StudiVZ-Gründer:"Ich stehe gerne im Zentrum des Sonnensystems"

StudiVZ-Gründer Ehssan Dariani über das, was im Leben noch kommen kann, wenn man mit 26 Jahren genau zehn Millionen Euro kassiert hat.

A. Hagelüken u. C. Lauenstein

Ehssan Dariani hat mit 29 Jahren ausgesorgt. 2007 bekam er rund zehn Millionen Euro vom Verlagshaus Holtzbrinck für seine Anteile an der Firma StudiVZ. Das soziale Netzwerk hat Millionen Mitglieder, die Persönliches über sich veröffentlichen und diskutieren. Über die zweite Rate des Kaufpreises aber liegt Dariani mit Holtzbrinck im Clinch. Auch sonst hat er genaue Vorstellungen über den Lauf der Welt. Zeit für ein Gespräch in seinem Loft über den Dächern Berlins.

Ehssan Dariani, Ostkreuz

Ehssan Dariani in seiner Dachwohnung in Berlin.

(Foto: Foto: Ostkreuz)

SZ: Ehssan Dariani, reden wir über Geld. Wenn man mit 26 Jahren eine Firma verkauft und soviel Geld erhält, was kann da noch kommen? Was machen Sie den ganzen Tag?

Ehssan Dariani: Meine Hauptaufgabe ist es, eine Hauptaufgabe zu finden. Ich bin in einer ähnlichen Situation wie 2005, vor StudiVZ. Nur mit dem Unterschied, dass ich erfahrener bin - und finanziell abgesichert. Mit allen Vor- und Nachteilen.

SZ: Nachteile hat das auch?

Dariani: Wer so viel auf dem Konto hat wie ich, kann keinen normalen Job mehr annehmen. Ich kann in keiner Firma anfangen, in der ich viel weniger verdiene als die Erträge meines Vermögens.

SZ: Ihre Erträge, das sind - einen Moment - bei fünf Prozent Rendite auf Ihr Vermögen von etwa zehn Millionen Euro 300.000 Euro im Jahr. Nach Steuern.

Dariani: Das ist 'ne nette Rechnung...

SZ: ..die stimmt.

Dariani: Ganz falsch ist sie nicht.

SZ: Also Sie finden es unsinnig, einen Job anzunehmen...

Dariani: ...in dem ich 70.000 Euro im Jahr verdiene, ja. Wer eine Firma mit 100 Leuten hatte, fängt nicht noch mal ganz unten an, mit Vorgesetztem und so.

SZ: Ihr nächstes Projekt kann nichts sein, was aussieht wie ein Abstieg gegenüber StudiVZ?

Dariani: Eher nicht. Aber keine Angst: Ich kann mir schon vorstellen, in meinem Leben noch ein paar Dinge hinzubekomme, die so erfolgreich sind wie StudiVZ.

SZ: Das glauben wir sofort, dass Sie sich das vorstellen können. Aber was genau werden Sie machen?

Dariani: Das weiß ich noch nicht genau. Ich rede mit verschiedenen Leuten. Ich spinne an ein paar Ideen, bei denen ich nicht weiß, ob sie irgendwo hinführen. Vielleicht gründe ich nochmal ein Unternehmen.

SZ: Vor Monaten hieß es, Sie seien Investor.

Dariani: Ich habe das ausprobiert. Es liegt mir aber nicht als Lebensaufgabe.

SZ: Und sonst?

Dariani: Ich bekam das Angebot, in Boston über Internet und Politik zu forschen. Ich könnte auch einen MBA machen. Die Frage ist, wozu? Ich halte nichts davon, pauschal akademische Titel zu sammeln.

"Ich hab' nicht mal ein Auto"

SZ: Wie war es, als Holtzbrinck StudiVZ kaufte und das Geld aufs Konto kam?

Dariani: Ich ging zur Bank, holte mir einen Auszug von meinem Girokonto, wo vorher ein paar Tausend drauf waren.

SZ: Und jetzt zehn Millionen.

Dariani: Ich empfand das als weniger aufregend, als die Leute vermuten. Es waren ja vorher höhere Summen im Gespräch, Yahoo wollte eine dreistellige Millionensumme zahlen. Aber klar, der Kontoauszug sah gut aus. Wir zeigten uns im Büro unsere Auszüge. Später zeigte ich ihn meiner Mutter. Die war ziemlich stolz und vergoss ein paar Tränen.

