Streit um Griechland:Hilfe? Bloß nicht!

Berlin gegen die EU: An der Finanztragödie Griechenlands wird sich zeigen, ob Europa zusammenwächst - oder ob die altbekannten nationalen Vorbehalte siegen.

C. Gammelin, C. Hulverscheidt und S. Kornelius

Das griechische Finanz-Desaster zeigt, dass Europa nicht ausreichend vorgesorgt hat. Athens riesiger Schuldenberg bedroht nicht nur das eigene Land, sondern die gesamte Wirtschafts- und Währungsunion. Die europäischen Partner wollen nun helfen, wissen aber nicht, wer helfen soll, wie und wann. Das sind die zentralen Fragen:

Warum braucht Griechenland einen Notfallplan? Korruption und Misswirtschaft haben die Hellenen zum Rekordschuldner der Eurozone gemacht. In diesem Jahr muss Athen 55 Milliarden Euro dieser Schulden neu finanzieren und dabei beinahe doppelt so hohe Zinsen zahlen wie Deutschland, was eine neue Schuldenspirale auslöst. Den Kollaps soll ein EU-Notfallplan verhindern, der jetzt beschlossen wurde, der aber erst dann in Kraft treten soll, wenn die griechische Regierung darum bittet. Athen will, dass die EU den Plan schnell verabschiedet, um am Markt günstigere Zinsen zu erhalten. Athen steht bereits unter EU-Zwangsverwaltung.

Sind Griechenlands Schulden gefährlich für alle Euro-Staaten?

Sind Griechenlands Schulden gefährlich für alle Euro-Staaten? Ja. Könnte Athen seine Schulden nicht mehr refinanzieren und pleite gehen, würde das Spekulanten Tür und Tor öffnen und die Stabilität des Euro gefährden.

Und was macht die EU-Kommission?

Und was macht die EU-Kommission? Sie dringt vehement darauf, den Griechen finanziell zu helfen. Kommissionspräsident José Manuel Barroso will auf dem EU-Gipfel einen Notfallplan vorlegen, der bilaterale Hilfen vorsieht. Ohne die Zustimmung der Mitgliedsländer kann Barroso seine Initiative nicht durchsetzen. Merkel will auf dem Gipfel aber nicht darüber entscheiden lassen.

Warum streitet die EU dann überhaupt über Notfallhilfen?

Warum streitet die EU dann überhaupt über Notfallhilfen? Strittig sind Zeitpunkt und Gestaltung. Deutschland steht mit seiner Forderung, den Internationalen Währungsfonds (IWF) im Notfall anzurufen, weitgehend allein da. Die Mehrheit der Euroländer bevorzugt europäische Hilfen wie bilaterale Kredite oder Garantien und will diese möglichst bald beschließen.

Was muss Griechenland selbst tun?

Was muss Griechenland selbst tun? Die EU hofft, dass Hilfen gar nicht nötig sind, weil die Griechen jetzt strikt sparen und fällige Reformen der staatlichen Krankenhäuser, Finanzämter und anderer Einrichtungen umsetzen. Griechenland muss sein Rekorddefizit von knapp 13 Prozent um vier Prozentpunkte senken und wird dabei streng überwacht.

Wäre der IWF ein ehrlicher Makler?

Wäre der IWF ein ehrlicher Makler? Da gibt es Zweifel. Zwar besitzen die Europäer die meisten Stimmen im IWF, die USA verfügen aber über eine Sperrminorität und verfolgen eigene Interessen mit ihrer Leitwährung, dem Dollar. Es gibt Euro-Puristen, die sich sorgen, der Euro könnte durch IWF-Auflagen geschwächt werden, weil der Fonds dann die Finanzen der gesamten Euro-Gruppe unter die Lupe nimmt. Und, viel dogmatischer noch: Geht das europäische Binnenproblem den IWF überhaupt etwas an, wo doch Griechenland vor allem durch Misswirtschaft in Schwierigkeiten gekommen ist? Eine fremde Währung ist gar nicht im Spiel.

Kann Europa alleine helfen, ohne die Regeln zu verletzen?

Kann Europa alleine helfen, ohne die Regeln zu verletzen? Nein, in der europäischen Währungsunion ist der Finanz-Gau nicht vorgesehen gewesen. Die Erfinder des Euro dachten, dass die Stabilitätskriterien ausreichen würden, um die Währung stark und die Mitglieder von übergroßer Verschuldung fern zu halten. Keiner hatte vorausgeahnt, dass Griechenlands unverantwortliche Haushaltspolitik mit der Weltfinanzkrise zusammenfallen könnte.

Welche Risiken gibt es bei einer Zahlungshilfe für die Griechen?

Welche Risiken gibt es bei einer Zahlungshilfe für die Griechen? Eine Sonderhilfe für Griechenland würde Spekulationswellen gegen die nächsten Crash-Kandidaten Portugal und Spanien auslösen. Offenbar lässt sich an der Not gut verdienen, so lange ein Gönner im Hintergrund wartet. Außerdem wären sofort die Euro-Gegner auf dem Plan, die gegen die Hilfen klagen könnten. Schließlich gibt es ein politisches Risiko: Wer kann in Deutschland guten Gewissens vertreten, dass man den Griechen die Rente mit 63 und 14 Monatsgehälter finanziert, zuhause aber die Rente mit 67 einführt und kaum unbefristete Arbeitsverträge anbietet?

Ist Deutschland mitschuldig?

Ist Deutschland mitschuldig? Ja. Alle EU-Staaten haben bei der Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone und auch später, als gefälschte Haushaltsdaten auftauchten, beide Augen zugedrückt. Außerdem profitiert Deutschland seit der Einführung des Euros viel grundsätzlicher vom gemeinsamen Währungsraum, es kann Waren und Dienstleistungen ohne Währungsrisiko exportierten, es ist die Zugmaschine und der Chefkassierer der EU. Die Nachbarn schimpfen deswegen - ganz falsch ist die Kritik nicht. Wenn einer immer mehr Überschüsse kassiert, wachsen bei den anderen die Schulden. Wenn die Überschüsse weder in Konsum noch Konjunktur fließen, verzerrt das den Wettbewerb. Die Schwächsten leiden am stärksten.

Wird die Bundesregierung helfen?

Wird die Bundesregierung helfen? Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt hart. Sie plädiert dafür, dass die Griechen zuerst ihre Reformen durchziehen und im Notfall den IWF anrufen und von dort Hilfe erbitten. Finanzminister Wolfgang Schäuble sendet andere Signale aus. Er spricht von einem Währungsfonds, von einmaligen Hilfen und einer europäischen Lösung. Merkel aber will verhindern, dass ein Automatismus eintritt. Wird dem ersten Land geholfen, folgen die anderen. Sie will harte Regeln, notfalls auch eine Ausschluss-Klausel für notorische Sünder und dafür sogar die europäischen Verträge ändern. Nach dem jahrelangen Theater um den Lissabon-Vertrag erscheint das aber utopisch.

Warum wird aus dem griechischen Finanzdesaster jetzt eine tiefe EU-Krise?

Warum wird aus dem griechischen Finanzdesaster jetzt eine tiefe EU-Krise? Weil es mittlerweile um den Kern des europäischen Projekts geht: den Wirtschafts- und Währungsraum. Bricht der zusammen, hat Europa seinen Zenit überschritten. In der Finanzkrise zeigt sich, ob Europa zusammenwächst, oder ob die altbekannten nationalen Vorbehalte stärker sind. In Griechenland und anderswo wächst der Zorn auf die Deutschen, die wollen wiederum mit den schwachen Nachbarn nichts zu tun haben.

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