SZ-Serie: Die großen Spekulanten (16):Reich werden für alle

Die Londoner Finanzmanagerin Nicola Horlick schuf einen Hedge-Fonds, bei dem ausnahmsweise Kleinanleger erwünscht sind. Nebenbei zieht sie fünf Kinder groß.

Andreas Oldag

Vor fünf Jahren brach für Nicola Horlick eine Welt zusammen. Ihr Ehemann trennte sich von ihr. Zuvor war ihre zwölf Jahre alte Tochter Georgie an Leukämie gestorben. Das Paar wollte eigentlich nach Australien gehen und dort ein neues Leben beginnen. Horlick hatte bereits einen Vertrag mit der australischen Finanzfirma AMP unterschrieben. Statt des Auswanderertraums im australischen Outback stand nun eine Scheidung an.

Sie sei damals an einem Tiefpunkt gewesen, meinte die erfolgreiche Fondsmanagerin in einem Interview. Doch Kapitulieren oder sich unterkriegen lassen sei für sie nicht in Frage gekommen. Sie habe sich dann mit ihren beiden ältesten Kindern zusammengesetzt und beraten. Das Ergebnis: Die Mutter blieb mit ihren fünf Kindern in London. Ganz nebenbei gründete sie die Investmentfirma Bramdean Asset Management. Und auch privat sind die Dinge wieder im Lot: Sie ist mit dem Finanzjournalisten Martin Baker verheiratet.

Nicht nur Geldmaschine sein

Die britische Boulevardpresse feiert Horlick abwechselnd als "Superfrau" oder "Supermutti". Das Erstaunliche in der Karriere der 46-Jährigen ist, dass sie sich nach persönlichen Niederlagen immer wieder aufrappelt. Sie zeigt eisernen Willen und Geschick. Zuweilen setzt sie aber auch eine gehörige Portion Unverfrorenheit ein. An Selbstbewusstsein mangelt es ihr schon gar nicht. Alles Fertigkeiten, um sich in der knallharten Geldbranche der Londoner City zu behaupten.

Kein Zufall, dass Horlick die bekannteste britische Fonds-Managerin ist. Ihr Privatvermögen wird auf umgerechnet 30 Millionen Euro geschätzt. Das ist in der milliardenschweren Spekulantenszene der Themsehauptstadt zwar noch eine bescheidene Summe.

Doch für Horlick ging es in ihrer schillernden Karriere nicht nur um das große Geld, sondern auch um eine menschliche Komponente. Sie wollte und will nicht wie viele ihrer Berufskollegen nur als Geldmaschine funktionieren. Ein Viertel ihrer jährlichen Einnahmen spendet sie wohltätigen Zwecken. Sie kümmert sich um eine bessere Gesundheitsversorgung für arme Kinder in London und sitzt im ehrenamtlichen Aufsichtsrat des National Theatre. "Ich denke, es ist falsch, meinen Kindern allzu viel Reichtum zu vererben", erklärt sie ohne Umschweife. Viel Geld mache nicht nur reich, sondern auch krank, lautet ihr Credo.

Horlicks soziale Ader schlägt sich auch in ihrem Unternehmen nieder. Sie hat einen Hedge-Fonds fürs Volk aufgelegt. Während die Branche üblicherweise Superreiche anlockt, die Millionensummen investieren, wirbt Horlick auch um Kleinanleger. So beträgt die Mindestanlage beim börsennotierten "Bramdean Alternatives Limited" umgerechnet 1300 Euro. Dies sei ein Beitrag zur "Demokratisierung der Finanzwelt", erklärt Horlick.

Und weil sie stets alles perfekt machen will, hatte sie sich auf eine wochenlange Roadshow quer durchs Land begeben, um bei Investoren für ihren Fonds zu werben. Das Ergebnis von 131 Millionen Pfund, die der Fonds am Ende einsammelte, konnte sich sehen lassen. Die erhofften 250 Millionen verfehlte Horlick allerdings. Die Kreditkrise bremste die Kauflust der Anleger. Doch während in der Branche derzeit Katerstimmung herrscht, ist davon bei Horlick nicht viel zu spüren. Sie arbeite so hart wie niemals zuvor, betont sie. Die Fondsmanagerin kann dabei verschmitzt lächeln. Kollegen in ihrem Büro an der Londoner Park Lane wissen, dass sie Rückschläge als Ansporn nimmt, es besser zu machen.

Palastrebellion in London

Gern spricht Horlick in diesem Zusammenhang von typisch weiblichen Eigenschaften wie Teamfähigkeit und Kooperationsbereitschaft, die sie nutze, um ihre Ziele zu erreichen. Doch geschickt setzt sie dabei auch den Frauenfaktor ein, um männerbündische Strukturen und Kumpaneien in den Hinterzimmern der Londoner Bankenpaläste aufzubrechen. "Wenn zehn Leute bei einer Präsentation zusammen sitzen, und ich bin darunter die einzige Frau, wird man sich immer an mich erinnern", behauptet sie.

Als Absolventin der renommierten Oxford-Universität begann Horlick ihre Karriere 1983 bei der Bank SG Warburg, die später vom Schweizer Bankenkonzern UBS übernommen wurde. Rasch profilierte sie sich als Anlagespezialistin. Ein Wechsel zur Investmentbank Morgan Grenfell verschaffte ihr 1992 die Möglichkeit, zu einer der jüngsten Direktorinnen aufzusteigen.

Geradlinig verlief ihre Karriere jedoch nicht. 1997 zettelte sie eine Palastrebellion an, von der die Londoner Finanzwelt noch heute spricht. Die Chefs der von der Deutschen Bank übernommenen Morgan-Grenfell-Gruppe wollten Horlick vor die Tür setzen. Sie habe an einem sinistren Plan gearbeitet habe, zusammen mit 40 Kollegen zur niederländischen Konkurrenzbank ABN Amro zu wechseln, lautete der Vorwurf.

Horlick wehrte sich. Sie erklärte ihr Büro am Londoner Finsbury Circus für besetzt. "Wenn Sie mich anfassen, rufe ich die Polizei", soll sie ihren Vorgesetzten entgegengeschleudert haben. Dann bestand sie auf ein Gespräch mit dem Bankenvorstand und setzte sich in das nächste Flugzeug nach Frankfurt.

Dort blieb ihr theatralischer Auftritt allerdings in den Mühlen der Firmenbürokratie stecken. Aus dem Vorstandsgespräch wurde nichts. Auch in der Rechtsabteilung holte sie sich eine Abfuhr.

Horlicks Karriere schadete die Affäre nicht. Im Gegenteil: Sie untermauerte ihr Image als eine Frau, die sich von den Patriarchen der Finanzkonzerne nicht einschüchtern lässt. Sie wechselte in eine Führungsposition zur Fondsmanagementtochter der französischen Großbank Société Générale. Doch war es der ambitionierten Skifahrerin und Musikliebhaberin - vorzugsweise hört sie Pink Floyd - aber offenbar zu langweilig. Die Idee zur Gründung einer eigenen Finanzfirma wurde geboren.

Nicola Horlick hat ein Buch über ihre Erfahrungen in der Londoner Finanzwelt geschrieben. Es trägt den Titel "Can you have it all?" (Kannst du alles haben?) Ihre Antwort: Geld kann wichtig sein. Noch wichtiger ist aber ein gutes Familienleben.

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