SZ: Verprassen Sie einfach Ihr Geld?

Dariani: Quatsch. Die Wohnung hier ist zur Miete. Ich hab' nicht mal ein Auto. Das Geld ist sicher angelegt, keine Aktien, sondern Staatsanleihen. Ich hab' durch die Finanzkrise nichts verloren.

SZ: Wenn jemand sagt, der Dariani hat für die goldene Kuh StudiVZ einfach die Idee von Facebook genommen und nach Deutschland übertragen - was sagen Sie?

Dariani: Da ist was dran. Aber dieses Abfällige, was da mitschwingt, hat viel Neid und Missgunst. Es gibt doch kaum neue Ideen. Ideen werden weiterentwickelt. Daimler-Benz hat das Auto erfunden, deswegen redet doch keiner verächtlich über BMW und Porsche. Wie war es bei StudiVZ? Es gab etliche Konkurrenten, die das Gleiche wollten wie ich.

SZ: Und warum wurde StudiVZ Marktführer bei sozialen Netzwerken?

Dariani: Die Konkurrenten hatten mich nicht! Und außerdem: Wir waren ein extrem gutes Team. Und wir waren kreativ, das Kunstwort "gruscheln" für die Kontaktaufnahme beherrschte die Unis im Sommer 2006. Zum Beispiel.

SZ: Vielleicht haben Sie einfach nur den richtigen Moment erwischt.

Dariani: Das war enorm wichtig. Wären wir ein halbes Jahr später gekommen, hätte sich wahrscheinlich ein Konkurrent durchgesetzt.

SZ: Der hätte jetzt Ihre Millionen.

Dariani: Wahrscheinlich.

SZ: Sie und Ihre Mitarbeiter haben rund um die Uhr gearbeitet...

Dariani: Es gab kaum eine Seite der Welt, die so extrem wuchs. Ende 2006 waren wir körperlich am Ende, überarbeitet, oft überfordert, weil es so eine Hektik war, alles am Laufen zu halten. Wir verbrachten die Wochenenden zusammen. Wir waren eine Wohngemeinschaft. Wir bezogen erst nach knapp einem Jahr StudiVZ ein Büro, das keine WG war.

SZ: Was war mit Buchhaltung und so?

Dariani: Scheiße, Buchhaltung! Da gab es bestimmt irgendjemanden, der sich irgendwann darum kümmerte.

SZ: Und dann drängelten sich plötzlich die Kaufinteressenten.

Dariani: Yahoo, Springer, Facebook. Ende 2006 kaufte uns Holtzbrinck.

SZ: Mit großen Erwartungen. Aber 2008 machte StudiVZ bei 13 Millionen Euro Umsatz insgesamt 13 Millionen Euro Verlust. Lässt sich mit sozialen Netzen nichts verdienen?

Dariani: Doch. Es ist möglich, Gebühren zu nehmen. In Osteuropa gibt es das. Das Netzwerk Xing nimmt von etwa 15 Prozent der Nutzer ein paar Euro im Monat, ich zahle das auch.

"Ich mag Leute mit Eiern"

SZ: Also verbrennt Holtzbrinck Geld, weil sie es nicht hinkriegen?

Dariani: Die wollten keine zu hohen Umsätze bei StudiVZ, weil sie mir und den anderen Managern dann deutlich mehr zahlen müssten. Aber das ist nur ein Grund für die schlechten Zahlen. Die haben es geschafft, gute Leute rauszuschmeißen und viele falsche einzustellen. In aller Bescheidenheit muss ich sagen, dass ich diese Seite erfolgreich gemacht habe. Mein Nachfolger dagegen hat StudiVZ lange Zeit noch nicht mal benutzt. Das ist so, als würde jemand BMW-Chef, der keinen Führerschein hat.

SZ: Sie sind beleidigt, weil Holtzbrinck Sie nach dem Kauf rausschmiss.

Dariani: Das war extrem unfein und ohne vertragliche Grundlage. Vorher haben wir wochenlang gestritten. Die Verlagsmanager saßen bei unseren Meetings und gaben inkompetente Kommentare ab, die ich scharf korrigierte. Das waren so Konzernkarrieristen in den Vierzigern, denen es nicht gefiel, dass sie ein Zwanzigjähriger vor versammelter Mannschaft zurechtwies.

SZ: Kein Wunder.

