Kongress.

Abgeordnete wollen mit allen Mitteln verhindern, dass Hohns Aktivitäten möglicherweise zu einer Zerschlagung des Unternehmens führen. "Der Bahnverkehr ist von nationaler Bedeutung. Er darf nicht von ausländischen Investoren kaputt gemacht werden", schimpfte die demokratische Kongressabgeordnete Corinne Brown.

Auf der Suche nach neuen Projekten

Auch mit seinem knapp zehnprozentigen Einstieg beim japanischen Stromversorger Electric Power Development (J-Power) könnte sich Hohn verkalkuliert haben.

So forderte der Spekulant Änderungen im Management, aber auch die Auszahlung einer höheren Dividende. Unterdessen hat sich sogar die japanische Regierung eingeschaltet. Sie will den Angreifer aus London stoppen. Finanziell gelohnt hat sich das Japan-Abenteuer für Hohn bislang ohnehin nicht. Die J-Power-Aktien sind seit dem TCI-Einstieg im vergangenen Jahr deutlich gefallen.

Und auch beim Children's Investment Fund läuft offenbar nicht alles rund: Kritiker monieren, dass nur ein kleiner Teil der Mittel in konkrete Projekte fließt. So habe CIFF beispielsweise im Jahre 2006 von insgesamt 230 Millionen Pfund rund 200 Millionen in Hohns Hedge-Fonds TCI reinvestiert, heißt es. Hohn würde ein "Recycling" der Hilfsgelder betreiben, kritisierte die britische Zeitung The Guardian.

Hohns Ehefrau Jamie verteidigte indes die Praxis mit dem Hinweis, dass die Stiftung die Mittel nur geparkt habe, weil so schnell keine sinnvollen Hilfsprojekte gefunden worden seien. "Für Hohn wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Jetzt muss er zeigen, wie er mit Rückschlägen fertig wird", meint ein Londoner Banker.

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