SZ-Kommentar:Das Recht des Schwächeren

Die SZ kommentiert das Urteil zum schnarchenden Vermieter mit Kündigungsrecht.

Michael Bauchmüller

(SZ vom 18./19.01.2002) Aus dem täglichen Leben ist uns folgender ganz normaler Sachverhalt überliefert: Ein Kollege muss von oben Ärger einstecken - und teilt nach unten selber aus. Das Spiel lässt sich beliebig weiter spielen, ein Gescholtener findet sich leicht.

Dahinter steckt eine einfache Gesetzmäßigkeit: So, wie es meistens immer noch schlimmer geht, als es ohnehin schon gekommen ist, findet sich auch immer noch jemand, auf den man knüppeln kann, wenn man selbst schon ganz verbeult ist. Naturgesetze wollen es so, Erfahrungen lehren es: Die Physik wie auch die Metaphysik, Biologie wie Soziologie kennen immer einen Schwächeren. Der Boxer, der nach verlorenem Kampf den Ringrichter verprügelt; das Tier, das Kleinere frisst, aber selbst von Größeren vernascht wird; der Rationalisierer, der andere rauswirft, bis er, selbst überflüssig, gegangen wird.

Der vorliegende Fall ist ein besonders perfider. Ein Vermieter, nicht mehr der Jüngste, traktiert über Jahre seine Ehefrau. Die Ärmste, so gab sie erst vor dem Amtsgericht im rheinland-pfälzischen Sinzig und anschließend, die zweite Runde war eingeläutet, vor dem Landgericht Koblenz zu Protokoll, die Ärmste also durchlitt über Jahre schlaflose Nächte, weil ihr Gatte nicht still schlafen konnte. Schon sei ihre Gesundheit beeinträchtigt durch die durchwachten Stunden - so wollte sie nicht weiterleben. Ihr Ehemann also, er schnarchte fürchterlich.

Nun begab es sich, dass das Paar ein Haus besaß und auch Wohnungen darin vermietete. Eine davon wollte die Gattin für sich beanspruchen und meldete Eigenbedarf an. Aus Schlafesgründen. Ein Nächstschwächerer war bald gefunden: der Mieter. Beide Gerichte gaben der Dame Recht. Es sei nachvollziehbar und vernünftig, dass ein Vermieter weiteren Raum zur Eigennutzung wünscht, in dem die arme Frau getrennt vom Gatten schlafen könne, berichtet der Mieterbund aus den Verhandlungen.

Nun sind wir gespannt zu erfahren, an wem sich der rausgeworfene Mieter schadlos hält. Wird er Hausbesetzer? Schnarcher? Oder gibt es vielleicht doch ein letztes Glied in der Kette? Jemanden, der nicht mehr weiter treten kann, weil sich drunter niemand mehr findet? Sicher ist letztlich nur eins: Der Klügere sollte nachgeben. Und der Schwächere tut es.

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