Studie:Berlin baut und baut

Überall in der Stadt gibt es neue Immobilienprojekte. Vor allem Wohnungen entstehen. Damit sinken sogar die Mieten. Dies liegt auch an den vergleichsweise günstigen Wohnungen der kommunalen Unternehmen.

Von Steffen Uhlmann

Man mag es kaum glauben angesichts der Desaster mit dem neuen Flughafen am Rande der Stadt und bei der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden, aber: Berlin kann bauen. Und wie!

Überall wird gebuddelt, betoniert, hochgezogen. Die Bauherren sind anscheinend nicht mehr zu bremsen. Fast um jedes freie Baugrundstück gibt es inzwischen Bietergefechte. Grundstücke sind knapp, die kriegs- und teilungsbedingten Baulücken im Zentrum längst geschlossen. Gebaut wird trotzdem weiter - innerhalb des S-Bahn-Rings und darüber hinaus: Wohnungen, Hotels und Bürogebäude.

Nur im Sektor Handelsimmobilien herrsche derzeit Zurückhaltung, sagt André Adami vom Forschungsunternehmen Bulwiengesa. "Da hat sich nach einer langen Boomphase eine gewisse Sättigung breit gemacht."

Das Analysehaus Bulwiengesa hat wie jedes Jahr im Auftrag der Projekttochter des Baukonzerns Hochtief eine Studie zum Baugeschehen in der Hauptstadt erarbeitet. "Nach unseren Berechnungen hat das Volumen der fertiggestellten sowie in Bau oder Planung befindlichen Wohn-, Büro- und Hotelprojekte gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 15 Prozent auf sieben Millionen Quadratmeter zugelegt", erklärt Studienautor Adami. "Berücksichtigt man, und das haben wir diesmal in der Studie getan, auch die Bauvorhaben zur Eigennutzung, dann beträgt das Projektvolumen sogar mehr als neun Millionen Quadratmeter."

Für Gordon Gorski, Chef von Hochtief Projektentwicklung, ist das ein weiterer Hinweis darauf , dass auf dem Berliner Baumarkt Eigennutzer, Bestandshalter und die Öffentliche Hand mit ihren Baugesellschaften immer aktiver werden. Ihre Projekte, sagt Experte Gorski, machten in den Segmenten Wohnen, Büro und Hotel jetzt schon fast ein Viertel des Entwicklungsvolumens aus.

Steigende Wirtschaftskraft, wachsender Gründergeist und mehr Beschäftigung treiben das Berliner Baugeschehen genauso an wie anhaltend niedrige Zinsen und die hohe touristische Anziehungskraft der deutschen Hauptstadt. Das alles überragende Thema aber bleibt der enorme Zuzug nach Berlin. "Jährlich ist mit 40 000 bis 50 000 Zuzüglern zu rechnen", sagt Gorski und zuckt dabei mit den Achseln. "In diesem Jahr werden es durch die enorm gestiegene Zuwanderung sogar 100 000 Neuberliner sein."

Dieser anhaltende Magnetismus der Hauptstadt feuert das Wohnungsbaugeschehen immer weiter an. Der Bulwiengesa-Studie zufolge entfallen allein drei Viertel der neuen Vorhaben auf den Wohnungsbau, etwa ein Fünftel sind Büros und nur sieben Prozent entfallen auf Hotelbauten. "Für private Investoren versprechen Wohnungen derzeit mehr Rendite als Büro- oder Hotelbauten", betont Adami. Zudem mache sich nun auch die Kurskorrektur des Berliner Senats bemerkbar, denn der Anteil der städtischen Wohnungsbaugesellschaften am Neubau sei merklich gestiegen.

Fast 10 000 neue Wohneinheiten haben die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in konkreter Planung oder bereits im Bau. Sie gehören zu den mehr als 80 000 Miet- und Eigentumswohnungen mit einer Gesamtfläche von 6,6 Millionen Quadratmetern, die Bulwiengesa für die Studie berücksichtigt hat - Wohnungen, die nach dem 1. Januar 2012 fertiggestellt wurden oder sich zum 1. August 2015 in Bau oder Planung befanden.

Interessant dabei: Der in den vergangenen Jahren zu beobachtende starke Anstieg der Spitzenmieten habe ein zumindest vorläufiges Ende gefunden, sagt Adami. Im Vergleich zu bereits fertiggestellten Wohnungen seien die durchschnittlichen Mietpreise der in Bau und Planung befindlichen Wohnungen rückläufig. Statt 11,31 Euro je Quadratmeter (kalt), erklärt Adami, würden bei den in Bau oder Planung befindlichen Wohnungen derzeit nur noch im Durchschnitt knapp 10,80 Euro aufgerufen. Für den Studien-Autor ist das ein Beleg für den stärkeren Einfluss der jetzt auf dem Markt weit aktiveren kommunalen Wohnungsgesellschaften.

Bei Eigentumswohnungen sehen Experten kein Ende der Preissteigerung

Der politisch gewollte Einfluss auf die Mietpreise spielt bei den Eigentumswohnungen dagegen keine Rolle. Ihre Preise ziehen deutlich an. Bereits fertiggestellte Wohnungen kosten im Schnitt knapp 3400 Euro pro Quadratmeter. Die in Bau befindlichen Wohnungen schlagen im Durchschnitt schon mit fast 4100 Euro zu Buche, das ist ein Plus von 20 Prozent. Spitzenpreise pegeln sich aktuell bei 7 800 Euro je Quadratmeter ein - mit weiter steigender Tendenz, wie einzelne Innenstadtbauten zeigen, wo die Spitzenpreise noch einmal verdoppelt sind.

Die Nachfrage ist dennoch da, entsprechend begehrt sind denn auch die knappen unmittelbaren City-Lagen, die auch künftig ansteigende Spitzenpreise versprechen. "Luft nach oben" ist nach Ansicht von Adami eh noch genügend vorhanden. Schließlich seien die Berliner Preise im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten noch ziemlich moderat. So müssen in Berlin durchschnittlich 7,7 Jahresgehälter für den Erwerb von Wohneigentum aufgewendet werden. In Städten wie München und Stuttgart liegt dieser Wert noch deutlich höher; hier brauchen Immobilienkäufer 12,3 beziehungsweise 8,8 Jahresgehälter.

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