"Stuttgart 21":Licht am Anfang des Tunnels

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Nur noch wenige glaubten an das Großprojekt - nun ist plötzlich die Finanzierung gesichert, und der künftige Bahnhof kommt unter die Erde.

Von Bernd Dörries

Vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof stehen seit ein paar Wochen große blaue Maschinen, mit denen ein Bohrkopf in die Erde gedreht wird. Es handelt sich um die Umsetzung der Richtlinien des Planfeststellungsbeschlusses 1.1. Man kann auch einfach sagen, dass hier der Untergrund untersucht wird, die Lage und Menge des Grundwassers. Die Bohrungen sind in Stuttgart nicht weiter aufgefallen, weil seit Jahren viel gebohrt, geplant und diskutiert wird.

Umbau in Stuttgart
:Stuttgarts "Projekt 21"

In der baden-württembergischen Landeshauptstadt soll der Hauptbahnhof komplett umgebaut werden - und zum Teil in der Erde verschwinden.

Hunderte Millionen Euro wurden bereits ausgegeben, ohne dass man einen entscheidenden Schritt vorangekommen wäre. Und in Stuttgart glaubten auch nur noch wenige an das Vorhaben, den Bahnhof unter die Erde zu legen und eine Schnellbahnstrecke nach Ulm zu bauen. Ein Projekt das mittlerweile "Das neue Herz Europas" heißt, das aber alle weiterhin "Stuttgart 21" nennen.

Der Name klang einst nach Zukunft, doch diese Zukunft schien fast schon Vergangenheit zu sein. Anfang der neunziger Jahre kamen Verkehrsplaner auf eine Idee: Die großen Gleisflächen in den deutschen Innenstädten sollten einfach unter die Erde gelegt, die frei werdenden Flächen an Investoren verkauft werden. Die Bahn finanziert mit dem Geld den unterirdischen Bahnhof. Die Bürger der Metropolen bekommen mehr Platz für Wohnungen und Parks. Es kostet den Steuerzahler fast nichts. Und alle sind glücklich. Es gab Pläne für "Frankfurt 21", "München 21" und andere Städte. Geblieben ist "Stuttgart 21" und die Erkenntnis, dass all das nicht umsonst zu haben ist.

10.000 Arbeitsplätze erwartet

Jahrzehntelang wurde gefeilscht, wer welchen Teil der Kosten von mindestens 5,1 Milliarden Euro übernimmt und auch darüber gestritten, ob die Bohrungen nicht das Stuttgarter Mineralwasser im Untergrund gefährden. Sechs Bundesverkehrsminister und drei Bahn-Chefs beschäftigten sich mit dem Projekt, das am Donnerstag schließlich unterzeichnet wurde, zu einem Zeitpunkt, als es kaum jemand mehr für möglich hielt. In den vergangenen Tagen waren sich Bund, Bahn und Land zwar fast einig geworden über die Finanzierung. Dann kam aber der Rücktritt von Hartmut Mehdorn, einem Befürworter des Projekts, der erst einmal wie ein herber Rückschlag wirkte.

Das Gegenteil war der Fall. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), ein an Erfolgen nicht sonderlich reicher Mann, wollte wohl auch einmal wieder eine gute Nachricht verkünden. Außerdem fährt er nächste Woche in den Urlaub. Also traf man sich am Donnerstag kurzfristig zur Unterschrift. So banal kann es manchmal sein. "Oettinger und Tiefensee sitzt die Angst im Nacken, dass der neue Bahn-Chef Stuttgart 21 erneut prüft und sich gegen das Milliardengrab entscheidet", mutmaßt Brigitte Dahlbender vom Umweltverband BUND. So oft fällt am Donnerstag das Wort "Konjunkturprogramm", dass klar wird, auch die Wirtschaftskrise hat den Abschluss erleichtert. Etwa 10.000 direkte Arbeitsplätze verspricht man sich.

Für Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) ist die Vertragsunterzeichnung ein großer Erfolg. "Es ist ein Projekt, von dem alle profitieren", sagte Oettinger. Ob es ihm die Wähler danken werden, ist eine andere Frage. "Stuttgart 21" ist bei den Bewohnern der Landeshauptstadt umstritten. Manche wollen einfach nur ihre gutbürgerliche Ruhe bewahrt wissen und haben keine Lust auf Tausende Lkw, die in ein paar Jahren das ganze Geröll wegfahren.

BUND und Grüne halten den alten, unter Denkmalschutz stehenden Bahnhof für ein architektonisches Meisterwerk, die Untertunnelung für Gigantonomie. Sie wollen den Kopfbahnhof restaurieren lassen - billiger und schöner sei das. Die Station unter der Erde wird ziemlich futuristisch sein. Ein Durchgangsbahnhof mit acht Gleisen, die Betonträger in der großen Halle gehen in Bullaugen über, durch die Tageslicht einfließt.

Umstrittene Zukunft der bisherigen Fläche

Vom Stuttgarter Hauptbahnhof aus fuhren die Züge bisher in gemächlichem Tempo durch das Neckartal und krochen dann mit 80 Kilometern die Schwäbische Alb hinauf. Künftig rasen die Reisenden durch lange Tunnel unter der Innenstadt bis zum Flughafen, danach verläuft die neue Schnellbahntrasse entlang der A 8 bis nach Ulm. Die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm soll sich im Schnellzug auf knapp 30 Minuten halbieren.

In Stuttgart beginnt nun die Diskussion darüber, wie die bisherige Gleisfläche in Zukunft aussehen soll, hier werden noch einmal vier Milliarden investiert. Die Stadt ist bereits in Vorleistung gegangen und hat der Bahn die meisten Grundstücke für 500 Millionen Euro abgekauft. Das garantiere eine Gestaltung im Sinne der Bürger, sagt Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU). Der hohe Kaufpreis zwinge zu enger Bebauung und hohen Mieten, befürchten die Gegner des Projekts. Sie verweisen auch auf den Transrapid in München, für den es viele Zusagen gab. Und der dennoch kippte. Vielleicht lässt aber auch die Ausdauer nach. Als Tiefensee in das Staatsministerium fuhr, da standen noch fast 100 Demonstranten davor und pfiffen. Kaum waren die Verträge unterschrieben, waren auch die Gegner weg.

© SZ vom 3. 4. 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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