Studie:Her mit den Ideen

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Experten warnen vor zu großer Passivität: Die Immobilienwirtschaft braucht mehr Innovationen. Dabei könnte sie sich einiges von anderen Branchen abschauen, zum Beispiel von den Shopping-Centern.

Von Miriam Beul-Ramacher

Die Immobilienwirtschaft ist einer der größten Wirtschaftszweige Deutschlands, bisher aber wenig für die Umsetzungsgeschwindigkeit neuer Ideen bekannt. Das soll sich ändern. Denn für einen Großteil der gesellschaftlichen Herausforderungen werden gerade von dieser Branche Lösungen erhofft. Laut der Studie "Innovationen in der Immobilienwirtschaft" von der IREBS Immobilienakademie und dem Wirtschaftsberater Deloitte sehen die Deutschen Ressourcenknappheit und Demografie als größte Problem- und Aktionsfelder der kommenden 20 Jahre an. Immerhin werden laut Studie 25 bis 40 Prozent des Energie-, 30 Prozent des Rohstoffverbrauchs und 30 bis 40 Prozent der Treibhausgasemissionen durch Immobiliennutzungen verursacht.

Architekten befürchten, der Digitalisierung zum Opfer zu fallen

"Auf den demografischen Wandel kann die Immobilienwirtschaft durch adäquate strukturelle Anpassungen bei Wohn-, Gewerbe- und Spezialimmobilien reagieren", sagt Professor Tobias Just von der IREBS Immobilienakademie und Mitautor der Studie. Auch für die Folgen der Digitalisierung müssen Immobilienunternehmen Antworten finden und ihre Geschäftsmodelle anpassen. Dies gilt vor allem - aber nicht nur - für den Einzelhandels- und den Logistiksektor. Doch Innovationserfolge stellen sich insgesamt eher langsam ein und werden vor allem häufig nicht aus der Branche selbst initiiert. "Innovationsentwicklungen aus anderen Sektoren können für die Immobilienwirtschaft leicht zur Gefahr werden", warnt Just vor allzu großer Passivität.

Auch der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) hat das Thema auf seine Agenda gesetzt. Seit knapp einem Jahr ist Martin Rodeck, Geschäftsführer bei OVG Real Estate in Berlin, als verbandseigener Innovationsbeauftragter im Einsatz. Seine erste Zwischenbilanz: Die Branche hat bei der Innovationskraft noch Aufholpotenzial. Vor allem sähen es nicht alle immobilienbezogenen Berufszweige im gleichen Maße als notwendig an, Innovationsprozesse im eigenen Unternehmen einzuführen. Offen für das Thema zeigten sich allen voran die großen Beratungsunternehmen. Eher zurückhaltend reagierten die Architekten, weil sie fürchteten, der Digitalisierung zum Opfer zu fallen. Auch für die Bauwirtschaft seien Innovationen derzeit selten ein Thema. "Die Geschäfte laufen zu gut, es fehlt der Druck, um neue Produkte, Technologien oder Prozesse einzuführen", sagt Rodeck. Dabei wäre es für die Unternehmen auf lange Sicht besser, wenn Innovationen aus der Branche selbst entwickelt und gesteuert würden. Auf eigene Innovationsmanager, das zeigt eine IREBS-Umfrage unter 156 Unternehmen, setzen bisher nur wenige Firmen. Eine Ausnahme ist zum Beispiel die Hahn-Gruppe aus Bergisch-Gladbach. Das mittelständische Beteiligungsunternehmen ist auf Fachmarktzentren fokussiert und mit seinem Geschäftsmodell seit Jahrzehnten erfolgreich. Auf die Trendwechsel durch die Digitalisierung will man vorbereitet sein. Seit einem Jahr vertraut die Geschäftsleitung auf ein institutionalisiertes Innovationsmanagement. Isabel Lenzen ist 29 Jahre alt und seit drei Jahren als Research Analystin bei Hahn tätig. Sie koordiniert eine regelmäßig stattfindende Innovationsrunde und treibt Projekte voran. "Ich bin viel unterwegs, besuche Messen und Vorträge und setze wichtige Innovationsthemen auf die Agenda, die unseren Centerkunden einen Mehrwert bieten", sagt Lenzen. So hat sie die Facebook-Seite der größeren Fachmarktzentren auf Vordermann gebracht, die Sichtbarkeit der Center über Google-Maps erhöht und damit begonnen, zusammen mit den Asset Managern Wlan in und um die Fachmarktzentren zu integrieren. Auch gibt es Pläne, Hahn-Immobilien mit eigenen Ladestationen für Elektroautos zu versorgen. "Wir versuchen Trends aus der Shopping-Center-Welt und anderen Branchen auf unsere Immobilien zu übertragen", sagt Lenzen. Auf diese Strategie setzt auch der ZIA, der im November ein sogenanntes "Innovation-Lab" durchführen will. "Da möchte ich eben nicht nur Immobilienvorstände sehen, sondern gerne junge Leute und solche, die von Immobilien gar nichts verstehen", sagt Rodeck.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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