Studentenwohnungen:Rein in die Bude

Studentenwohnungen: Neue Studentenapartments auf dem Campus der Humboldt-Universität in Berlin-Adlershof. Um die Wohnungsnot in Ballungsräumen zu lindern, muss schnell gebaut werden. Die Frage ist aber auch, welche Qualität dabei angestrebt wird, meint Lamia Messari-Becker.

Neue Studentenapartments auf dem Campus der Humboldt-Universität in Berlin-Adlershof. Um die Wohnungsnot in Ballungsräumen zu lindern, muss schnell gebaut werden. Die Frage ist aber auch, welche Qualität dabei angestrebt wird, meint Lamia Messari-Becker.

(Foto: mauritius images/Iain Masterton/Alamy)

Weil staatlich geförderte Apartments rar sind, greifen viele Eltern zur Selbsthilfe. Sie erwerben für ihren Nachwuchs eine kleine Immobilie und vermieten oder verkaufen sie später weiter.  In teuren Uni-Städten lohnt sich das.

Von Bärbel Brockmann

Immer mehr junge Menschen studieren. 2,8 Millionen waren es mit Beginn des Wintersemesters 2017/18 in Deutschland. Besonders beliebt sind Hochschulen in Großstädten und klassischen Studienorten wie Heidelberg, Freiburg oder Aachen. Die steigende Zahl der Erstsemester verschärft dort die vielfach ohnehin schon extrem angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt. Wohnraum für Studenten ist nicht nur knapp, er wird infolge dieser Knappheit auch immer teurer.

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) fordert seit Jahren vom Bund und von den Ländern Unterstützung für den Neubau und die Sanierung von bezahlbaren Wohnheimplätzen. Es wird zwar durchaus gebaut, aber viele der neuen Wohnungen, sogenannte Mikroapartments, sind für die große Mehrheit der Studenten oder ihre Eltern unerschwinglich. Viele Studenten bleiben daher, wenn es geht, bei den Eltern wohnen und nehmen lange Fahrzeiten zur Uni in Kauf. Aber das ist nicht immer ein Ausweg, denn wer will schon sein Studienfach nach dem Angebot der nächstgelegenen Hochschulen ausrichten? Immerhin jeder fünfte Studierende wohnte 2016 aber noch zu Hause.

Bei den Studentenwerken sind derzeit mehr als 16 000 Wohnheimplätze bundesweit im Bau oder in der Planung. 193 000 Wohnheimplätze gibt es dort bereits. Dennoch ist das Verhältnis von diesem staatlich geförderten Wohnraum zur Zahl der Studenten so niedrig wie noch nie. "Wir brauchen ein Wohnheimbauprogramm von Bund und Ländern. Nur dann ist es möglich, die überhitzten Wohnungsmärkte in den Hochschulstädten für Studierende etwas abzukühlen", sagt DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde. Der freie Markt kann den Bedarf nicht sättigen, ist er überzeugt. Außerdem entstünden dort überwiegend nur teure Luxus-Apartments statt des dringend nötigen bezahlbaren Wohnraums.

Allerdings wachsen die Mieten nicht überall in den Himmel. In kleineren Städten mit kleineren Hochschulen ist die Wohnungssuche leichter, und die Preise sind niedriger. Auch in manchen Großstädten kann man als Student noch vergleichsweise günstig wohnen. Laut dem vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) veröffentlichten Studentenwohnpreisindex kostet eine typische 30-Quadratmeter-Wohnung in Leipzig aktuell 327 Euro. Für dieselbe Wohnung müsste man in München mit 655 Euro mehr als das Doppelte berappen. In Berlin liegt die Durchschnittsmiete verglichen damit bei eher moderaten 430 Euro. Hier wurden aber in den vergangenen Jahren die höchsten Preissteigerungen verzeichnet. Die durchschnittliche Neuvertragsmiete stieg dort seit 2010 um mehr als 70 Prozent. In Stuttgart verteuerten sich die Mieten in dieser Zeit um 62 Prozent und in München um 52 Prozent. "Der stetige Zuzug in die Großstädte und die lediglich moderat ausgeweitete Bautätigkeit sind für die Studierenden ein schlechtes Signal, denn auch zukünftig dürften die Mieten weiter steigen", fasst das IW seine Erkenntnisse zusammen.

"Die Tilgung ist oft niedriger als die Miete. Es bleibt also sogar noch Geld übrig."

In dieser Situation entscheiden sich immer mehr Eltern dazu, selber eine kleine Wohnung zu kaufen, in der das Kind oder die Kinder während des Studiums wohnen können. Anschließend kann man diese Wohnung als Kapitalanlage behalten und weitervermieten oder verkaufen. Da die Nachfrage nach Studentenwohnungen allen Prognosen zufolge noch Jahrzehnte anhalten wird, ist das Risiko vergleichsweise gering. Ein Mieter ist derzeit ebenso schnell gefunden wie ein Käufer, vorausgesetzt, die Wohnung liegt in einer gefragten Lage.