Dariani: Aber das ist eine Stärke von mir: Kein falscher Respekt vor Autoritäten. Mein Lieblingszitat: "Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen - und höre auf, Autoritäten zu zitieren." Da hab ich gleich mal Immanuel Kant zitiert, korrigiert, erweitert und vollendet.

SZ: Soso. Bei Ihrem Rausschmiss hieß es zum Beispiel, Sie hätten Mitarbeiter herablassend behandelt.

Dariani: Ich habe sehr viel Energie und kann sehr temperamentvoll sein, aber zwei Minuten später bin ich wieder sachlich. Und gehe mit den Leuten etwas trinken. Es gab Mitarbeiter, die mich vor laufender Versammlung zur Sau machten, das fand ich immer gut. Das waren jene, die ich am coolsten fand, jene, die Eier hatten. Ich mag Leute mit Eiern.

SZ: Sie fielen schon vorher negativ auf: Sie verschickten Ihre Geburtstagseinladung im Layout der NS-Zeitung Völkischer Beobachter.

Dariani: Ich hätte nie gedacht, dass das Missverständnisse gibt. Ich bin ein unkonventioneller Geist und finde es okay, sich über Kriegsverbrecher lustig zu machen, wie Charlie Chaplin oder Helge Schneider das machen. Als ich die Einladung online setzte, meinte nur einer, Leute könnten es missverstehen. Ich fragte: Was gibt es misszuverstehen?

SZ: Ex-Justizministerin Däubler-Gmelin stolperte über einen Bush-Hitler-Vergleich. Sie hätten wissen können, dass es eine blöde Idee ist.

Dariani: Ich hatte keine bösen Absichten. Vielleicht bin ich anders sozialisiert, meine Großeltern sind nicht in Europa aufgewachsen, nicht in Kriegsverbrechen verwickelt. Ich habe mich später für die Missverständnisse entschuldigt.

SZ: Früher hätte man einen Einladungszettel an Freunde verteilt. Die hätten gelacht oder hoffentlich nicht. Dann wäre die Sache erledigt gewesen. Doch im Internet bleibt alles da. Es stolpert auch ein Internet-Pionier wie Sie, der es besser wissen könnte. Das ist doch lustig.

Dariani: Na ja, lustig. Sehen Sie es so: Im Internet bleiben auch tolle Sachen wie StudiVZ!

SZ: Toll, ja. Ist Holtzbrinck heute noch glücklich über diesen Kauf?

Dariani: Ich glaube nicht.

SZ: Empfinden Sie Schadenfreude?

Dariani: Hm, weiß ich nicht. Ich bin unglücklich darüber, was mit StudiVZ passiert. Vielleicht wäre es das Beste gewesen, mit Facebook zu fusionieren. Die Nutzer würden vom innovativsten Produkt profitieren. Die Zeitungsverkäufer aus Stuttgart haben es geschafft, den innovativen Geist bei StudiVZ abzutöten und aus dem Laden eine Verwaltungseinheit zu machen.

SZ: Vergleichen Sie sich mit Mark Zuckerberg, dem Chef von Facebook?

Dariani: Normalerweise vergleiche ich mich mit niemandem. Dazu bin ich zu eitel. Ich stehe gerne im Zentrum des Sonnensystems. Aber andere können da auch stehen. Das Facebook-Management sagte damals, ich hätte gewisse Ähnlichkeit mit Zuckerberg.

SZ: Ja dann, Herr Zuckerberg: Wie verändert das Netz unser Leben?

Dariani: Immer noch Ehssan Dariani. Zur Frage: Das Internet erhöht unsere Produktivität. Und ich sehe einen großen Nutzen sozialer Netzwerke darin, dass sie dem menschlichen Bedürfnis nach Ablenkung entgegenkommen. StudiVZ ist eine unglaubliche Kontaktbörse.

SZ: Sie sagten mal, StudiVZ habe die Liebe auf den Campus gebracht.

Dariani: Ich mag solche pathetisch übertriebenen Ausdrücke. Ich lernte zwei meiner Freundinnen über StudiVZ kennen. Die Barriere zur Kontaktaufnahme ist massiv reduziert. Man schreibt was auf die Pinnwand, gruschelt, schreibt eine Nachricht, guckt sich Fotos an, kommentiert diese. Das ist viel einfacher, als in einen Club zu gehen und ein tolles Mädel an der Bar anzusprechen. Da betrinken sich die Männer vorher und bauen dann irgendeinen Blödsinn.

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