Streit um Hilfe für Griechenland:Merkel allein zu Haus

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Merkel gegen alle, alle gegen Merkel: Im Streit um EU-Hilfen für das bankrotte Griechenland steht die Kanzlerin ziemlich allein da - zu Unrecht.

Cerstin Gammelin

Die deutsche Kanzlerin steht in Europa gerade ziemlich alleine da. Wenige Tage vor dem EU-Gipfel hat sie viele Mitgliedsstaaten gegen sich aufgebracht, und zwar so richtig. Angela Merkel weigert sich standhaft, auf dem Treffen einen finanziellen Nothilfeplan für Griechenland zu beschließen. Ungewöhnlich klar und kompromisslos fordert sie stattdessen, die Währungsunion zügig zu reformieren und strikte Sanktionen gegen Haushaltssünder zu beschließen, die im Ausschluss aus der Währungsgemeinschaft gipfeln könnten. Erst wenn die europäischen Partner diesen Vorschlägen mindestens politisch zustimmten, sei es an der Zeit, über Finanzhilfen für Griechenland zu befinden.

Das ungewöhnlich undiplomatische Vorpreschen der Kanzlerin hat viele EU-Länder dazu gebracht, ebenso klar zu erklären, dass sie eher gegenteilige Ziele verfolgen. Sie wollen jetzt Kredite oder Garantien für Griechenland beschließen, und alles andere auf die lange Bank schieben. Und wenn ohnehin gerade kein Wert auf gutes Benehmen gelegt wird, werfen sie den Deutschen gleich noch vor, sowieso egoistisch zu handeln. Die europäische Front gegen Merkel ist so stark, dass sich sogar der als glänzender Opportunist geltende Kommissionspräsident José Manuel Barroso aus der Deckung wagt und ankündigt, er persönlich werde die Hilfen für Griechenland auf die Tagesordnung des Gipfels setzen. Was nichts weniger ist als ein Affront gegen die deutsche Regierungschefin.

Das ändert freilich nichts daran, dass Merkel in der Sache recht und deshalb keine andere Wahl hat, als entschlossen ihre Position zu verteidigen. Die griechische Krise zeigt schonungslos auf, dass die Währungsunion nicht auf den Fall einer Staatspleite vorbereitet und deshalb gründlich zu renovieren ist, um den Euro dauerhaft zu schützen.

Eine ihrer tragenden Säulen ist bisher das Prinzip der Selbstverantwortung. Jedes Euro-Land ist für die eigenen Schulden ausschließlich selbst verantwortlich. Gegenseitige Finanzhilfen sind ausdrücklich verboten, um die Länder zum regelkonformen Haushalten zu motivieren.

Bekäme Athen dennoch europäisches Geld oder Garantien zugesprochen, würde dies, bildlich gesprochen, diese Säule der Währungsunion bröckeln lassen. Sie könnte sogar völlig brechen, wenn größere Volkswirtschaften wie Spanien und Portugal um Hilfe anklopften. Die Währungsunion wäre ernsthaft gefährdet. Genau das will Merkel verhindern. Sie will die Säule stabilisieren und deshalb die Klausel, der zufolge Finanzhilfen untersagt sind (No-bail-out-Klausel) durch so harte Strafen ersetzen, dass es für notleidende Euro-Länder unattraktiv würde, Gemeinschaftshilfen zu beantragen. Kein Wunder, dass künftige Pleite-Kandidaten dem nicht zustimmen wollen.

Vor Merkel liegt eine der größten Herausforderungen ihrer Kanzlerschaft. Sie muss den anderen EU-Mitgliedern erklären, dass sie zum Wohle der Gemeinschaft handelt - und dass es deutsche Hilfe nicht zum Nulltarif gibt. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Angst vor einem Deutschland, das die Gemeinschaft indirekt dominiert, überall zu spüren ist. Einige europäische Partner argwöhnen, jetzt, da die Bundesrepublik die finanziellen Folgen der Wiedervereinigung weitgehend geschultert hat, versuchten die Deutschen, den anderen ihre Ordnungspolitik aufzudrücken.

Angesichts der Größe dieser Aufgabe ist es fahrlässig, die wackelige Position Merkels in der Europäischen Union zusätzlich durch nationale Querelen zu schwächen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble unterstützt die Kanzlerin eher halbherzig - und legt zugleich eigene Vorschläge vor. Das bleibt in Brüssel nicht verborgen. Eine innenpolitische Debatte um die Währungsunion und Griechenland-Hilfen könnte Merkel allerdings endgültig die Glaubwürdigkeit und die letzten europäischen Verbündeten rauben.

© SZ vom 22.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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