"Mit Preisen zwischen 100 000 und 150 000 Euro für ein Mikroapartment können sich auch Eltern eine Wohnung leisten, die selber zur Miete wohnen", sagt der Immobilienexperte Rainer Ott von der Ott Investment AG. "Die Finanzierung ist bei den heutigen Zinsen leicht. Die Tilgung ist oft niedriger als die Miete. Es bleibt also sogar noch Geld übrig", sagt Ott, dessen Immobilienfirma sich auf den Verkauf von Mikroapartments für Studenten spezialisiert hat. Dass sich die Situation nicht so schnell ändern wird, liegt seiner Ansicht nach auch daran, dass die Politik die Schaffung bezahlbaren Wohnraums für Studenten mit neuen Bauvorschriften behindert. Als Beispiel nennt er die Dämmvorschriften, die die Baukosten in die Höhe treiben.

Die hohen Baukosten schrecken nicht alle ab. Immer mehr private Investoren erkennen für sich, dass sich Mikroapartments durchaus rechnen. Nach einer Untersuchung des Immobiliendienstleisters Savills sind in den Top-30-Hochschulstädten aktuell 38 500 Betten im privaten Bestand, 24 500 werden in den nächsten Jahren fertig. Das ist verglichen mit den 114 000 Betten der Studentenwerke dort noch wenig, aber die Steigerungsrate ist hoch. "Bereits 2016 wurden in Deutschland Studentenwohnanlagen für fast eine Dreiviertelmilliarde Euro gehandelt, mehr als das Transaktionsvolumen in den Jahren 2009 bis 2015 zusammen", sagt Michael Gail, Associate Director bei Savills Deutschland.

Der Run auf die Hochschule wird einer Studie zufolge bis zum Jahr 2050 anhalten

Die privaten Investoren werden von hohen Mieten und der Aussicht angelockt, dass sie angesichts weiter steigender Studentenzahlen und zögerlichen öffentlichen Baus von Studentenwohnheimen weiter hoch bleiben werden. Eine aktuelle Studie des Centrums für Hochschulentwicklung geht davon aus, dass der Ansturm auf die Hochschulen mindestens bis zum Jahr 2050 anhalten wird.

Die privat finanzierten Mikrowohnungen werden die Wohnungsnot nicht gravierend lindern, denn sie werden ganz überwiegend im hochpreisigen Segment angeboten. Dafür locken die Anbieter mit dem All-in-Konzept, möblierten Kleinstwohnungen, bei denen im Mietpreis alle laufenden Kosten enthalten sind, also neben den üblichen Nebenkosten auch Strom, Heizung und beispielsweise die Kosten fürs Internet. Im September 2017 hat zuletzt der Investmentmanager MPC Capital unter seiner Marke Staytoo ein Apartmenthaus mit 111 Wohnungen in Leipzig eröffnet. Die Mietpreise beginnen bei 449 Euro im Monat für die kleinsten Wohnungen.

Auch der Kölner Immobilienentwickler Cube Real Estate hat sich auf hochwertige Studentenwohnungen spezialisiert. Aktuell entsteht in der Nähe der Hochschule Düsseldorf eine Studentenwohnanlage mit Apartments zwischen 20 und 77 Quadratmetern. Die kleinsten Wohnungen kosten im Durchschnitt 520 Euro im Monat. Für Geschäftsführer Tilman Gartmeier ist das nicht besonders viel. "Wir rechnen mit Betriebskosten von 120 Euro. Dann bleiben für die Miete noch 400 Euro. Dann rechnen wir für die Möblierung sechs Euro je Quadratmeter. Wenn man die abzieht, kommt man bei 14 Euro aus. Das ist üblich", rechnet er vor. Bald wird Cube Real Estate 300 Wohnungen fertiggestellt haben. Bis 2021 sollen es 1000 werden. Die Wohnanlagen werden an institutionelle Anleger wie Versicherungen oder Fondsgesellschaften verkauft. Die Nachfrage von dort ist groß. Mikroapartments seien inzwischen eine anerkannte Assetklasse, sagt Gartmeier. Auch die Nachfrage von Mieterseite ist groß. Zunehmend sind es nicht nur Studenten, die in schicke Mikroapartments ziehen wollen, sondern auch junge Berufstätige oder Ausländer, die nur für eine bestimmte Zeit an einem Ort arbeiten. Für den Durchschnittsstudenten aber sind die teuren Wohnungen nicht zu bezahlen.

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