Streit um Euro-Stabilitätspakt:Ein Ziel, zwei Wege

In der Schuldenkrise drängt Deutschlands Finanzminister Schäuble auf massive Reformen des Stabilitätspaktes. Obwohl die Neuordnung erst im Herbst stehen soll, bilden sich schon zwei Lager.

Martin Winter, Brüssel

Kaum hat der Rettungsschirm für den Euro die Hürde Bundestag genommen, da begannen am Freitag in Brüssel die Arbeiten an einer Komplettüberholung des Stabilitäts- und Wachstumspakts.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Foto: Reuters

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei den Verhandlungen zur Komplettüberholung des Stabilitäts- und Wachstumspakts in Brüssel. Deutschland will die Beschaffung von Krediten und die Verantwortung für sie weiterhin in der Hand der Nationalstaaten belassen.

(Foto: Foto: Reuters)

Dabei dürfte es zu erheblichen Auseinandersetzungen kommen. Denn der Umgang mit Staaten, die so hohe Schulden haben, dass sie Spekulationen auf den Finanzmärkten auf einen Staatsbankrott auslösen könnten, spaltet die EU in zwei Lager.

Auf der einen Seite, von den Deutschen angeführt, finden sich jene, die die Beschaffung von Krediten und die Verantwortung für sie weiterhin in der Hand der Nationalstaaten belassen wollen. Den anderen, darunter der EU-Kommission sowie einigen Ländern des Mittelmeerraumes und den europäischen Sozialisten schwebt dagegen ein gemeinschaftliches Anleihensystem (Eurobonds) vor.

Auf dem Weg zu mehr Haushaltsdisziplin

Danach würden die Euro-Länder gemeinsam Anleihen auf den internationalen Märkten aufnehmen und das Geld nach Bedarf an ihre Mitglieder weitergeben. Damit wären kleine Staaten mit hohen Schulden vor Angriffen von Spekulanten geschützt.

Den Preis dafür würden Länder wie Deutschland bezahlen, die günstige Zinsbedingungen für ihre Staatsanleihen bekommen. Denn die Verzinsung der Eurobonds wäre wegen der unterschiedlichen Bonität der Euro-Länder mit Sicherheit höher.

Obwohl es als unwahrscheinlich gilt, dass Berlin dem zustimmt, liegt nach Auskunft eines hohen europäischen Beamten der Vorschlag auf dem Tisch der Finanzminister, dass "Teile einer nationalen Verschuldung in eine Gemeinschaftsschuld" umgewandelt werden könnten, wenn der betreffende Staat sich einer solide Haushaltsführung befleißigt. Dieser Vorschlag stammt angeblich aus der EU-Kommission.

Bei den am Freitag unter Leitung des Präsidenten des Europäischen Rates Herman Van Rompuy begonnenen Beratungen der Finanzminister über die Reform des Stabilitätspaktes und das zukünftige Krisenmanagement der EU geht es um einen Weg zu mehr Haushaltsdisziplin in den Euro-Ländern.

Dauerhaftes System des "Krisenmanagements"

Es wird ebenfalls darüber verhandelt, wie die jetzt vorerst auf drei Jahre beschränkte Notfallhilfe in ein dauerhaftes System des "Krisenmanagements" umgewandelt werden kann. Debattiert wird außerdem, wie wirtschaftliche Fehlentwicklungen im Euro-Raum rechtzeitig erkannt und bekämpft werden können.

Bis zum Herbst soll Van Rompuy den Staats- und Regierungschefs ein Reformpaket vorlegen. Erst dann soll auch entschieden werden, ob es dazu der Vertragsänderungen bedarf.

Deutschland plädiert für Vertragsänderungen, steht mit dieser Meinung aber noch weitgehend allein. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ging mit einem Neun-Punkte-Programm in die Gespräche.

Ideen aus allen Ländern

Währungskommissar Olli Rehn hatte seine Vorstellungen bereits am 12. Mai veröffentlicht. Und wie aus Kreisen der EU-Führung zu erfahren war, gibt es aus allen Ländern inzwischen Anregungen und Ideen. Mit ersten Ergebnissen wird in vier Wochen gerechnet, wenn Van Rompuy dem EU-Gipfel einen "Zwischenbericht" vorlegen will.

Stark umstritten ist dabei die Frage, wie ein ständiger Krisenmechanismus aussehen könnte. So trifft die deutsche Forderung auf breite Ablehnung, dass "ein Verfahren für eine geordnete staatliche Insolvenz" ein "wesentlicher Bestandteil eines festen Krisenbewältigungsrahmens" sein müsse.

Diese Idee wies der österreichische Finanzminister Josef Pröll mit der Bemerkung zurück, sie habe keine Priorität. Kritikern wie Pröll hält Berlin entgegen, dass mit der Insolvenzdrohung den Staaten "Anreize zu solider Finanzpolitik" und den Teilnehmern des Finanzmarktes "Anreize zu verantwortungsbewusster Kreditvergabe" gegeben würden.

Vorbeugen als beste Methode

Damit würde die EU allerdings von dem Prinzip bei der Rettung Griechenlands Abschied nehmen, wonach ein Euro-Land nicht pleite gehen darf, weil die Risiken für den gemeinsame Währung zu groß seien.

Einig ist man sich aber in der EU, dass Vorbeugen die beste Methode gegen neue Krisen ist. So zeichnet sich ab, dass die "Grundannahmen" der nationalen Haushalte künftig von der EU überprüft werden sollen, bevor sie verabschiedet werden.

Auf viel Zustimmung dürfte auch Schäubles Forderung stoßen, dass die anderen Euro-Länder die vereinbarten Stabilitätsziele in ihr nationales Recht übernehmen, wie Deutschland es etwa mit der "Schuldenbremse" getan hat.

Prinzipiell einig dürfte man sich auch sein, dass diejenigen, die die Stabilitätsregeln verletzen, bestraft werden. Im Gespräch sind unter anderem der Entzug von europäischen Fördermitteln.

Frühwarnsystem

Ob Berlin allerdings seine Idee durchsetzen kann, dass Regelbrechern die Stimmrechte entzogen werden, wird in Brüssel angezweifelt. Die Van Rompuy-Gruppe wird im Herbst auch Vorschläge machen, wie wirtschaftliche Fehlentwicklungen in Mitgliedsländern rechtzeitig erkannt und korrigiert werden können. Im Gespräch sind "Indikatoren", die wie ein Frühwarnsystem wirken.

Nachdem es zwischen Frankreich und Deutschland in den vergangenen Wochen zu Verwerfungen über das Krisenmanagement gekommen war, sucht Paris nun offensichtlich wieder den Schulterschluss mit Berlin. Zu Beginn des Treffens lobte die französische Finanzministerin Christine Lagarde das Papier Schäubles. Dessen Ideen gingen in die richtige Richtung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: